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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 184. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.)
kann er zwar im Lauf derselben noch kein Testament ma-
chen, wohl aber ist es unmittelbar nach ihrem Ablauf
(post sextam) gültig, also gleich nach der Mitternacht,
die den 31. December vom 1. Januar scheidet, oder mit
anderen Worten, gleich im Anfang des 1. Januars (g).

Diese Stelle nun hat mehr als alle andere die Mey-
nung veranlaßt, daß die Civilcomputation auf den An-
fang des vorhergehenden Tages zurück gehe, ja man kann
annehmen, daß ohne sie schwerlich eine solche Meynung
jemals entstanden seyn würde. Auch ist nicht zu läugnen,
daß diese Meynung mit vielem Schein aus unsrer Stelle
hergeleitet werden kann, wozu besonders zwey Umstände
zusammen wirken. Erstlich das voran stehende pridie, wel-
ches sogleich die Vorstellung erzeugt, jede folgende Zeitbe-
stimmung, also auch die gültige Abfassung des Testaments,
müsse ganz in den Zeitraum des 31. Decembers fallen.
Zweytens das plus arbitror, welches leicht zu folgender
Stufenfolge führt: nicht blos der 2. Januar ist nicht nö-
thig, sondern selbst nicht der 1. Januar, indem schon der
31. December hinreicht. Für das plus arbitror ist jedoch
schon oben eine andere, eben so natürliche, Erklärung ge-
geben worden (h). Aber auch für das voran gesetzte pridie

(g) Im Wesentlichen dieselbe
Erklärung findet sich schon bey
Unterholzner S. 307 fg. --
Donellus § 3 hat dieselbe Mey-
nung, aber ohne sie zu entwickeln.
-- Schon die Glosse hat beide
Meynungen klar aufgefaßt und
dargestellt, und sie giebt der hier
vertheidigten den Vorzug.
(h) Die Glosse bezieht das plus
arbitror
auf die ersten, der Nacht
angehörenden, Stunden des Ka-
lendertags, im Gegensatz des Licht-
tags. Dafür läßt sich sagen, daß

§. 184. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortſetzung.)
kann er zwar im Lauf derſelben noch kein Teſtament ma-
chen, wohl aber iſt es unmittelbar nach ihrem Ablauf
(post sextam) gültig, alſo gleich nach der Mitternacht,
die den 31. December vom 1. Januar ſcheidet, oder mit
anderen Worten, gleich im Anfang des 1. Januars (g).

Dieſe Stelle nun hat mehr als alle andere die Mey-
nung veranlaßt, daß die Civilcomputation auf den An-
fang des vorhergehenden Tages zurück gehe, ja man kann
annehmen, daß ohne ſie ſchwerlich eine ſolche Meynung
jemals entſtanden ſeyn würde. Auch iſt nicht zu läugnen,
daß dieſe Meynung mit vielem Schein aus unſrer Stelle
hergeleitet werden kann, wozu beſonders zwey Umſtände
zuſammen wirken. Erſtlich das voran ſtehende pridie, wel-
ches ſogleich die Vorſtellung erzeugt, jede folgende Zeitbe-
ſtimmung, alſo auch die gültige Abfaſſung des Teſtaments,
müſſe ganz in den Zeitraum des 31. Decembers fallen.
Zweytens das plus arbitror, welches leicht zu folgender
Stufenfolge führt: nicht blos der 2. Januar iſt nicht nö-
thig, ſondern ſelbſt nicht der 1. Januar, indem ſchon der
31. December hinreicht. Für das plus arbitror iſt jedoch
ſchon oben eine andere, eben ſo natürliche, Erklärung ge-
geben worden (h). Aber auch für das voran geſetzte pridie

(g) Im Weſentlichen dieſelbe
Erklärung findet ſich ſchon bey
Unterholzner S. 307 fg. —
Donellus § 3 hat dieſelbe Mey-
nung, aber ohne ſie zu entwickeln.
— Schon die Gloſſe hat beide
Meynungen klar aufgefaßt und
dargeſtellt, und ſie giebt der hier
vertheidigten den Vorzug.
(h) Die Gloſſe bezieht das plus
arbitror
auf die erſten, der Nacht
angehörenden, Stunden des Ka-
lendertags, im Gegenſatz des Licht-
tags. Dafür läßt ſich ſagen, daß
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[383/0397] §. 184. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortſetzung.) kann er zwar im Lauf derſelben noch kein Teſtament ma- chen, wohl aber iſt es unmittelbar nach ihrem Ablauf (post sextam) gültig, alſo gleich nach der Mitternacht, die den 31. December vom 1. Januar ſcheidet, oder mit anderen Worten, gleich im Anfang des 1. Januars (g). Dieſe Stelle nun hat mehr als alle andere die Mey- nung veranlaßt, daß die Civilcomputation auf den An- fang des vorhergehenden Tages zurück gehe, ja man kann annehmen, daß ohne ſie ſchwerlich eine ſolche Meynung jemals entſtanden ſeyn würde. Auch iſt nicht zu läugnen, daß dieſe Meynung mit vielem Schein aus unſrer Stelle hergeleitet werden kann, wozu beſonders zwey Umſtände zuſammen wirken. Erſtlich das voran ſtehende pridie, wel- ches ſogleich die Vorſtellung erzeugt, jede folgende Zeitbe- ſtimmung, alſo auch die gültige Abfaſſung des Teſtaments, müſſe ganz in den Zeitraum des 31. Decembers fallen. Zweytens das plus arbitror, welches leicht zu folgender Stufenfolge führt: nicht blos der 2. Januar iſt nicht nö- thig, ſondern ſelbſt nicht der 1. Januar, indem ſchon der 31. December hinreicht. Für das plus arbitror iſt jedoch ſchon oben eine andere, eben ſo natürliche, Erklärung ge- geben worden (h). Aber auch für das voran geſetzte pridie (g) Im Weſentlichen dieſelbe Erklärung findet ſich ſchon bey Unterholzner S. 307 fg. — Donellus § 3 hat dieſelbe Mey- nung, aber ohne ſie zu entwickeln. — Schon die Gloſſe hat beide Meynungen klar aufgefaßt und dargeſtellt, und ſie giebt der hier vertheidigten den Vorzug. (h) Die Gloſſe bezieht das plus arbitror auf die erſten, der Nacht angehörenden, Stunden des Ka- lendertags, im Gegenſatz des Licht- tags. Dafür läßt ſich ſagen, daß

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/397>, abgerufen am 16.06.2024.