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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.

Die Lex Julia de adulteriis hatte dem Ehemann und
dem Vater der Ehebrecherin das Recht gegeben, eine Zeit
lang mit Ausschließung aller Fremden die Anklage zu er-
heben, nach Ablauf derselben sollten auch Fremde klagen
können. Diese Zeit war wörtlich auf sexaginta dies fest-
gestellt (a), und nun sagt Paulus in unsrer Stelle, auch
der sexagesimus selbst sey in den sexaginta mit enthalten.
Damit will er offenbar Denjenigen widersprechen, die etwa
an dem sexagesimus nicht mehr jenes Vorrecht zulassen
möchten. Daß er einen Kalendertag meynt, kann nach
den oben angegebenen Gründen nicht bezweifelt werden;
wollte man gerade bey dieser Stelle an einen beweglichen
Tag denken, so hätte sie den unerträglich trivialen Sinn:
unter den gestatteten 60 Tagen sind nicht etwa nur 59 zu
verstehen. -- Welchen Tag meynt nun aber Paulus? So
sonderbar dieses auf den ersten Blick scheinen mag, muß
ich dennoch behaupten, daß er auch hier wieder den no-
vissimus dies
meynt, also genau denselben, welchen er in
L. 101 de R. J. sexagesimus et primus nannte; dort hatte
er nämlich den ersten Tag mitgezählt, hier zählt er ihn
nicht mit. Hier aber so zu zählen, hatte er einen guten
Grund in dem Ausdruck der Lex, welcher geradezu auf
sexaginta dies lautete, und mit welchem er einen wört-
lichen Widerspruch in seiner Bezeichnung des novissimus

(a) L. 4 § 1 L. 11 § 6 L. 15
pr. L. 29 § 5 L. 30 § 1 ad L.
Jul. de adult.
(48. 5.). Die so
häufige, wörtlich gleich lautende
Wiederholung der Ausdrücke läßt
keinen Zweifel, daß dieselben ge-
rade so auch in der Lex standen.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.

Die Lex Julia de adulteriis hatte dem Ehemann und
dem Vater der Ehebrecherin das Recht gegeben, eine Zeit
lang mit Ausſchließung aller Fremden die Anklage zu er-
heben, nach Ablauf derſelben ſollten auch Fremde klagen
können. Dieſe Zeit war wörtlich auf sexaginta dies feſt-
geſtellt (a), und nun ſagt Paulus in unſrer Stelle, auch
der sexagesimus ſelbſt ſey in den sexaginta mit enthalten.
Damit will er offenbar Denjenigen widerſprechen, die etwa
an dem sexagesimus nicht mehr jenes Vorrecht zulaſſen
möchten. Daß er einen Kalendertag meynt, kann nach
den oben angegebenen Gründen nicht bezweifelt werden;
wollte man gerade bey dieſer Stelle an einen beweglichen
Tag denken, ſo hätte ſie den unerträglich trivialen Sinn:
unter den geſtatteten 60 Tagen ſind nicht etwa nur 59 zu
verſtehen. — Welchen Tag meynt nun aber Paulus? So
ſonderbar dieſes auf den erſten Blick ſcheinen mag, muß
ich dennoch behaupten, daß er auch hier wieder den no-
vissimus dies
meynt, alſo genau denſelben, welchen er in
L. 101 de R. J. sexagesimus et primus nannte; dort hatte
er nämlich den erſten Tag mitgezählt, hier zählt er ihn
nicht mit. Hier aber ſo zu zählen, hatte er einen guten
Grund in dem Ausdruck der Lex, welcher geradezu auf
sexaginta dies lautete, und mit welchem er einen wört-
lichen Widerſpruch in ſeiner Bezeichnung des novissimus

(a) L. 4 § 1 L. 11 § 6 L. 15
pr. L. 29 § 5 L. 30 § 1 ad L.
Jul. de adult.
(48. 5.). Die ſo
häufige, wörtlich gleich lautende
Wiederholung der Ausdrücke läßt
keinen Zweifel, daß dieſelben ge-
rade ſo auch in der Lex ſtanden.
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[400/0414] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. Die Lex Julia de adulteriis hatte dem Ehemann und dem Vater der Ehebrecherin das Recht gegeben, eine Zeit lang mit Ausſchließung aller Fremden die Anklage zu er- heben, nach Ablauf derſelben ſollten auch Fremde klagen können. Dieſe Zeit war wörtlich auf sexaginta dies feſt- geſtellt (a), und nun ſagt Paulus in unſrer Stelle, auch der sexagesimus ſelbſt ſey in den sexaginta mit enthalten. Damit will er offenbar Denjenigen widerſprechen, die etwa an dem sexagesimus nicht mehr jenes Vorrecht zulaſſen möchten. Daß er einen Kalendertag meynt, kann nach den oben angegebenen Gründen nicht bezweifelt werden; wollte man gerade bey dieſer Stelle an einen beweglichen Tag denken, ſo hätte ſie den unerträglich trivialen Sinn: unter den geſtatteten 60 Tagen ſind nicht etwa nur 59 zu verſtehen. — Welchen Tag meynt nun aber Paulus? So ſonderbar dieſes auf den erſten Blick ſcheinen mag, muß ich dennoch behaupten, daß er auch hier wieder den no- vissimus dies meynt, alſo genau denſelben, welchen er in L. 101 de R. J. sexagesimus et primus nannte; dort hatte er nämlich den erſten Tag mitgezählt, hier zählt er ihn nicht mit. Hier aber ſo zu zählen, hatte er einen guten Grund in dem Ausdruck der Lex, welcher geradezu auf sexaginta dies lautete, und mit welchem er einen wört- lichen Widerſpruch in ſeiner Bezeichnung des novissimus (a) L. 4 § 1 L. 11 § 6 L. 15 pr. L. 29 § 5 L. 30 § 1 ad L. Jul. de adult. (48. 5.). Die ſo häufige, wörtlich gleich lautende Wiederholung der Ausdrücke läßt keinen Zweifel, daß dieſelben ge- rade ſo auch in der Lex ſtanden.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/414>, abgerufen am 30.04.2024.