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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.)
rung aus der Rechnung ausfallen. Dadurch gelangt man
stets auf irgend einen letzten Tag, in welchem keine Ver-
hinderung Statt fand, und der daher von der Modifica-
tion des utile tempus nicht berührt wird; denn wenn in
dem Tage selbst, den man für den letzten halten möchte,
eine Verhinderung eintritt, so darf er eben deshalb in den
Zeitraum gar nicht eingerechnet werden, ist also nicht der
letzte dieses Zeitraums, sondern es muß irgend ein folgen-
der, nämlich der nächste unverhinderte, als letzter aner-
kannt werden. Bey diesem letzten Tage nun entsteht die
Frage nach dem juristischen Endpunkt, worauf sich die
civile Zeitrechnung bezieht. Dieser letzte Tag kann nach
Verschiedenheit der Rechtsverhältnisse bald so, bald an-
ders behandelt werden; der Umstand aber, daß einige
vorhergehende Tage wegen Verhinderung ausgefallen sind,
kann darauf keinen Einfluß haben. Beide anomalische
Rechnungsarten stehen also neben einander und berühren
sich nicht. So würde es seyn nach allgemeiner Betrach-
tung, welche Meynung man auch von der civilen Zeitrech-
nung fassen möge; doppelt einleuchtend aber muß es seyn
nach der oben vorgetragenen Lehre über die civile Zeit-
rechnung bey Versäumnissen (§ 185. 186). Nach dieser
Lehre endigt der Zeitraum erst am Schluß des letzten Ta-
ges, und darin liegt ein Vortheil für den zum Handeln
berufenen Berechtigten. Es wäre aber ganz unnatürlich,
ihm diesen Vortheil deshalb entziehen zu wollen, weil ihm
vorher ein anderer Vortheil zugestanden werden mußte,

§. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortſetzung.)
rung aus der Rechnung ausfallen. Dadurch gelangt man
ſtets auf irgend einen letzten Tag, in welchem keine Ver-
hinderung Statt fand, und der daher von der Modifica-
tion des utile tempus nicht berührt wird; denn wenn in
dem Tage ſelbſt, den man für den letzten halten möchte,
eine Verhinderung eintritt, ſo darf er eben deshalb in den
Zeitraum gar nicht eingerechnet werden, iſt alſo nicht der
letzte dieſes Zeitraums, ſondern es muß irgend ein folgen-
der, nämlich der nächſte unverhinderte, als letzter aner-
kannt werden. Bey dieſem letzten Tage nun entſteht die
Frage nach dem juriſtiſchen Endpunkt, worauf ſich die
civile Zeitrechnung bezieht. Dieſer letzte Tag kann nach
Verſchiedenheit der Rechtsverhältniſſe bald ſo, bald an-
ders behandelt werden; der Umſtand aber, daß einige
vorhergehende Tage wegen Verhinderung ausgefallen ſind,
kann darauf keinen Einfluß haben. Beide anomaliſche
Rechnungsarten ſtehen alſo neben einander und berühren
ſich nicht. So würde es ſeyn nach allgemeiner Betrach-
tung, welche Meynung man auch von der civilen Zeitrech-
nung faſſen möge; doppelt einleuchtend aber muß es ſeyn
nach der oben vorgetragenen Lehre über die civile Zeit-
rechnung bey Verſäumniſſen (§ 185. 186). Nach dieſer
Lehre endigt der Zeitraum erſt am Schluß des letzten Ta-
ges, und darin liegt ein Vortheil für den zum Handeln
berufenen Berechtigten. Es wäre aber ganz unnatürlich,
ihm dieſen Vortheil deshalb entziehen zu wollen, weil ihm
vorher ein anderer Vortheil zugeſtanden werden mußte,

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[443/0457] §. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortſetzung.) rung aus der Rechnung ausfallen. Dadurch gelangt man ſtets auf irgend einen letzten Tag, in welchem keine Ver- hinderung Statt fand, und der daher von der Modifica- tion des utile tempus nicht berührt wird; denn wenn in dem Tage ſelbſt, den man für den letzten halten möchte, eine Verhinderung eintritt, ſo darf er eben deshalb in den Zeitraum gar nicht eingerechnet werden, iſt alſo nicht der letzte dieſes Zeitraums, ſondern es muß irgend ein folgen- der, nämlich der nächſte unverhinderte, als letzter aner- kannt werden. Bey dieſem letzten Tage nun entſteht die Frage nach dem juriſtiſchen Endpunkt, worauf ſich die civile Zeitrechnung bezieht. Dieſer letzte Tag kann nach Verſchiedenheit der Rechtsverhältniſſe bald ſo, bald an- ders behandelt werden; der Umſtand aber, daß einige vorhergehende Tage wegen Verhinderung ausgefallen ſind, kann darauf keinen Einfluß haben. Beide anomaliſche Rechnungsarten ſtehen alſo neben einander und berühren ſich nicht. So würde es ſeyn nach allgemeiner Betrach- tung, welche Meynung man auch von der civilen Zeitrech- nung faſſen möge; doppelt einleuchtend aber muß es ſeyn nach der oben vorgetragenen Lehre über die civile Zeit- rechnung bey Verſäumniſſen (§ 185. 186). Nach dieſer Lehre endigt der Zeitraum erſt am Schluß des letzten Ta- ges, und darin liegt ein Vortheil für den zum Handeln berufenen Berechtigten. Es wäre aber ganz unnatürlich, ihm dieſen Vortheil deshalb entziehen zu wollen, weil ihm vorher ein anderer Vortheil zugeſtanden werden mußte,

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/457>, abgerufen am 30.04.2024.