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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Beylage IX.
Folge der Versäumniß ist, bey der Usucapion nicht. Denn
bey der Servitut erfolgt der Untergang unfehlbar, wenn
die Ausübung unterbleibt, selbst wenn der Eigenthümer
die Sache nicht besitzen sollte (d); umgekehrt wird eben so
unfehlbar der Untergang abgewendet durch jede Ausübung.
Die Usucapion dagegen kann verhindert werden ungeachtet
der Versäumniß, wenn nämlich die Frau durch Zufall den
Besitz verliert; umgekehrt wird die Gefahr des Verlustes
nicht nothwendig abgewendet durch die Vorsicht des Man-
nes: denn wenn er auch vindicirt, kann er dennoch den
Prozeß verlieren durch Mangel an Beweismitteln, so wie
durch Irrthum oder bösen Willen des Richters. Diese
Unterlassung des Mannes ist also nicht so, wie der Nicht-
gebrauch der Servitut, unfehlbare Zuwendung eines Ver-
mögensvortheils, folglich ist auch kein Grund zu einer
Condiction vorhanden (e).


(d) Nur bey den servitutes
praediorum urbanorum
ist Die-
ses anders, weil zu deren Ver-
lust außer dem nonusus auch noch
eine besondere libertatis usuca-
pio
gefordert wird. L. 32 § 1
de serv. praed. urb.
(8. 2.).
(e) Man könnte einwenden,
daß nach L. 16 de fundo dot.
(23. 5.) der Mann mit der do-
tis actio
für die unterlassene Vin-
dication verantwortlich gemacht
wird (rem periculi sui fecit,
s. o. Num. IV.). Allein diese Ver-
pflichtung gründet sich auf Culpa,
und bey deren Beurtheilung
kommt stets die Wahrscheinlich-
keit des Erfolgs in Betracht. Das
juristische Wesen der Schenkung
dagegen kann nur da angenom-
men werden, wo die Bereicherung
aus dem Thun oder Lassen des
Gebers nothwendig und ausschlie-
ßend folgt, so daß sie unter der
Voraussetzung eines entgegenge-
setzten Verfahrens unfehlbar un-
terblieben wäre.

Beylage IX.
Folge der Verſäumniß iſt, bey der Uſucapion nicht. Denn
bey der Servitut erfolgt der Untergang unfehlbar, wenn
die Ausübung unterbleibt, ſelbſt wenn der Eigenthümer
die Sache nicht beſitzen ſollte (d); umgekehrt wird eben ſo
unfehlbar der Untergang abgewendet durch jede Ausübung.
Die Uſucapion dagegen kann verhindert werden ungeachtet
der Verſäumniß, wenn nämlich die Frau durch Zufall den
Beſitz verliert; umgekehrt wird die Gefahr des Verluſtes
nicht nothwendig abgewendet durch die Vorſicht des Man-
nes: denn wenn er auch vindicirt, kann er dennoch den
Prozeß verlieren durch Mangel an Beweismitteln, ſo wie
durch Irrthum oder böſen Willen des Richters. Dieſe
Unterlaſſung des Mannes iſt alſo nicht ſo, wie der Nicht-
gebrauch der Servitut, unfehlbare Zuwendung eines Ver-
mögensvortheils, folglich iſt auch kein Grund zu einer
Condiction vorhanden (e).


(d) Nur bey den servitutes
praediorum urbanorum
iſt Die-
ſes anders, weil zu deren Ver-
luſt außer dem nonusus auch noch
eine beſondere libertatis usuca-
pio
gefordert wird. L. 32 § 1
de serv. praed. urb.
(8. 2.).
(e) Man könnte einwenden,
daß nach L. 16 de fundo dot.
(23. 5.) der Mann mit der do-
tis actio
für die unterlaſſene Vin-
dication verantwortlich gemacht
wird (rem periculi sui fecit,
ſ. o. Num. IV.). Allein dieſe Ver-
pflichtung gründet ſich auf Culpa,
und bey deren Beurtheilung
kommt ſtets die Wahrſcheinlich-
keit des Erfolgs in Betracht. Das
juriſtiſche Weſen der Schenkung
dagegen kann nur da angenom-
men werden, wo die Bereicherung
aus dem Thun oder Laſſen des
Gebers nothwendig und ausſchlie-
ßend folgt, ſo daß ſie unter der
Vorausſetzung eines entgegenge-
ſetzten Verfahrens unfehlbar un-
terblieben wäre.
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[574/0588] Beylage IX. Folge der Verſäumniß iſt, bey der Uſucapion nicht. Denn bey der Servitut erfolgt der Untergang unfehlbar, wenn die Ausübung unterbleibt, ſelbſt wenn der Eigenthümer die Sache nicht beſitzen ſollte (d); umgekehrt wird eben ſo unfehlbar der Untergang abgewendet durch jede Ausübung. Die Uſucapion dagegen kann verhindert werden ungeachtet der Verſäumniß, wenn nämlich die Frau durch Zufall den Beſitz verliert; umgekehrt wird die Gefahr des Verluſtes nicht nothwendig abgewendet durch die Vorſicht des Man- nes: denn wenn er auch vindicirt, kann er dennoch den Prozeß verlieren durch Mangel an Beweismitteln, ſo wie durch Irrthum oder böſen Willen des Richters. Dieſe Unterlaſſung des Mannes iſt alſo nicht ſo, wie der Nicht- gebrauch der Servitut, unfehlbare Zuwendung eines Ver- mögensvortheils, folglich iſt auch kein Grund zu einer Condiction vorhanden (e). (d) Nur bey den servitutes praediorum urbanorum iſt Die- ſes anders, weil zu deren Ver- luſt außer dem nonusus auch noch eine beſondere libertatis usuca- pio gefordert wird. L. 32 § 1 de serv. praed. urb. (8. 2.). (e) Man könnte einwenden, daß nach L. 16 de fundo dot. (23. 5.) der Mann mit der do- tis actio für die unterlaſſene Vin- dication verantwortlich gemacht wird (rem periculi sui fecit, ſ. o. Num. IV.). Allein dieſe Ver- pflichtung gründet ſich auf Culpa, und bey deren Beurtheilung kommt ſtets die Wahrſcheinlich- keit des Erfolgs in Betracht. Das juriſtiſche Weſen der Schenkung dagegen kann nur da angenom- men werden, wo die Bereicherung aus dem Thun oder Laſſen des Gebers nothwendig und ausſchlie- ßend folgt, ſo daß ſie unter der Vorausſetzung eines entgegenge- ſetzten Verfahrens unfehlbar un- terblieben wäre.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/588>, abgerufen am 30.04.2024.