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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 249. Klagverjährung. Wirkung. (Fortsetzung.)
so würde der Betrogene durch diese Exception gegen Nach-
theil geschützt seyn, also die doli actio nicht haben; da
er sie in der That haben soll, so folgt daraus, daß eine
Exception, also auch eine naturalis obligatio, nicht vor-
handen seyn kann. -- Bey dieser Beweisführung liegt aber
folgende Verwechslung zum Grunde. Wenn der Prätor
die doli actio wegen einer concurrirenden Exception ver-
sagt, so meynt er damit eine Exception die wirklich schützt,
"qua se tueri possit," und von dieser Art sind auch wirk-
lich die oben (Note q) angegebenen Fälle; dagegen haben
diese Natur durchaus nicht die Exceptionen, welche höchst
zufälligerweise in Folge einer naturalis obligatio vielleicht
einmal künftig gebraucht werden können. Gesetzt also, der
Glaubiger, welcher durch des Gegners Betrug verleitet
worden war, eine Verjährung ablaufen zu lassen, hatte
wirklich noch (so wie wir es behaupten) eine naturalis ob-
ligatio
übrig, so konnte ihm doch unmöglich der Prätor
die doli actio versagen, indem er ihn darauf vertröstete,
der Zufall werde vielleicht einmal eine Compensation her-
beyführen, oder der Schuldner werde vielleicht aus Irr-
thum Zahlung leisten, in welchem Fall ihm dann auch

durch Exceptionen geltend gemacht
werden, namentlich die Compensa-
tion. Ausdrücklich gesagt wird es
für die naturalis obligatio im
Allgemeinen nicht, sondern nur für
die nuda pactio, und hier hat
der Satz eine bestimmte praktische
Bedeutung dadurch, daß unter
pactio oder pactum vorzugs-
weise ein Erlaßvertrag verstan-
den wird, dessen unvollständige
Wirkung eben in einer Exception
gegen die Stipulationsklage des
Glaubigers bestand. L. 7 § 4 de
pactis
(2. 14.) "Igitur nuda pa-
ctio obligationem non parit,
sed parit exceptionem."

§. 249. Klagverjährung. Wirkung. (Fortſetzung.)
ſo würde der Betrogene durch dieſe Exception gegen Nach-
theil geſchützt ſeyn, alſo die doli actio nicht haben; da
er ſie in der That haben ſoll, ſo folgt daraus, daß eine
Exception, alſo auch eine naturalis obligatio, nicht vor-
handen ſeyn kann. — Bey dieſer Beweisführung liegt aber
folgende Verwechslung zum Grunde. Wenn der Prätor
die doli actio wegen einer concurrirenden Exception ver-
ſagt, ſo meynt er damit eine Exception die wirklich ſchützt,
„qua se tueri possit,” und von dieſer Art ſind auch wirk-
lich die oben (Note q) angegebenen Fälle; dagegen haben
dieſe Natur durchaus nicht die Exceptionen, welche höchſt
zufälligerweiſe in Folge einer naturalis obligatio vielleicht
einmal künftig gebraucht werden können. Geſetzt alſo, der
Glaubiger, welcher durch des Gegners Betrug verleitet
worden war, eine Verjährung ablaufen zu laſſen, hatte
wirklich noch (ſo wie wir es behaupten) eine naturalis ob-
ligatio
übrig, ſo konnte ihm doch unmöglich der Prätor
die doli actio verſagen, indem er ihn darauf vertröſtete,
der Zufall werde vielleicht einmal eine Compenſation her-
beyführen, oder der Schuldner werde vielleicht aus Irr-
thum Zahlung leiſten, in welchem Fall ihm dann auch

durch Exceptionen geltend gemacht
werden, namentlich die Compenſa-
tion. Ausdrücklich geſagt wird es
für die naturalis obligatio im
Allgemeinen nicht, ſondern nur für
die nuda pactio, und hier hat
der Satz eine beſtimmte praktiſche
Bedeutung dadurch, daß unter
pactio oder pactum vorzugs-
weiſe ein Erlaßvertrag verſtan-
den wird, deſſen unvollſtändige
Wirkung eben in einer Exception
gegen die Stipulationsklage des
Glaubigers beſtand. L. 7 § 4 de
pactis
(2. 14.) „Igitur nuda pa-
ctio obligationem non parit,
sed parit exceptionem.”
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[383/0397] §. 249. Klagverjährung. Wirkung. (Fortſetzung.) ſo würde der Betrogene durch dieſe Exception gegen Nach- theil geſchützt ſeyn, alſo die doli actio nicht haben; da er ſie in der That haben ſoll, ſo folgt daraus, daß eine Exception, alſo auch eine naturalis obligatio, nicht vor- handen ſeyn kann. — Bey dieſer Beweisführung liegt aber folgende Verwechslung zum Grunde. Wenn der Prätor die doli actio wegen einer concurrirenden Exception ver- ſagt, ſo meynt er damit eine Exception die wirklich ſchützt, „qua se tueri possit,” und von dieſer Art ſind auch wirk- lich die oben (Note q) angegebenen Fälle; dagegen haben dieſe Natur durchaus nicht die Exceptionen, welche höchſt zufälligerweiſe in Folge einer naturalis obligatio vielleicht einmal künftig gebraucht werden können. Geſetzt alſo, der Glaubiger, welcher durch des Gegners Betrug verleitet worden war, eine Verjährung ablaufen zu laſſen, hatte wirklich noch (ſo wie wir es behaupten) eine naturalis ob- ligatio übrig, ſo konnte ihm doch unmöglich der Prätor die doli actio verſagen, indem er ihn darauf vertröſtete, der Zufall werde vielleicht einmal eine Compenſation her- beyführen, oder der Schuldner werde vielleicht aus Irr- thum Zahlung leiſten, in welchem Fall ihm dann auch (t) (t) durch Exceptionen geltend gemacht werden, namentlich die Compenſa- tion. Ausdrücklich geſagt wird es für die naturalis obligatio im Allgemeinen nicht, ſondern nur für die nuda pactio, und hier hat der Satz eine beſtimmte praktiſche Bedeutung dadurch, daß unter pactio oder pactum vorzugs- weiſe ein Erlaßvertrag verſtan- den wird, deſſen unvollſtändige Wirkung eben in einer Exception gegen die Stipulationsklage des Glaubigers beſtand. L. 7 § 4 de pactis (2. 14.) „Igitur nuda pa- ctio obligationem non parit, sed parit exceptionem.”

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/397>, abgerufen am 29.04.2024.