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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 253. Verjährung der Exceptionen.
z. B. des Erwerbs einer unvorsichtig ausgeschlagenen Erb-
schaft, oder der Befreyung von einer unvorsichtig angetre-
tenen, da sie überall dieselbe Natur hat, nämlich die einer
durchgreifenden Veränderung des vorhandenen Rechtszu-
standes aus exceptionellen Gründen (c). Wie wenig selbst
in den angeführten Beyspielen die Verjährung mit der
durch Restitution vermittelten Exception zusammen hängt,
zeigt sich deutlich darin, daß es in ihnen zur Zeit des
alten Prozesses ganz zufällig war, ob es zur Ertheilung
einer Exception kam. Denn wenn der Prätor die That-
sachen völlig übersah, also nicht erst zu deren Feststellung
eines Judex bedurfte, so entschied er die Sache sogleich
definitiv, und es kam dann weder eine actio, noch eine
exceptio oder replicatio vor; dennoch war auch hier die
Frist der Restitution nicht weniger unerläßlich (d).


(c) Hieraus erhellt die völlige
Verschiedenheit der Restitution von
den Actionen und Exceptionen,
welche nur Schutzmittel für ein
wirklich vorhandenes Recht sind,
jene zum Angriff, diese zur Ver-
theidigung zu gebrauchen.
(d) Dieses erhellt sehr deutlich
aus L. 9 § 4 de jurejur. (12. 2.).
Ein Minderjähriger hatte als Klä-
ger einen Eid deferirt, nun be-
kommt er gegen die exceptio ju-
risjurandi,
durch Restitution, eine
Replication. Übersieht jedoch der
Prätor die Thatsachen völlig, so
giebt er keine Replication, sondern
schlägt sogleich selbst die Exception
ab, und giebt die Klage als ju-
dicium purum. "Ego autem
puto, hanc replicationem non
semper esse dandam, sed ple-
rumque ipsum Praetorem de-
bere cognoscere an captus sit,
et sic in integrum restituere ...
Praeterea exceptio ista, sive
cog nitio,
statutum tempus post
annum vicesimum quintum non
debet egredi."
Was hier zuletzt
exceptio genannt wird, ist nichts
Anderes, als die früher genannte
replicatio (vgl. § 229. a), und
Ulpian sagt hier ganz deutlich, die
Restitutionsfrist sey gleich uner-
läßlich, es möge zu einer förmli-
chen replicatio kommen, oder
durch des Prätors cognitio diese

§. 253. Verjährung der Exceptionen.
z. B. des Erwerbs einer unvorſichtig ausgeſchlagenen Erb-
ſchaft, oder der Befreyung von einer unvorſichtig angetre-
tenen, da ſie überall dieſelbe Natur hat, nämlich die einer
durchgreifenden Veränderung des vorhandenen Rechtszu-
ſtandes aus exceptionellen Gründen (c). Wie wenig ſelbſt
in den angeführten Beyſpielen die Verjährung mit der
durch Reſtitution vermittelten Exception zuſammen hängt,
zeigt ſich deutlich darin, daß es in ihnen zur Zeit des
alten Prozeſſes ganz zufällig war, ob es zur Ertheilung
einer Exception kam. Denn wenn der Prätor die That-
ſachen völlig überſah, alſo nicht erſt zu deren Feſtſtellung
eines Judex bedurfte, ſo entſchied er die Sache ſogleich
definitiv, und es kam dann weder eine actio, noch eine
exceptio oder replicatio vor; dennoch war auch hier die
Friſt der Reſtitution nicht weniger unerläßlich (d).


(c) Hieraus erhellt die völlige
Verſchiedenheit der Reſtitution von
den Actionen und Exceptionen,
welche nur Schutzmittel für ein
wirklich vorhandenes Recht ſind,
jene zum Angriff, dieſe zur Ver-
theidigung zu gebrauchen.
(d) Dieſes erhellt ſehr deutlich
aus L. 9 § 4 de jurejur. (12. 2.).
Ein Minderjähriger hatte als Klä-
ger einen Eid deferirt, nun be-
kommt er gegen die exceptio ju-
risjurandi,
durch Reſtitution, eine
Replication. Überſieht jedoch der
Prätor die Thatſachen völlig, ſo
giebt er keine Replication, ſondern
ſchlägt ſogleich ſelbſt die Exception
ab, und giebt die Klage als ju-
dicium purum. „Ego autem
puto, hanc replicationem non
semper esse dandam, sed ple-
rumque ipsum Praetorem de-
bere cognoscere an captus sit,
et sic in integrum restituere …
Praeterea exceptio ista, sive
cog nitio,
statutum tempus post
annum vicesimum quintum non
debet egredi.”
Was hier zuletzt
exceptio genannt wird, iſt nichts
Anderes, als die früher genannte
replicatio (vgl. § 229. a), und
Ulpian ſagt hier ganz deutlich, die
Reſtitutionsfriſt ſey gleich uner-
läßlich, es möge zu einer förmli-
chen replicatio kommen, oder
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[415/0429] §. 253. Verjährung der Exceptionen. z. B. des Erwerbs einer unvorſichtig ausgeſchlagenen Erb- ſchaft, oder der Befreyung von einer unvorſichtig angetre- tenen, da ſie überall dieſelbe Natur hat, nämlich die einer durchgreifenden Veränderung des vorhandenen Rechtszu- ſtandes aus exceptionellen Gründen (c). Wie wenig ſelbſt in den angeführten Beyſpielen die Verjährung mit der durch Reſtitution vermittelten Exception zuſammen hängt, zeigt ſich deutlich darin, daß es in ihnen zur Zeit des alten Prozeſſes ganz zufällig war, ob es zur Ertheilung einer Exception kam. Denn wenn der Prätor die That- ſachen völlig überſah, alſo nicht erſt zu deren Feſtſtellung eines Judex bedurfte, ſo entſchied er die Sache ſogleich definitiv, und es kam dann weder eine actio, noch eine exceptio oder replicatio vor; dennoch war auch hier die Friſt der Reſtitution nicht weniger unerläßlich (d). (c) Hieraus erhellt die völlige Verſchiedenheit der Reſtitution von den Actionen und Exceptionen, welche nur Schutzmittel für ein wirklich vorhandenes Recht ſind, jene zum Angriff, dieſe zur Ver- theidigung zu gebrauchen. (d) Dieſes erhellt ſehr deutlich aus L. 9 § 4 de jurejur. (12. 2.). Ein Minderjähriger hatte als Klä- ger einen Eid deferirt, nun be- kommt er gegen die exceptio ju- risjurandi, durch Reſtitution, eine Replication. Überſieht jedoch der Prätor die Thatſachen völlig, ſo giebt er keine Replication, ſondern ſchlägt ſogleich ſelbſt die Exception ab, und giebt die Klage als ju- dicium purum. „Ego autem puto, hanc replicationem non semper esse dandam, sed ple- rumque ipsum Praetorem de- bere cognoscere an captus sit, et sic in integrum restituere … Praeterea exceptio ista, sive cog nitio, statutum tempus post annum vicesimum quintum non debet egredi.” Was hier zuletzt exceptio genannt wird, iſt nichts Anderes, als die früher genannte replicatio (vgl. § 229. a), und Ulpian ſagt hier ganz deutlich, die Reſtitutionsfriſt ſey gleich uner- läßlich, es möge zu einer förmli- chen replicatio kommen, oder durch des Prätors cognitio dieſe

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/429>, abgerufen am 27.04.2024.