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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Quanti res est. V.
Cum furti agitur, jurare ita oportet, tanti rem fuisse,
cum furtum factum sit.

Diese Worte haben nur Sinn, wenn man sie auf das
im Gesetz oder Edict stehende quanti res est bezieht, wel-
ches durch den Eid auf den einzelnen Fall angewendet
werden sollte.

Über die praktische Deutung jener Worte nun sind fol-
gende Stellen zu bemerken. Zuerst muß unterschieden wer-
den, ob der Bestohlene, welcher die Klage anstellt, Eigen-
thum oder ein bloßes jus in re an der gestohlenen Sache
hat. Im letzten Fall ist es unzweifelhaft, daß das Sim-
plum blos in des Klägers Interesse bestehen kann, wel-
ches hier stets geringer seyn wird als der Sachwerth (a).
Im ersten Fall dagegen, wenn der bestohlene Eigenthümer
klagt, kann gezweifelt werden, ob das Simplum in dem
reinen Sachwerth, oder in dem, vielleicht höheren, viel-
leicht geringeren Interesse besteht. Auch hier nun ist, der
richtigeren Meynung nach, das Interesse anzunehmen.

Ich will zuerst einige Entscheidungen einzelner Rechts-
fälle anführen, die stets unzweydeutiger sind, als abstracte
Regeln.

Wenn einem Glaubiger Schuldurkunden gestohlen wer-
den, so glaubten Einige, das Simplum bestehe blos in
dem unbedeutenden Sachwerth der mit Wachs überzoge-

(a) L. 80 § 1 de furtis (47. 2.)
von Papinian: ".. Quia itaque
tunc sola utilitas aestimationem
facit, cum cessante dominio
furti actio nascitur, in istis
causis ad aestimationem cor-
poris furti actio referri non
potest."
Quanti res est. V.
Cum furti agitur, jurare ita oportet, tanti rem fuisse,
cum furtum factum sit.

Dieſe Worte haben nur Sinn, wenn man ſie auf das
im Geſetz oder Edict ſtehende quanti res est bezieht, wel-
ches durch den Eid auf den einzelnen Fall angewendet
werden ſollte.

Über die praktiſche Deutung jener Worte nun ſind fol-
gende Stellen zu bemerken. Zuerſt muß unterſchieden wer-
den, ob der Beſtohlene, welcher die Klage anſtellt, Eigen-
thum oder ein bloßes jus in re an der geſtohlenen Sache
hat. Im letzten Fall iſt es unzweifelhaft, daß das Sim-
plum blos in des Klägers Intereſſe beſtehen kann, wel-
ches hier ſtets geringer ſeyn wird als der Sachwerth (a).
Im erſten Fall dagegen, wenn der beſtohlene Eigenthümer
klagt, kann gezweifelt werden, ob das Simplum in dem
reinen Sachwerth, oder in dem, vielleicht höheren, viel-
leicht geringeren Intereſſe beſteht. Auch hier nun iſt, der
richtigeren Meynung nach, das Intereſſe anzunehmen.

Ich will zuerſt einige Entſcheidungen einzelner Rechts-
fälle anführen, die ſtets unzweydeutiger ſind, als abſtracte
Regeln.

Wenn einem Glaubiger Schuldurkunden geſtohlen wer-
den, ſo glaubten Einige, das Simplum beſtehe blos in
dem unbedeutenden Sachwerth der mit Wachs überzoge-

(a) L. 80 § 1 de furtis (47. 2.)
von Papinian: „.. Quia itaque
tunc sola utilitas aestimationem
facit, cum cessante dominio
furti actio nascitur, in istis
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poris furti actio referri non
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[447/0461] Quanti res est. V. Cum furti agitur, jurare ita oportet, tanti rem fuisse, cum furtum factum sit. Dieſe Worte haben nur Sinn, wenn man ſie auf das im Geſetz oder Edict ſtehende quanti res est bezieht, wel- ches durch den Eid auf den einzelnen Fall angewendet werden ſollte. Über die praktiſche Deutung jener Worte nun ſind fol- gende Stellen zu bemerken. Zuerſt muß unterſchieden wer- den, ob der Beſtohlene, welcher die Klage anſtellt, Eigen- thum oder ein bloßes jus in re an der geſtohlenen Sache hat. Im letzten Fall iſt es unzweifelhaft, daß das Sim- plum blos in des Klägers Intereſſe beſtehen kann, wel- ches hier ſtets geringer ſeyn wird als der Sachwerth (a). Im erſten Fall dagegen, wenn der beſtohlene Eigenthümer klagt, kann gezweifelt werden, ob das Simplum in dem reinen Sachwerth, oder in dem, vielleicht höheren, viel- leicht geringeren Intereſſe beſteht. Auch hier nun iſt, der richtigeren Meynung nach, das Intereſſe anzunehmen. Ich will zuerſt einige Entſcheidungen einzelner Rechts- fälle anführen, die ſtets unzweydeutiger ſind, als abſtracte Regeln. Wenn einem Glaubiger Schuldurkunden geſtohlen wer- den, ſo glaubten Einige, das Simplum beſtehe blos in dem unbedeutenden Sachwerth der mit Wachs überzoge- (a) L. 80 § 1 de furtis (47. 2.) von Papinian: „.. Quia itaque tunc sola utilitas aestimationem facit, cum cessante dominio furti actio nascitur, in istis causis ad aestimationem cor- poris furti actio referri non potest.”

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/461>, abgerufen am 04.05.2024.