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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Die Condictionen. XXXIII.

Die zweifelhafteste Frage bey dieser Art der Klage ist
der Umfang der vom Judex auszusprechenden Condemna-
tion. Diese geht, nach der Formel, auf quanti res est,
Welches in mehreren Stellen als aestimatio bezeichnet
wird (b). Es fragt sich aber, ob diese aestimatio auf den
reinen Sachwerth zu beschränken, oder vielmehr auf das
vielleicht viel höhere Interesse des Klägers auszudehnen
ist. Man möchte das Erste annehmen wegen der buchstäb-
lichen Natur einer stricti juris actio, und weil sonst in
dieser Beziehung der Unterschied zwischen strengen und
freyen Klagen verschwinden würde. Dennoch halte ich
für wahrscheinlicher, daß das vollständige Interesse des
Klägers in die Verurtheilung aufgenommen wurde, und
zwar aus folgenden Gründen.

Der Ausdruck: quanti res est hatte allmälig durch
Interpretation immer mehr die Bedeutung des quanti in-
terest
angenommen, und namentlich ganz sicher in den
Condemnationsformeln sehr vieler Klagen (Beylage XII.).
Nun wäre es allerdings denkbar, daß bey den Condictio-
nen die beschränktere Schätzung des reinen Sachwerths
nöthig gefunden worden wäre; es ist aber höchst unwahr-
scheinlich, daß man in diesem Fall dennoch unvorsichtiger-
weise denselben Ausdruck, wie in jenen anderen Klagen,
gebraucht haben sollte, anstatt durch die Verschiedenheit

(b) L. 39 § 1 de leg. 1 (30. un.) (da wo sie die Stipulation
erwähnt), L. 98 § 8 de solut. (46. 3.), Gajus II. § 202.
Die Condictionen. XXXIII.

Die zweifelhafteſte Frage bey dieſer Art der Klage iſt
der Umfang der vom Judex auszuſprechenden Condemna-
tion. Dieſe geht, nach der Formel, auf quanti res est,
Welches in mehreren Stellen als aestimatio bezeichnet
wird (b). Es fragt ſich aber, ob dieſe aestimatio auf den
reinen Sachwerth zu beſchränken, oder vielmehr auf das
vielleicht viel höhere Intereſſe des Klägers auszudehnen
iſt. Man möchte das Erſte annehmen wegen der buchſtäb-
lichen Natur einer stricti juris actio, und weil ſonſt in
dieſer Beziehung der Unterſchied zwiſchen ſtrengen und
freyen Klagen verſchwinden würde. Dennoch halte ich
für wahrſcheinlicher, daß das vollſtändige Intereſſe des
Klägers in die Verurtheilung aufgenommen wurde, und
zwar aus folgenden Gründen.

Der Ausdruck: quanti res est hatte allmälig durch
Interpretation immer mehr die Bedeutung des quanti in-
terest
angenommen, und namentlich ganz ſicher in den
Condemnationsformeln ſehr vieler Klagen (Beylage XII.).
Nun wäre es allerdings denkbar, daß bey den Condictio-
nen die beſchränktere Schätzung des reinen Sachwerths
nöthig gefunden worden wäre; es iſt aber höchſt unwahr-
ſcheinlich, daß man in dieſem Fall dennoch unvorſichtiger-
weiſe denſelben Ausdruck, wie in jenen anderen Klagen,
gebraucht haben ſollte, anſtatt durch die Verſchiedenheit

(b) L. 39 § 1 de leg. 1 (30. un.) (da wo ſie die Stipulation
erwähnt), L. 98 § 8 de solut. (46. 3.), Gajus II. § 202.
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[613/0627] Die Condictionen. XXXIII. Die zweifelhafteſte Frage bey dieſer Art der Klage iſt der Umfang der vom Judex auszuſprechenden Condemna- tion. Dieſe geht, nach der Formel, auf quanti res est, Welches in mehreren Stellen als aestimatio bezeichnet wird (b). Es fragt ſich aber, ob dieſe aestimatio auf den reinen Sachwerth zu beſchränken, oder vielmehr auf das vielleicht viel höhere Intereſſe des Klägers auszudehnen iſt. Man möchte das Erſte annehmen wegen der buchſtäb- lichen Natur einer stricti juris actio, und weil ſonſt in dieſer Beziehung der Unterſchied zwiſchen ſtrengen und freyen Klagen verſchwinden würde. Dennoch halte ich für wahrſcheinlicher, daß das vollſtändige Intereſſe des Klägers in die Verurtheilung aufgenommen wurde, und zwar aus folgenden Gründen. Der Ausdruck: quanti res est hatte allmälig durch Interpretation immer mehr die Bedeutung des quanti in- terest angenommen, und namentlich ganz ſicher in den Condemnationsformeln ſehr vieler Klagen (Beylage XII.). Nun wäre es allerdings denkbar, daß bey den Condictio- nen die beſchränktere Schätzung des reinen Sachwerths nöthig gefunden worden wäre; es iſt aber höchſt unwahr- ſcheinlich, daß man in dieſem Fall dennoch unvorſichtiger- weiſe denſelben Ausdruck, wie in jenen anderen Klagen, gebraucht haben ſollte, anſtatt durch die Verſchiedenheit (b) L. 39 § 1 de leg. 1 (30. un.) (da wo ſie die Stipulation erwähnt), L. 98 § 8 de solut. (46. 3.), Gajus II. § 202.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/627>, abgerufen am 01.05.2024.