Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Condictionen. XLIV.
sonam sit actio, et ita, si certum petetur: ne dum
ignoret actor, qua ex parte adversarius defuncto
heres exstiterit, interdum plus petendo aliquid damni
sentiat.

Die Gefahr des plus petere aber war bey der zwey-
ten Klasse der Condictionen eben so groß, als bey der er-
sten (Num. XXXIII.). Daher scheint also diese Stelle die
Klage si certum petetur als gemeinschaftliche Bezeichnung
beider ersten Klassen zu erwähnen, ganz im Widerspruch
mit der oben vorgetragenen Lehre. -- Indessen ist doch
diese Folgerung weniger nothwendig als sie auf den ersten
Blick scheinen möchte. Es ist nämlich wohl denkbar, daß
in diesem Fall die Intentio mit völliger Sicherheit so ge-
faßt werden konnte: si paret, Negidium fundum Corne-
lianum, qua ex parte heres Seji est, dare oportere,
ganz
wie in ähnlichen Fällen schuldloser Ungewißheit auch die
Vindication auf eine unbestimmte Quote zugelassen wurde (a).
Bey einer Geldstipulation dagegen war diese Auskunft un-
möglich, wenn der Kläger den Vortheil der certi con-
dictio
genießen wollte, da hierzu gewiß der unbedingte
Ausdruck einer bestimmten Geldsumme erforderlich war.


(a) L. 76 § 1 de rei vind.
(6. 1.). "Incertae partis vindi-
catio datur, si justa causa in-
interveniat."
Eine justa causa
ist es gewiß, wenn der Kläger
über die Erbschaftsverhältnisse des
Beklagten zweifelhaft ist. -- L. 8
§ 1 comm. div. (10. 3.), Gajus
IV.
§ 54. -- Es wäre auch mög-
lich, daß man in solchen Fällen
dem Glaubiger eine incerti con-
dictio
(mit Quidquid .. opor-
tet
) gestattet hätte; auch diese
konnte ihm, bey einer Geldstipula-
tion, wenigstens nicht die sponsio
tertiae partis
verschaffen.
41*
Die Condictionen. XLIV.
sonam sit actio, et ita, si certum petetur: ne dum
ignoret actor, qua ex parte adversarius defuncto
heres exstiterit, interdum plus petendo aliquid damni
sentiat.

Die Gefahr des plus petere aber war bey der zwey-
ten Klaſſe der Condictionen eben ſo groß, als bey der er-
ſten (Num. XXXIII.). Daher ſcheint alſo dieſe Stelle die
Klage si certum petetur als gemeinſchaftliche Bezeichnung
beider erſten Klaſſen zu erwähnen, ganz im Widerſpruch
mit der oben vorgetragenen Lehre. — Indeſſen iſt doch
dieſe Folgerung weniger nothwendig als ſie auf den erſten
Blick ſcheinen möchte. Es iſt nämlich wohl denkbar, daß
in dieſem Fall die Intentio mit völliger Sicherheit ſo ge-
faßt werden konnte: si paret, Negidium fundum Corne-
lianum, qua ex parte heres Seji est, dare oportere,
ganz
wie in ähnlichen Fällen ſchuldloſer Ungewißheit auch die
Vindication auf eine unbeſtimmte Quote zugelaſſen wurde (a).
Bey einer Geldſtipulation dagegen war dieſe Auskunft un-
möglich, wenn der Kläger den Vortheil der certi con-
dictio
genießen wollte, da hierzu gewiß der unbedingte
Ausdruck einer beſtimmten Geldſumme erforderlich war.


(a) L. 76 § 1 de rei vind.
(6. 1.). „Incertae partis vindi-
catio datur, si justa causa in-
interveniat.”
Eine justa causa
iſt es gewiß, wenn der Kläger
über die Erbſchaftsverhältniſſe des
Beklagten zweifelhaft iſt. — L. 8
§ 1 comm. div. (10. 3.), Gajus
IV.
§ 54. — Es wäre auch mög-
lich, daß man in ſolchen Fällen
dem Glaubiger eine incerti con-
dictio
(mit Quidquid .. opor-
tet
) geſtattet hätte; auch dieſe
konnte ihm, bey einer Geldſtipula-
tion, wenigſtens nicht die sponsio
tertiae partis
verſchaffen.
41*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item>
                <pb facs="#f0649" n="635"/>
                <fw place="top" type="header">Die Condictionen. <hi rendition="#aq">XLIV.</hi></fw><lb/> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">sonam sit actio, et ita, si certum petetur: ne dum<lb/>
ignoret actor, qua ex parte adversarius defuncto<lb/>
heres exstiterit, interdum plus petendo aliquid damni<lb/>
sentiat.</hi> </hi> </item>
            </list><lb/>
            <p>Die Gefahr des <hi rendition="#aq">plus petere</hi> aber war bey der zwey-<lb/>
ten Kla&#x017F;&#x017F;e der Condictionen eben &#x017F;o groß, als bey der er-<lb/>
&#x017F;ten (Num. <hi rendition="#aq">XXXIII.</hi>). Daher &#x017F;cheint al&#x017F;o die&#x017F;e Stelle die<lb/>
Klage <hi rendition="#aq">si certum petetur</hi> als gemein&#x017F;chaftliche Bezeichnung<lb/>
beider er&#x017F;ten Kla&#x017F;&#x017F;en zu erwähnen, ganz im Wider&#x017F;pruch<lb/>
mit der oben vorgetragenen Lehre. &#x2014; Inde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t doch<lb/>
die&#x017F;e Folgerung weniger nothwendig als &#x017F;ie auf den er&#x017F;ten<lb/>
Blick &#x017F;cheinen möchte. Es i&#x017F;t nämlich wohl denkbar, daß<lb/>
in die&#x017F;em Fall die <hi rendition="#aq">Intentio</hi> mit völliger Sicherheit &#x017F;o ge-<lb/>
faßt werden konnte: <hi rendition="#aq">si paret, Negidium fundum Corne-<lb/>
lianum, qua ex parte heres Seji est, dare oportere,</hi> ganz<lb/>
wie in ähnlichen Fällen &#x017F;chuldlo&#x017F;er Ungewißheit auch die<lb/>
Vindication auf eine unbe&#x017F;timmte Quote zugela&#x017F;&#x017F;en wurde <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 76 § 1 <hi rendition="#i">de rei vind.</hi><lb/>
(6. 1.). &#x201E;Incertae partis vindi-<lb/>
catio datur, si <hi rendition="#i">justa causa</hi> in-<lb/>
interveniat.&#x201D;</hi> Eine <hi rendition="#aq">justa causa</hi><lb/>
i&#x017F;t es gewiß, wenn der Kläger<lb/>
über die Erb&#x017F;chaftsverhältni&#x017F;&#x017F;e des<lb/>
Beklagten zweifelhaft i&#x017F;t. &#x2014; <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 8<lb/>
§ 1 <hi rendition="#i">comm. div.</hi> (10. 3.), <hi rendition="#k">Gajus</hi><lb/>
IV.</hi> § 54. &#x2014; Es wäre auch mög-<lb/>
lich, daß man in &#x017F;olchen Fällen<lb/>
dem Glaubiger eine <hi rendition="#aq">incerti con-<lb/>
dictio</hi> (mit <hi rendition="#aq">Quidquid .. opor-<lb/>
tet</hi>) ge&#x017F;tattet hätte; auch die&#x017F;e<lb/>
konnte ihm, bey einer Geld&#x017F;tipula-<lb/>
tion, wenig&#x017F;tens nicht die <hi rendition="#aq">sponsio<lb/>
tertiae partis</hi> ver&#x017F;chaffen.</note>.<lb/>
Bey einer Geld&#x017F;tipulation dagegen war die&#x017F;e Auskunft un-<lb/>
möglich, wenn der Kläger den Vortheil der <hi rendition="#aq">certi con-<lb/>
dictio</hi> genießen wollte, da hierzu gewiß der unbedingte<lb/>
Ausdruck einer be&#x017F;timmten Geld&#x017F;umme erforderlich war.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">41*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[635/0649] Die Condictionen. XLIV. sonam sit actio, et ita, si certum petetur: ne dum ignoret actor, qua ex parte adversarius defuncto heres exstiterit, interdum plus petendo aliquid damni sentiat. Die Gefahr des plus petere aber war bey der zwey- ten Klaſſe der Condictionen eben ſo groß, als bey der er- ſten (Num. XXXIII.). Daher ſcheint alſo dieſe Stelle die Klage si certum petetur als gemeinſchaftliche Bezeichnung beider erſten Klaſſen zu erwähnen, ganz im Widerſpruch mit der oben vorgetragenen Lehre. — Indeſſen iſt doch dieſe Folgerung weniger nothwendig als ſie auf den erſten Blick ſcheinen möchte. Es iſt nämlich wohl denkbar, daß in dieſem Fall die Intentio mit völliger Sicherheit ſo ge- faßt werden konnte: si paret, Negidium fundum Corne- lianum, qua ex parte heres Seji est, dare oportere, ganz wie in ähnlichen Fällen ſchuldloſer Ungewißheit auch die Vindication auf eine unbeſtimmte Quote zugelaſſen wurde (a). Bey einer Geldſtipulation dagegen war dieſe Auskunft un- möglich, wenn der Kläger den Vortheil der certi con- dictio genießen wollte, da hierzu gewiß der unbedingte Ausdruck einer beſtimmten Geldſumme erforderlich war. (a) L. 76 § 1 de rei vind. (6. 1.). „Incertae partis vindi- catio datur, si justa causa in- interveniat.” Eine justa causa iſt es gewiß, wenn der Kläger über die Erbſchaftsverhältniſſe des Beklagten zweifelhaft iſt. — L. 8 § 1 comm. div. (10. 3.), Gajus IV. § 54. — Es wäre auch mög- lich, daß man in ſolchen Fällen dem Glaubiger eine incerti con- dictio (mit Quidquid .. opor- tet) geſtattet hätte; auch dieſe konnte ihm, bey einer Geldſtipula- tion, wenigſtens nicht die sponsio tertiae partis verſchaffen. 41*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/649
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/649>, abgerufen am 29.04.2024.