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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
wie durch den unbenutzten Ablauf der für eine
Berufung vorgeschriebenen Frist.

Diese Zusammenstellung soll übrigens hier nur zu einer
ungefähren Übersicht dienen; die genauere Untersuchung und
Feststellung gehört lediglich in die Prozeßlehre.

Eine genauere Erwägung bedarf aber noch der Rö-
mische Sprachgebrauch. Wir sind gewohnt, das rechts-
kräftige Urtheil res judicata zu nennen, also zwischen sen-
tentia
und res judicata gerade so zu unterscheiden, wie
zwischen Urtheil überhaupt und rechtskräftigem Urtheil.
Res judicata aber heißt eigentlich nur ein abgeurtheilter
Rechtsstreit, also ein Urtheil überhaupt. Zur Zeit der
freien Republik nun, in welcher noch keine Instanzen be-
standen, war jedes Urtheil sogleich rechtskräftig, und es
war unbedenklich, sich damals mit dem Ausdruck: exceptio
rei judicatae
zu begnügen, und darunter die Einrede aus
einem rechtskräftigen Urtheil zu verstehen.

Als aber Instanzen eingeführt wurden, unterließ man
es, den Sprachgebrauch näher zu bestimmen. Res judicata
hieß nach wie vor jedes Urtheil (b), selbst dann, wenn
gegen dasselbe eine Berufung möglich, oder sogar wirklich
eingewendet ist (c). Nunmehr war der Ausdruck exceptio
rei judicatae
nicht ganz vorsichtig, indem derselbe dem

(b) L. 1 de rejud. (42. 1). (Mo-
destinus
): "Res judicata dici-
tur, quae finem controversiarum
pronuntiatione judicis accipit."
(c) L. 7 pr. de transact.
(2. 15). "Et post rem judi-
catam transactio valet, si vel
appellatio intercesserit, vel
appellare potueris."
Eben so
L. 11 eod.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
wie durch den unbenutzten Ablauf der für eine
Berufung vorgeſchriebenen Friſt.

Dieſe Zuſammenſtellung ſoll übrigens hier nur zu einer
ungefähren Überſicht dienen; die genauere Unterſuchung und
Feſtſtellung gehört lediglich in die Prozeßlehre.

Eine genauere Erwägung bedarf aber noch der Rö-
miſche Sprachgebrauch. Wir ſind gewohnt, das rechts-
kräftige Urtheil res judicata zu nennen, alſo zwiſchen sen-
tentia
und res judicata gerade ſo zu unterſcheiden, wie
zwiſchen Urtheil überhaupt und rechtskräftigem Urtheil.
Res judicata aber heißt eigentlich nur ein abgeurtheilter
Rechtsſtreit, alſo ein Urtheil überhaupt. Zur Zeit der
freien Republik nun, in welcher noch keine Inſtanzen be-
ſtanden, war jedes Urtheil ſogleich rechtskräftig, und es
war unbedenklich, ſich damals mit dem Ausdruck: exceptio
rei judicatae
zu begnügen, und darunter die Einrede aus
einem rechtskräftigen Urtheil zu verſtehen.

Als aber Inſtanzen eingeführt wurden, unterließ man
es, den Sprachgebrauch näher zu beſtimmen. Res judicata
hieß nach wie vor jedes Urtheil (b), ſelbſt dann, wenn
gegen daſſelbe eine Berufung möglich, oder ſogar wirklich
eingewendet iſt (c). Nunmehr war der Ausdruck exceptio
rei judicatae
nicht ganz vorſichtig, indem derſelbe dem

(b) L. 1 de rejud. (42. 1). (Mo-
destinus
): „Res judicata dici-
tur, quae finem controversiarum
pronuntiatione judicis accipit.“
(c) L. 7 pr. de transact.
(2. 15). „Et post rem judi-
catam transactio valet, si vel
appellatio intercesserit, vel
appellare potueris.“
Eben ſo
L. 11 eod.
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[298/0316] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. wie durch den unbenutzten Ablauf der für eine Berufung vorgeſchriebenen Friſt. Dieſe Zuſammenſtellung ſoll übrigens hier nur zu einer ungefähren Überſicht dienen; die genauere Unterſuchung und Feſtſtellung gehört lediglich in die Prozeßlehre. Eine genauere Erwägung bedarf aber noch der Rö- miſche Sprachgebrauch. Wir ſind gewohnt, das rechts- kräftige Urtheil res judicata zu nennen, alſo zwiſchen sen- tentia und res judicata gerade ſo zu unterſcheiden, wie zwiſchen Urtheil überhaupt und rechtskräftigem Urtheil. Res judicata aber heißt eigentlich nur ein abgeurtheilter Rechtsſtreit, alſo ein Urtheil überhaupt. Zur Zeit der freien Republik nun, in welcher noch keine Inſtanzen be- ſtanden, war jedes Urtheil ſogleich rechtskräftig, und es war unbedenklich, ſich damals mit dem Ausdruck: exceptio rei judicatae zu begnügen, und darunter die Einrede aus einem rechtskräftigen Urtheil zu verſtehen. Als aber Inſtanzen eingeführt wurden, unterließ man es, den Sprachgebrauch näher zu beſtimmen. Res judicata hieß nach wie vor jedes Urtheil (b), ſelbſt dann, wenn gegen daſſelbe eine Berufung möglich, oder ſogar wirklich eingewendet iſt (c). Nunmehr war der Ausdruck exceptio rei judicatae nicht ganz vorſichtig, indem derſelbe dem (b) L. 1 de rejud. (42. 1). (Mo- destinus): „Res judicata dici- tur, quae finem controversiarum pronuntiatione judicis accipit.“ (c) L. 7 pr. de transact. (2. 15). „Et post rem judi- catam transactio valet, si vel appellatio intercesserit, vel appellare potueris.“ Eben ſo L. 11 eod.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/316>, abgerufen am 29.04.2024.