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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
Kläger daraus entstehen konnten, daß er die Beendigung
des Rechtsstreits abwarten mußte. In der späteren Vindi-
cation per sponsionem trat an die Stelle jener alten
praedes eine Stipulation pro praede litis et vindiciarum,
das heißt als ein mit derselben Wirkung versehenes Sur-
rogat. Und diese wieder gieng bei der petitoria formula,
mit Veränderung der Form und des Namens, in eine
Stipulation judicatum solvi über (f).

Ich muß es daher als unhistorisch verwerfen, wenn
neuerlich behauptet worden ist, jener Grundsatz der Re-
duction auf die Zeit der L. C. sey die neue Erfindung
eines positiven Gesetzes, des unter Hadrian über die
Erbschaftsklage erlassenen Senatsschlusses (g). Der Grund-
satz selbst war uralt, aber freilich nirgend abstract aus-
gesprochen, sondern nur in einzelnen Anwendungen aner-
kannt. Unter den Händen der juristischen Schriftsteller
wurde er allmälig ausgebildet und entwickelt. Auch der

(f) Gajus IV. § 91. 94. 89
Vergl. oben § 258. g. -- Man
könnte glauben, bei der petitoria
formula
fehle ein Versprechen we-
gen der Früchte während des Rechts-
streits. Allein dieses liegt in den
Worten des § 89: "ut si victus
sis, nec rem ipsam restituas"
rel.
Denn in dem restituere,
durch dessen Unterlassen die Sti-
pulation des Beklagten und der
Bürgen verletzt und zur Klage
fällig gemacht (commissa stipu-
latio
) wurde, lag auch der Er-
satz der omnis causa. Vgl.
die in Note a angeführten Stellen.
(g) Heimbach, Lehre von der
Frucht S. 155 fg. -- Fände sich
jener Grundsatz nur bei der Erb-
schaftsklage und der damit nahe
verwandten Eigenthumsklage er-
wähnt, so hätte die Behauptung
noch einigen Schein; allein er
kommt eben so auch bei den Con-
dictionen vor, und es wird wohl
Niemand annehmen wollen, daß
diese unter dem Einfluß des Sc.
Iuventianum
gestanden hätten.
Vgl. L. 31 de reb. cred. (12. 1).

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Kläger daraus entſtehen konnten, daß er die Beendigung
des Rechtsſtreits abwarten mußte. In der ſpäteren Vindi-
cation per sponsionem trat an die Stelle jener alten
praedes eine Stipulation pro praede litis et vindiciarum,
das heißt als ein mit derſelben Wirkung verſehenes Sur-
rogat. Und dieſe wieder gieng bei der petitoria formula,
mit Veränderung der Form und des Namens, in eine
Stipulation judicatum solvi über (f).

Ich muß es daher als unhiſtoriſch verwerfen, wenn
neuerlich behauptet worden iſt, jener Grundſatz der Re-
duction auf die Zeit der L. C. ſey die neue Erfindung
eines poſitiven Geſetzes, des unter Hadrian über die
Erbſchaftsklage erlaſſenen Senatsſchluſſes (g). Der Grund-
ſatz ſelbſt war uralt, aber freilich nirgend abſtract aus-
geſprochen, ſondern nur in einzelnen Anwendungen aner-
kannt. Unter den Händen der juriſtiſchen Schriftſteller
wurde er allmälig ausgebildet und entwickelt. Auch der

(f) Gajus IV. § 91. 94. 89
Vergl. oben § 258. g. — Man
könnte glauben, bei der petitoria
formula
fehle ein Verſprechen we-
gen der Früchte während des Rechts-
ſtreits. Allein dieſes liegt in den
Worten des § 89: „ut si victus
sis, nec rem ipsam restituas“
rel.
Denn in dem restituere,
durch deſſen Unterlaſſen die Sti-
pulation des Beklagten und der
Bürgen verletzt und zur Klage
fällig gemacht (commissa stipu-
latio
) wurde, lag auch der Er-
ſatz der omnis causa. Vgl.
die in Note a angeführten Stellen.
(g) Heimbach, Lehre von der
Frucht S. 155 fg. — Fände ſich
jener Grundſatz nur bei der Erb-
ſchaftsklage und der damit nahe
verwandten Eigenthumsklage er-
wähnt, ſo hätte die Behauptung
noch einigen Schein; allein er
kommt eben ſo auch bei den Con-
dictionen vor, und es wird wohl
Niemand annehmen wollen, daß
dieſe unter dem Einfluß des Sc.
Iuventianum
geſtanden hätten.
Vgl. L. 31 de reb. cred. (12. 1).
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[52/0070] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Kläger daraus entſtehen konnten, daß er die Beendigung des Rechtsſtreits abwarten mußte. In der ſpäteren Vindi- cation per sponsionem trat an die Stelle jener alten praedes eine Stipulation pro praede litis et vindiciarum, das heißt als ein mit derſelben Wirkung verſehenes Sur- rogat. Und dieſe wieder gieng bei der petitoria formula, mit Veränderung der Form und des Namens, in eine Stipulation judicatum solvi über (f). Ich muß es daher als unhiſtoriſch verwerfen, wenn neuerlich behauptet worden iſt, jener Grundſatz der Re- duction auf die Zeit der L. C. ſey die neue Erfindung eines poſitiven Geſetzes, des unter Hadrian über die Erbſchaftsklage erlaſſenen Senatsſchluſſes (g). Der Grund- ſatz ſelbſt war uralt, aber freilich nirgend abſtract aus- geſprochen, ſondern nur in einzelnen Anwendungen aner- kannt. Unter den Händen der juriſtiſchen Schriftſteller wurde er allmälig ausgebildet und entwickelt. Auch der (f) Gajus IV. § 91. 94. 89 Vergl. oben § 258. g. — Man könnte glauben, bei der petitoria formula fehle ein Verſprechen we- gen der Früchte während des Rechts- ſtreits. Allein dieſes liegt in den Worten des § 89: „ut si victus sis, nec rem ipsam restituas“ rel. Denn in dem restituere, durch deſſen Unterlaſſen die Sti- pulation des Beklagten und der Bürgen verletzt und zur Klage fällig gemacht (commissa stipu- latio) wurde, lag auch der Er- ſatz der omnis causa. Vgl. die in Note a angeführten Stellen. (g) Heimbach, Lehre von der Frucht S. 155 fg. — Fände ſich jener Grundſatz nur bei der Erb- ſchaftsklage und der damit nahe verwandten Eigenthumsklage er- wähnt, ſo hätte die Behauptung noch einigen Schein; allein er kommt eben ſo auch bei den Con- dictionen vor, und es wird wohl Niemand annehmen wollen, daß dieſe unter dem Einfluß des Sc. Iuventianum geſtanden hätten. Vgl. L. 31 de reb. cred. (12. 1).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/70>, abgerufen am 30.04.2024.