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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

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Vorrede.
geschehen, auch von solchen, die nicht mehr unter
uns sind.

Die unbefangene Betrachtung des hier vorlie-
genden Gegensatzes kann nicht mehr verdunkelt
werden, als durch eine ungehörige Einmischung der
vaterländischen Gesinnung in die Prüfung der ent-
gegenstehenden Meinungen, indem man denselben bald
Gunst, bald Ungunst zuzuwenden versucht, je nachdem
die eine oder die andere Meinung als Kennzeichen
des Besitzes oder des Mangels einer solchen Ge-
sinnung dargestellt wird. Dieses Verfahren also
muß vor Allem vermeiden, Wer in der Erforschung
der Wahrheit durch keinen falschen Schein sich stören
zu lassen entschlossen ist. Ich will gerne in meiner
Wissenschaft die tiefere Einsicht und die vielseitigere
Auffassung Anderer anerkennen, durch welche ich
selbst ja nur gehoben und bereichert werden kann.
Ich bin ferner bereit, es als möglich anzuerkennen,
daß die großen Schicksale unserer Tage auch in den
Wissenschaften neue Entwickelungen hervorrufen
werden, denen vielleicht die abnehmenden Kräfte
eines höheren Alters nicht mehr gewachsen seyn
dürften. Mögen sich denn Forscher von frischen
Kräften zur Lösung dieser Aufgabe hervorthun, und

Vorrede.
geſchehen, auch von ſolchen, die nicht mehr unter
uns ſind.

Die unbefangene Betrachtung des hier vorlie-
genden Gegenſatzes kann nicht mehr verdunkelt
werden, als durch eine ungehörige Einmiſchung der
vaterländiſchen Geſinnung in die Prüfung der ent-
gegenſtehenden Meinungen, indem man denſelben bald
Gunſt, bald Ungunſt zuzuwenden verſucht, je nachdem
die eine oder die andere Meinung als Kennzeichen
des Beſitzes oder des Mangels einer ſolchen Ge-
ſinnung dargeſtellt wird. Dieſes Verfahren alſo
muß vor Allem vermeiden, Wer in der Erforſchung
der Wahrheit durch keinen falſchen Schein ſich ſtören
zu laſſen entſchloſſen iſt. Ich will gerne in meiner
Wiſſenſchaft die tiefere Einſicht und die vielſeitigere
Auffaſſung Anderer anerkennen, durch welche ich
ſelbſt ja nur gehoben und bereichert werden kann.
Ich bin ferner bereit, es als möglich anzuerkennen,
daß die großen Schickſale unſerer Tage auch in den
Wiſſenſchaften neue Entwickelungen hervorrufen
werden, denen vielleicht die abnehmenden Kräfte
eines höheren Alters nicht mehr gewachſen ſeyn
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[V/0011] Vorrede. geſchehen, auch von ſolchen, die nicht mehr unter uns ſind. Die unbefangene Betrachtung des hier vorlie- genden Gegenſatzes kann nicht mehr verdunkelt werden, als durch eine ungehörige Einmiſchung der vaterländiſchen Geſinnung in die Prüfung der ent- gegenſtehenden Meinungen, indem man denſelben bald Gunſt, bald Ungunſt zuzuwenden verſucht, je nachdem die eine oder die andere Meinung als Kennzeichen des Beſitzes oder des Mangels einer ſolchen Ge- ſinnung dargeſtellt wird. Dieſes Verfahren alſo muß vor Allem vermeiden, Wer in der Erforſchung der Wahrheit durch keinen falſchen Schein ſich ſtören zu laſſen entſchloſſen iſt. Ich will gerne in meiner Wiſſenſchaft die tiefere Einſicht und die vielſeitigere Auffaſſung Anderer anerkennen, durch welche ich ſelbſt ja nur gehoben und bereichert werden kann. Ich bin ferner bereit, es als möglich anzuerkennen, daß die großen Schickſale unſerer Tage auch in den Wiſſenſchaften neue Entwickelungen hervorrufen werden, denen vielleicht die abnehmenden Kräfte eines höheren Alters nicht mehr gewachſen ſeyn dürften. Mögen ſich denn Forſcher von friſchen Kräften zur Löſung dieſer Aufgabe hervorthun, und

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/11>, abgerufen am 30.04.2024.