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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

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§. 316. Begriff der Restitution.
Der Unterschied aber liegt darin, daß das aus dem Urtheil
hervorgehende neue Recht nicht nur auf der Fiction der
Wahrheit beruht, sondern auch auf der Voraussetzung, daß
diese Wahrheit wirklich vorhanden sey, also auf der an-
genommenen Uebereinstimmung mit dem vorher bestehenden
Rechtszustand, so daß eine Verschiedenheit beider Zustände
nicht absichtlich gesucht wird, sondern nur zufällig und nur
als unvermeidliches Uebel entstehen kann (§ 280). Dagegen
wird durch die Restitution eine Abänderung des bestehenden
Rechtszustandes mit Absicht und Bewußtsein vorgenommen.
Insofern kann man die Restitution ein Urtheil von höherer
Potenz nennen (a).

Eine zweite Verwandtschaft findet sich zwischen der Re-
stitution und einigen anderen Fällen richterlicher Thätigkeit,
wodurch gleichfalls mit Absicht und Bewußtsein ein vor-
handenes Recht abgeändert wird. Dahin gehört die re-
scissio inofficiosi testamenti
durch das Centumviralgericht
(später durch andere Richter), und die adjudicatio, in welcher
der Theilungsrichter die verlangte Auflösung einer Gemein-
schaft durch absichtliches Geben und Nehmen von Eigen-
thum, sowie durch Errichtung von Servituten (also durch
absichtliche Beschränkung eines vorhandenen Eigenthums)
bewirken kann. Beide Institute beziehen sich auf das
eigenthümliche Bedürfniß einzelner Rechtsverhältnisse, und

(a) S. o. B. 6 S. 265. --
Es findet sich also in beiden
Rechtsinstituten der Begriff der
Fiction angewendet, aber in ver-
schiedener Bedeutung (§ 280. 316).
VII. 7

§. 316. Begriff der Reſtitution.
Der Unterſchied aber liegt darin, daß das aus dem Urtheil
hervorgehende neue Recht nicht nur auf der Fiction der
Wahrheit beruht, ſondern auch auf der Vorausſetzung, daß
dieſe Wahrheit wirklich vorhanden ſey, alſo auf der an-
genommenen Uebereinſtimmung mit dem vorher beſtehenden
Rechtszuſtand, ſo daß eine Verſchiedenheit beider Zuſtände
nicht abſichtlich geſucht wird, ſondern nur zufällig und nur
als unvermeidliches Uebel entſtehen kann (§ 280). Dagegen
wird durch die Reſtitution eine Abänderung des beſtehenden
Rechtszuſtandes mit Abſicht und Bewußtſein vorgenommen.
Inſofern kann man die Reſtitution ein Urtheil von höherer
Potenz nennen (a).

Eine zweite Verwandtſchaft findet ſich zwiſchen der Re-
ſtitution und einigen anderen Fällen richterlicher Thätigkeit,
wodurch gleichfalls mit Abſicht und Bewußtſein ein vor-
handenes Recht abgeändert wird. Dahin gehört die re-
scissio inofficiosi testamenti
durch das Centumviralgericht
(ſpäter durch andere Richter), und die adjudicatio, in welcher
der Theilungsrichter die verlangte Auflöſung einer Gemein-
ſchaft durch abſichtliches Geben und Nehmen von Eigen-
thum, ſowie durch Errichtung von Servituten (alſo durch
abſichtliche Beſchränkung eines vorhandenen Eigenthums)
bewirken kann. Beide Inſtitute beziehen ſich auf das
eigenthümliche Bedürfniß einzelner Rechtsverhältniſſe, und

(a) S. o. B. 6 S. 265. —
Es findet ſich alſo in beiden
Rechtsinſtituten der Begriff der
Fiction angewendet, aber in ver-
ſchiedener Bedeutung (§ 280. 316).
VII. 7
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[97/0119] §. 316. Begriff der Reſtitution. Der Unterſchied aber liegt darin, daß das aus dem Urtheil hervorgehende neue Recht nicht nur auf der Fiction der Wahrheit beruht, ſondern auch auf der Vorausſetzung, daß dieſe Wahrheit wirklich vorhanden ſey, alſo auf der an- genommenen Uebereinſtimmung mit dem vorher beſtehenden Rechtszuſtand, ſo daß eine Verſchiedenheit beider Zuſtände nicht abſichtlich geſucht wird, ſondern nur zufällig und nur als unvermeidliches Uebel entſtehen kann (§ 280). Dagegen wird durch die Reſtitution eine Abänderung des beſtehenden Rechtszuſtandes mit Abſicht und Bewußtſein vorgenommen. Inſofern kann man die Reſtitution ein Urtheil von höherer Potenz nennen (a). Eine zweite Verwandtſchaft findet ſich zwiſchen der Re- ſtitution und einigen anderen Fällen richterlicher Thätigkeit, wodurch gleichfalls mit Abſicht und Bewußtſein ein vor- handenes Recht abgeändert wird. Dahin gehört die re- scissio inofficiosi testamenti durch das Centumviralgericht (ſpäter durch andere Richter), und die adjudicatio, in welcher der Theilungsrichter die verlangte Auflöſung einer Gemein- ſchaft durch abſichtliches Geben und Nehmen von Eigen- thum, ſowie durch Errichtung von Servituten (alſo durch abſichtliche Beſchränkung eines vorhandenen Eigenthums) bewirken kann. Beide Inſtitute beziehen ſich auf das eigenthümliche Bedürfniß einzelner Rechtsverhältniſſe, und (a) S. o. B. 6 S. 265. — Es findet ſich alſo in beiden Rechtsinſtituten der Begriff der Fiction angewendet, aber in ver- ſchiedener Bedeutung (§ 280. 316). VII. 7

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/119>, abgerufen am 09.05.2024.