Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Recht anderer souveräner (jedoch mit den Römern verbün-
deter) Staaten (§ 348) (a).

Im Jahre der Stadt 561 (L. Cornelio Merula, Q. Mi-
nucio Thermo Coss.
) fand sich in Rom eine große Noth
der durch Wucher bedrückten Schuldner. Zwar bestanden
schützende Wuchergesetze, allein diese wurden dadurch um-
gangen, daß die Wucherer ihre Forderungen zum Schein
auf den Namen von Einwohnern benachbarter Staaten
(Socii und Latini) schreiben ließen. Denn da diese durch
das positive Wuchergesetz nicht gebunden waren, so hatten
gegen sie die Schuldner keinen Schutz (b). Zur Entkräftung
dieses unredlichen Verfahrens wurde ein besonderes Gesetz
erlassen mit der Vorschrift, daß die Römischen Gesetze über
das Gelddarlehen (die Wuchergesetze) auch für die Socii
und Latini als Glaubiger Römischer Bürger bindend seyn
sollten (c).

2. Eine ähnliche Natur hat die in einem Senatsschluß
aus der Zeit des Hadrian anerkannte Rechtsregel, daß
das Kind aus einer secundum leges moresque peregrinorum
geschlossenen Ehe selbst dann als Peregrine geboren werden
(also seinem Vater angehören) solle, wenn zur Zeit der

(a) Livius XXXV. 7.
(b) Welches Wuchergesetz, nach
dem angegebenen Jahre, hier ge-
meint ist, läßt sich bei der sehr
unsicheren Geschichte dieser Gesetze
nicht bestimmen. Es kann seyn
das über unciarium foenus, aber
auch das über semunciarium. Für
unsern gegenwärtigen Zweck ist
diese Frage gleichgültig.
(c) Livius l. c. "plebesque
scivit, ut cum sociis ac nomine
Latino pecuniae creditae jus
idem, quod cum civibus Ro-
manis esset".

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Recht anderer ſouveräner (jedoch mit den Römern verbün-
deter) Staaten (§ 348) (a).

Im Jahre der Stadt 561 (L. Cornelio Merula, Q. Mi-
nucio Thermo Coss.
) fand ſich in Rom eine große Noth
der durch Wucher bedrückten Schuldner. Zwar beſtanden
ſchützende Wuchergeſetze, allein dieſe wurden dadurch um-
gangen, daß die Wucherer ihre Forderungen zum Schein
auf den Namen von Einwohnern benachbarter Staaten
(Socii und Latini) ſchreiben ließen. Denn da dieſe durch
das poſitive Wuchergeſetz nicht gebunden waren, ſo hatten
gegen ſie die Schuldner keinen Schutz (b). Zur Entkräftung
dieſes unredlichen Verfahrens wurde ein beſonderes Geſetz
erlaſſen mit der Vorſchrift, daß die Römiſchen Geſetze über
das Gelddarlehen (die Wuchergeſetze) auch für die Socii
und Latini als Glaubiger Römiſcher Bürger bindend ſeyn
ſollten (c).

2. Eine ähnliche Natur hat die in einem Senatsſchluß
aus der Zeit des Hadrian anerkannte Rechtsregel, daß
das Kind aus einer secundum leges moresque peregrinorum
geſchloſſenen Ehe ſelbſt dann als Peregrine geboren werden
(alſo ſeinem Vater angehören) ſolle, wenn zur Zeit der

(a) Livius XXXV. 7.
(b) Welches Wuchergeſetz, nach
dem angegebenen Jahre, hier ge-
meint iſt, läßt ſich bei der ſehr
unſicheren Geſchichte dieſer Geſetze
nicht beſtimmen. Es kann ſeyn
das über unciarium foenus, aber
auch das über semunciarium. Für
unſern gegenwärtigen Zweck iſt
dieſe Frage gleichgültig.
(c) Livius l. c. „plebesque
scivit, ut cum sociis ac nomine
Latino pecuniae creditae jus
idem, quod cum civibus Ro-
manis esset“.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0100" n="78"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herr&#x017F;chaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/>
Recht anderer &#x017F;ouveräner (jedoch mit den Römern verbün-<lb/>
deter) Staaten (§ 348) <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Livius</hi> XXXV.</hi> 7.</note>.</p><lb/>
            <p>Im Jahre der Stadt 561 (<hi rendition="#aq">L. Cornelio Merula, Q. Mi-<lb/>
nucio Thermo Coss.</hi>) fand &#x017F;ich in Rom eine große Noth<lb/>
der durch Wucher bedrückten Schuldner. Zwar be&#x017F;tanden<lb/>
&#x017F;chützende Wucherge&#x017F;etze, allein die&#x017F;e wurden dadurch um-<lb/>
gangen, daß die Wucherer ihre Forderungen zum Schein<lb/>
auf den Namen von Einwohnern benachbarter Staaten<lb/>
(<hi rendition="#aq">Socii</hi> und <hi rendition="#aq">Latini</hi>) &#x017F;chreiben ließen. Denn da die&#x017F;e durch<lb/>
das po&#x017F;itive Wucherge&#x017F;etz nicht gebunden waren, &#x017F;o hatten<lb/>
gegen &#x017F;ie die Schuldner keinen Schutz <note place="foot" n="(b)">Welches Wucherge&#x017F;etz, nach<lb/>
dem angegebenen Jahre, hier ge-<lb/>
meint i&#x017F;t, läßt &#x017F;ich bei der &#x017F;ehr<lb/>
un&#x017F;icheren Ge&#x017F;chichte die&#x017F;er Ge&#x017F;etze<lb/>
nicht be&#x017F;timmen. Es kann &#x017F;eyn<lb/>
das über <hi rendition="#aq">unciarium foenus,</hi> aber<lb/>
auch das über <hi rendition="#aq">semunciarium.</hi> Für<lb/>
un&#x017F;ern gegenwärtigen Zweck i&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;e Frage gleichgültig.</note>. Zur Entkräftung<lb/>
die&#x017F;es unredlichen Verfahrens wurde ein be&#x017F;onderes Ge&#x017F;etz<lb/>
erla&#x017F;&#x017F;en mit der Vor&#x017F;chrift, daß die Römi&#x017F;chen Ge&#x017F;etze über<lb/>
das Gelddarlehen (die Wucherge&#x017F;etze) auch für die <hi rendition="#aq">Socii</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">Latini</hi> als Glaubiger Römi&#x017F;cher Bürger bindend &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;ollten <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Livius</hi> l. c. &#x201E;plebesque<lb/>
scivit, ut cum sociis ac nomine<lb/>
Latino pecuniae creditae jus<lb/>
idem, quod cum civibus Ro-<lb/>
manis esset&#x201C;.</hi></note>.</p><lb/>
            <p>2. Eine ähnliche Natur hat die in einem Senats&#x017F;chluß<lb/>
aus der Zeit des <hi rendition="#g">Hadrian</hi> anerkannte Rechtsregel, daß<lb/>
das Kind aus einer <hi rendition="#aq">secundum leges moresque peregrinorum</hi><lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Ehe &#x017F;elb&#x017F;t dann als Peregrine geboren werden<lb/>
(al&#x017F;o &#x017F;einem Vater angehören) &#x017F;olle, wenn zur Zeit der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0100] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Recht anderer ſouveräner (jedoch mit den Römern verbün- deter) Staaten (§ 348) (a). Im Jahre der Stadt 561 (L. Cornelio Merula, Q. Mi- nucio Thermo Coss.) fand ſich in Rom eine große Noth der durch Wucher bedrückten Schuldner. Zwar beſtanden ſchützende Wuchergeſetze, allein dieſe wurden dadurch um- gangen, daß die Wucherer ihre Forderungen zum Schein auf den Namen von Einwohnern benachbarter Staaten (Socii und Latini) ſchreiben ließen. Denn da dieſe durch das poſitive Wuchergeſetz nicht gebunden waren, ſo hatten gegen ſie die Schuldner keinen Schutz (b). Zur Entkräftung dieſes unredlichen Verfahrens wurde ein beſonderes Geſetz erlaſſen mit der Vorſchrift, daß die Römiſchen Geſetze über das Gelddarlehen (die Wuchergeſetze) auch für die Socii und Latini als Glaubiger Römiſcher Bürger bindend ſeyn ſollten (c). 2. Eine ähnliche Natur hat die in einem Senatsſchluß aus der Zeit des Hadrian anerkannte Rechtsregel, daß das Kind aus einer secundum leges moresque peregrinorum geſchloſſenen Ehe ſelbſt dann als Peregrine geboren werden (alſo ſeinem Vater angehören) ſolle, wenn zur Zeit der (a) Livius XXXV. 7. (b) Welches Wuchergeſetz, nach dem angegebenen Jahre, hier ge- meint iſt, läßt ſich bei der ſehr unſicheren Geſchichte dieſer Geſetze nicht beſtimmen. Es kann ſeyn das über unciarium foenus, aber auch das über semunciarium. Für unſern gegenwärtigen Zweck iſt dieſe Frage gleichgültig. (c) Livius l. c. „plebesque scivit, ut cum sociis ac nomine Latino pecuniae creditae jus idem, quod cum civibus Ro- manis esset“.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/100
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/100>, abgerufen am 05.05.2024.