Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 358. Origo und domicilium im heutigen Recht.
deswegen nicht anerkennen, weil keiner unter ihnen den
wahren und vollständigen Zusammenhang jener Römischen
Rechtsinstitute übersah. Allein bei einer einzelnen Anwen-
dung, dem Gerichtsstande, wurden sie auf diesen Gegen-
stand aufmerksam, und hier eben erkannten sie einstimmig
an, daß das Römische forum originis, in seiner ursprüng-
lich vorherrschenden Bedeutung, für uns ganz verschwunden
sey, und daß höchstens noch etwas ihm Aehnliches, aber
untergeordnet, und als bloße Aushülfe für seltenere Fälle,
für unser heutiges Recht übrig bleibe (a). -- Wollte etwa
Jemand bezweifeln, ob wirklich in dieser Lehre eine durch-
greifende Veränderung vorgegangen wäre, so müßte er
schon durch den Umstand überzeugt werden können, daß
selbst die Begriffe und Kunstausdrücke der Römer bei den
Neueren ganz verwirrt und verdunkelt erscheinen. Denn
dieser Umstand erklärt sich nicht daraus, daß etwa die
Quellen des Römischen Rechts in dieser Lehre besonders
undeutlich oder lückenhaft wären, (welches in der That
nicht der Fall ist), sondern lediglich daraus, daß der In-
halt jener Rechtsquellen so wenig zu unsern Zuständen
passen wollte.

Man könnte nun etwa versuchen, die eingetretene
Veränderung so aufzufassen, als wäre aus dem Römischen
Recht blos die eine Hälfte (die origo) verschwunden, die
andere Hälfte (das domicilium) unverändert übrig geblieben.

(a) Lauterbach de domicilio § 13. 14. 50. Schilter ex. 13
§ 24. Stryk V.
1 § 17. 18. Glück B. 6 S. 261.

§. 358. Origo und domicilium im heutigen Recht.
deswegen nicht anerkennen, weil keiner unter ihnen den
wahren und vollſtändigen Zuſammenhang jener Römiſchen
Rechtsinſtitute überſah. Allein bei einer einzelnen Anwen-
dung, dem Gerichtsſtande, wurden ſie auf dieſen Gegen-
ſtand aufmerkſam, und hier eben erkannten ſie einſtimmig
an, daß das Römiſche forum originis, in ſeiner urſprüng-
lich vorherrſchenden Bedeutung, für uns ganz verſchwunden
ſey, und daß höchſtens noch etwas ihm Aehnliches, aber
untergeordnet, und als bloße Aushülfe für ſeltenere Fälle,
für unſer heutiges Recht übrig bleibe (a). — Wollte etwa
Jemand bezweifeln, ob wirklich in dieſer Lehre eine durch-
greifende Veränderung vorgegangen wäre, ſo müßte er
ſchon durch den Umſtand überzeugt werden können, daß
ſelbſt die Begriffe und Kunſtausdrücke der Römer bei den
Neueren ganz verwirrt und verdunkelt erſcheinen. Denn
dieſer Umſtand erklärt ſich nicht daraus, daß etwa die
Quellen des Römiſchen Rechts in dieſer Lehre beſonders
undeutlich oder lückenhaft wären, (welches in der That
nicht der Fall iſt), ſondern lediglich daraus, daß der In-
halt jener Rechtsquellen ſo wenig zu unſern Zuſtänden
paſſen wollte.

Man könnte nun etwa verſuchen, die eingetretene
Veränderung ſo aufzufaſſen, als wäre aus dem Römiſchen
Recht blos die eine Hälfte (die origo) verſchwunden, die
andere Hälfte (das domicilium) unverändert übrig geblieben.

(a) Lauterbach de domicilio § 13. 14. 50. Schilter ex. 13
§ 24. Stryk V.
1 § 17. 18. Glück B. 6 S. 261.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0113" n="91"/><fw place="top" type="header">§. 358. <hi rendition="#aq">Origo</hi> und <hi rendition="#aq">domicilium</hi> im heutigen Recht.</fw><lb/>
deswegen nicht anerkennen, weil keiner unter ihnen den<lb/>
wahren und voll&#x017F;tändigen Zu&#x017F;ammenhang jener Römi&#x017F;chen<lb/>
Rechtsin&#x017F;titute über&#x017F;ah. Allein bei einer einzelnen Anwen-<lb/>
dung, dem Gerichts&#x017F;tande, wurden &#x017F;ie auf die&#x017F;en Gegen-<lb/>
&#x017F;tand aufmerk&#x017F;am, und hier eben erkannten &#x017F;ie ein&#x017F;timmig<lb/>
an, daß das Römi&#x017F;che <hi rendition="#aq">forum originis,</hi> in &#x017F;einer ur&#x017F;prüng-<lb/>
lich vorherr&#x017F;chenden Bedeutung, für uns ganz ver&#x017F;chwunden<lb/>
&#x017F;ey, und daß höch&#x017F;tens noch etwas ihm Aehnliches, aber<lb/>
untergeordnet, und als bloße Aushülfe für &#x017F;eltenere Fälle,<lb/>
für un&#x017F;er heutiges Recht übrig bleibe <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Lauterbach</hi> de domicilio § 13. 14. 50. <hi rendition="#k">Schilter</hi> ex. 13<lb/>
§ 24. <hi rendition="#k">Stryk</hi> V.</hi> 1 § 17. 18. <hi rendition="#g">Glück</hi> B. 6 S. 261.</note>. &#x2014; Wollte etwa<lb/>
Jemand bezweifeln, ob wirklich in die&#x017F;er Lehre eine durch-<lb/>
greifende Veränderung vorgegangen wäre, &#x017F;o müßte er<lb/>
&#x017F;chon durch den Um&#x017F;tand überzeugt werden können, daß<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t die Begriffe und Kun&#x017F;tausdrücke der Römer bei den<lb/>
Neueren ganz verwirrt und verdunkelt er&#x017F;cheinen. Denn<lb/>
die&#x017F;er Um&#x017F;tand erklärt &#x017F;ich nicht daraus, daß etwa die<lb/>
Quellen des Römi&#x017F;chen Rechts in die&#x017F;er Lehre be&#x017F;onders<lb/>
undeutlich oder lückenhaft wären, (welches in der That<lb/>
nicht der Fall i&#x017F;t), &#x017F;ondern lediglich daraus, daß der In-<lb/>
halt jener Rechtsquellen &#x017F;o wenig zu un&#x017F;ern Zu&#x017F;tänden<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;en wollte.</p><lb/>
            <p>Man könnte nun etwa ver&#x017F;uchen, die eingetretene<lb/>
Veränderung &#x017F;o aufzufa&#x017F;&#x017F;en, als wäre aus dem Römi&#x017F;chen<lb/>
Recht blos die eine Hälfte (die <hi rendition="#aq">origo</hi>) ver&#x017F;chwunden, die<lb/>
andere Hälfte (das <hi rendition="#aq">domicilium</hi>) unverändert übrig geblieben.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0113] §. 358. Origo und domicilium im heutigen Recht. deswegen nicht anerkennen, weil keiner unter ihnen den wahren und vollſtändigen Zuſammenhang jener Römiſchen Rechtsinſtitute überſah. Allein bei einer einzelnen Anwen- dung, dem Gerichtsſtande, wurden ſie auf dieſen Gegen- ſtand aufmerkſam, und hier eben erkannten ſie einſtimmig an, daß das Römiſche forum originis, in ſeiner urſprüng- lich vorherrſchenden Bedeutung, für uns ganz verſchwunden ſey, und daß höchſtens noch etwas ihm Aehnliches, aber untergeordnet, und als bloße Aushülfe für ſeltenere Fälle, für unſer heutiges Recht übrig bleibe (a). — Wollte etwa Jemand bezweifeln, ob wirklich in dieſer Lehre eine durch- greifende Veränderung vorgegangen wäre, ſo müßte er ſchon durch den Umſtand überzeugt werden können, daß ſelbſt die Begriffe und Kunſtausdrücke der Römer bei den Neueren ganz verwirrt und verdunkelt erſcheinen. Denn dieſer Umſtand erklärt ſich nicht daraus, daß etwa die Quellen des Römiſchen Rechts in dieſer Lehre beſonders undeutlich oder lückenhaft wären, (welches in der That nicht der Fall iſt), ſondern lediglich daraus, daß der In- halt jener Rechtsquellen ſo wenig zu unſern Zuſtänden paſſen wollte. Man könnte nun etwa verſuchen, die eingetretene Veränderung ſo aufzufaſſen, als wäre aus dem Römiſchen Recht blos die eine Hälfte (die origo) verſchwunden, die andere Hälfte (das domicilium) unverändert übrig geblieben. (a) Lauterbach de domicilio § 13. 14. 50. Schilter ex. 13 § 24. Stryk V. 1 § 17. 18. Glück B. 6 S. 261.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/113
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/113>, abgerufen am 05.05.2024.