Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Rechtsverhältniß, das in sich selbst unverändert geblieben
ist, dem aber zwei, der Zeit nach verschiedene, Rechtsregeln
gegenüber treten, die um die Herrschaft über das Rechts-
verhältniß streiten.

Eine Veränderung in den Rechtsregeln aber, wie sie
hier als Grund und Bedingung aller zeitlichen Collisions-
fragen gedacht werden muß, kann in folgenden verschiedenen
Gestalten eintreten:

1. Erlaß eines einzelnen neuen Gesetzes, welches
gerade das jetzt vorliegende Rechtsverhältniß zum
Gegenstand hat.
2. Abfassung eines neuen Gesetzbuches, also einer Ge-
sammtheit von Rechtsregeln, worin auch das vor-
liegende Rechtsverhältniß neue Bestimmungen er-
hält (c).
3. Aufnahme eines fremden Gesetzbuches im Ganzen,
anstatt des bisher geltenden Rechts (d).
4. Losreißen des Ortes, welcher den Sitz eines Rechts-
verhältnisses bildet, aus seinem bisherigen Staats-
verband, und Aufnahme in einen anderen, mit
Unterwerfung unter das gesammte Recht dieses
anderen Staates, in welchem Fall dieses neu über-
(c) Dieser Fall trat ein in
Constantinopel vom J. 529 bis 534,
in Preußen 1794, in Frankreich
1804, in Oesterreich 1812.
(d) So wie es unter dem Ein-
fluß der Franzöfischen Uebermacht
in mehreren Ländern in und außer
Deutschland mit dem code Napo-
leon
geschah.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Rechtsverhältniß, das in ſich ſelbſt unverändert geblieben
iſt, dem aber zwei, der Zeit nach verſchiedene, Rechtsregeln
gegenüber treten, die um die Herrſchaft über das Rechts-
verhältniß ſtreiten.

Eine Veränderung in den Rechtsregeln aber, wie ſie
hier als Grund und Bedingung aller zeitlichen Colliſions-
fragen gedacht werden muß, kann in folgenden verſchiedenen
Geſtalten eintreten:

1. Erlaß eines einzelnen neuen Geſetzes, welches
gerade das jetzt vorliegende Rechtsverhältniß zum
Gegenſtand hat.
2. Abfaſſung eines neuen Geſetzbuches, alſo einer Ge-
ſammtheit von Rechtsregeln, worin auch das vor-
liegende Rechtsverhältniß neue Beſtimmungen er-
hält (c).
3. Aufnahme eines fremden Geſetzbuches im Ganzen,
anſtatt des bisher geltenden Rechts (d).
4. Losreißen des Ortes, welcher den Sitz eines Rechts-
verhältniſſes bildet, aus ſeinem bisherigen Staats-
verband, und Aufnahme in einen anderen, mit
Unterwerfung unter das geſammte Recht dieſes
anderen Staates, in welchem Fall dieſes neu über-
(c) Dieſer Fall trat ein in
Conſtantinopel vom J. 529 bis 534,
in Preußen 1794, in Frankreich
1804, in Oeſterreich 1812.
(d) So wie es unter dem Ein-
fluß der Franzöfiſchen Uebermacht
in mehreren Ländern in und außer
Deutſchland mit dem code Napo-
léon
geſchah.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0392" n="370"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herr&#x017F;chaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Zeitliche Gränzen.</fw><lb/>
Rechtsverhältniß, das in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t unverändert geblieben<lb/>
i&#x017F;t, dem aber zwei, der Zeit nach ver&#x017F;chiedene, Rechtsregeln<lb/>
gegenüber treten, die um die Herr&#x017F;chaft über das Rechts-<lb/>
verhältniß &#x017F;treiten.</p><lb/>
            <p>Eine Veränderung in den Rechtsregeln aber, wie &#x017F;ie<lb/>
hier als Grund und Bedingung aller zeitlichen Colli&#x017F;ions-<lb/>
fragen gedacht werden muß, kann in folgenden ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Ge&#x017F;talten eintreten:</p><lb/>
            <list>
              <item>1. Erlaß eines einzelnen neuen Ge&#x017F;etzes, welches<lb/>
gerade das jetzt vorliegende Rechtsverhältniß zum<lb/>
Gegen&#x017F;tand hat.</item><lb/>
              <item>2. Abfa&#x017F;&#x017F;ung eines neuen Ge&#x017F;etzbuches, al&#x017F;o einer Ge-<lb/>
&#x017F;ammtheit von Rechtsregeln, worin auch das vor-<lb/>
liegende Rechtsverhältniß neue Be&#x017F;timmungen er-<lb/>
hält <note place="foot" n="(c)">Die&#x017F;er Fall trat ein in<lb/>
Con&#x017F;tantinopel vom J. 529 bis 534,<lb/>
in Preußen 1794, in Frankreich<lb/>
1804, in Oe&#x017F;terreich 1812.</note>.</item><lb/>
              <item>3. Aufnahme eines fremden Ge&#x017F;etzbuches im Ganzen,<lb/>
an&#x017F;tatt des bisher geltenden Rechts <note place="foot" n="(d)">So wie es unter dem Ein-<lb/>
fluß der Franzöfi&#x017F;chen Uebermacht<lb/>
in mehreren Ländern in und außer<lb/>
Deut&#x017F;chland mit dem <hi rendition="#aq">code Napo-<lb/>
léon</hi> ge&#x017F;chah.</note>.</item><lb/>
              <item>4. Losreißen des Ortes, welcher den Sitz eines Rechts-<lb/>
verhältni&#x017F;&#x017F;es bildet, aus &#x017F;einem bisherigen Staats-<lb/>
verband, und Aufnahme in einen anderen, mit<lb/>
Unterwerfung unter das ge&#x017F;ammte Recht die&#x017F;es<lb/>
anderen Staates, in welchem Fall die&#x017F;es neu über-<lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[370/0392] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. Rechtsverhältniß, das in ſich ſelbſt unverändert geblieben iſt, dem aber zwei, der Zeit nach verſchiedene, Rechtsregeln gegenüber treten, die um die Herrſchaft über das Rechts- verhältniß ſtreiten. Eine Veränderung in den Rechtsregeln aber, wie ſie hier als Grund und Bedingung aller zeitlichen Colliſions- fragen gedacht werden muß, kann in folgenden verſchiedenen Geſtalten eintreten: 1. Erlaß eines einzelnen neuen Geſetzes, welches gerade das jetzt vorliegende Rechtsverhältniß zum Gegenſtand hat. 2. Abfaſſung eines neuen Geſetzbuches, alſo einer Ge- ſammtheit von Rechtsregeln, worin auch das vor- liegende Rechtsverhältniß neue Beſtimmungen er- hält (c). 3. Aufnahme eines fremden Geſetzbuches im Ganzen, anſtatt des bisher geltenden Rechts (d). 4. Losreißen des Ortes, welcher den Sitz eines Rechts- verhältniſſes bildet, aus ſeinem bisherigen Staats- verband, und Aufnahme in einen anderen, mit Unterwerfung unter das geſammte Recht dieſes anderen Staates, in welchem Fall dieſes neu über- (c) Dieſer Fall trat ein in Conſtantinopel vom J. 529 bis 534, in Preußen 1794, in Frankreich 1804, in Oeſterreich 1812. (d) So wie es unter dem Ein- fluß der Franzöfiſchen Uebermacht in mehreren Ländern in und außer Deutſchland mit dem code Napo- léon geſchah.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/392
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/392>, abgerufen am 03.05.2024.