Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 384. Zweierlei Rechtsregeln.
Obligation, in welchen Fällen stets der eine Theil gerade
Das erwirbt, welches der andere Theil verliert. Aber
auch in den seltneren und weniger wichtigen Fällen,
worin der Verlust eines Rechts allein für sich eintritt, wie
bei der Dereliction, hat es keinen Zweifel, daß die zeitliche
Collision der Gesetze völlig eben so, wie bei dem Erwerb,
zu beurtheilen ist.

Die Natur mancher Rechte ist auf eine endlose Dauer
eingerichtet, wie das Eigenthum vermittelst des Erbrechts,
die Sklaverei, die sich durch die Geburt fortgesetzt, so daß
ein völliges Aufhören dieser Rechte nur durch zufällige Um-
stände eintreten kann; im Gegensatz anderer Rechte, die
schon durch ihre Natur auf ein vorübergehendes Daseyn
angewiesen sind, so wie fast alle Obligationen, der Nieß-
brauch, die Familienverhältnisse. Bei beiden ist an sich die
Collisionsfrage auf gleiche Weise zu entscheiden. Nur ist
nicht zu verkennen, daß die das Daseyn der Rechte betref-
fenden Regeln, und daher auch die Grundsätze für die Col-
lision derselben, von ungleich größerer Wichtigkeit sind bei
den Rechten von endloser Dauer, als bei den vorübergehenden.

Wenn man die Frage aufwirft, welche von jenen beiden
Gattungen von Rechtsregeln an sich selbst, und so auch in
Ansehung möglicher Collisionen, wichtiger ist, so wird die
Antwort verschieden ausfallen, je nach verschiedenen Ge-
sichtspunkten, die man dabei wählen kann. Auf der einen
Seite sind neue Gesetze über das Daseyn der Rechte wich-
tiger, insofern sie tiefer in den gesammten Rechtszustand

§. 384. Zweierlei Rechtsregeln.
Obligation, in welchen Fällen ſtets der eine Theil gerade
Das erwirbt, welches der andere Theil verliert. Aber
auch in den ſeltneren und weniger wichtigen Fällen,
worin der Verluſt eines Rechts allein für ſich eintritt, wie
bei der Dereliction, hat es keinen Zweifel, daß die zeitliche
Colliſion der Geſetze völlig eben ſo, wie bei dem Erwerb,
zu beurtheilen iſt.

Die Natur mancher Rechte iſt auf eine endloſe Dauer
eingerichtet, wie das Eigenthum vermittelſt des Erbrechts,
die Sklaverei, die ſich durch die Geburt fortgeſetzt, ſo daß
ein völliges Aufhören dieſer Rechte nur durch zufällige Um-
ſtände eintreten kann; im Gegenſatz anderer Rechte, die
ſchon durch ihre Natur auf ein vorübergehendes Daſeyn
angewieſen ſind, ſo wie faſt alle Obligationen, der Nieß-
brauch, die Familienverhältniſſe. Bei beiden iſt an ſich die
Colliſionsfrage auf gleiche Weiſe zu entſcheiden. Nur iſt
nicht zu verkennen, daß die das Daſeyn der Rechte betref-
fenden Regeln, und daher auch die Grundſätze für die Col-
liſion derſelben, von ungleich größerer Wichtigkeit ſind bei
den Rechten von endloſer Dauer, als bei den vorübergehenden.

Wenn man die Frage aufwirft, welche von jenen beiden
Gattungen von Rechtsregeln an ſich ſelbſt, und ſo auch in
Anſehung möglicher Colliſionen, wichtiger iſt, ſo wird die
Antwort verſchieden ausfallen, je nach verſchiedenen Ge-
ſichtspunkten, die man dabei wählen kann. Auf der einen
Seite ſind neue Geſetze über das Daſeyn der Rechte wich-
tiger, inſofern ſie tiefer in den geſammten Rechtszuſtand

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0401" n="379"/><fw place="top" type="header">§. 384. Zweierlei Rechtsregeln.</fw><lb/>
Obligation, in welchen Fällen &#x017F;tets der eine Theil gerade<lb/>
Das erwirbt, welches der andere Theil verliert. Aber<lb/>
auch in den &#x017F;eltneren und weniger wichtigen Fällen,<lb/>
worin der Verlu&#x017F;t eines Rechts allein für &#x017F;ich eintritt, wie<lb/>
bei der Dereliction, hat es keinen Zweifel, daß die zeitliche<lb/>
Colli&#x017F;ion der Ge&#x017F;etze völlig eben &#x017F;o, wie bei dem Erwerb,<lb/>
zu beurtheilen i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Die Natur mancher Rechte i&#x017F;t auf eine endlo&#x017F;e Dauer<lb/>
eingerichtet, wie das Eigenthum vermittel&#x017F;t des Erbrechts,<lb/>
die Sklaverei, die &#x017F;ich durch die Geburt fortge&#x017F;etzt, &#x017F;o daß<lb/>
ein völliges Aufhören die&#x017F;er Rechte nur durch zufällige Um-<lb/>
&#x017F;tände eintreten kann; im Gegen&#x017F;atz anderer Rechte, die<lb/>
&#x017F;chon durch ihre Natur auf ein vorübergehendes Da&#x017F;eyn<lb/>
angewie&#x017F;en &#x017F;ind, &#x017F;o wie fa&#x017F;t alle Obligationen, der Nieß-<lb/>
brauch, die Familienverhältni&#x017F;&#x017F;e. Bei beiden i&#x017F;t an &#x017F;ich die<lb/>
Colli&#x017F;ionsfrage auf gleiche Wei&#x017F;e zu ent&#x017F;cheiden. Nur i&#x017F;t<lb/>
nicht zu verkennen, daß die das Da&#x017F;eyn der Rechte betref-<lb/>
fenden Regeln, und daher auch die Grund&#x017F;ätze für die Col-<lb/>
li&#x017F;ion der&#x017F;elben, von ungleich größerer Wichtigkeit &#x017F;ind bei<lb/>
den Rechten von endlo&#x017F;er Dauer, als bei den vorübergehenden.</p><lb/>
            <p>Wenn man die Frage aufwirft, welche von jenen beiden<lb/>
Gattungen von Rechtsregeln an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, und &#x017F;o auch in<lb/>
An&#x017F;ehung möglicher Colli&#x017F;ionen, wichtiger i&#x017F;t, &#x017F;o wird die<lb/>
Antwort ver&#x017F;chieden ausfallen, je nach ver&#x017F;chiedenen Ge-<lb/>
&#x017F;ichtspunkten, die man dabei wählen kann. Auf der einen<lb/>
Seite &#x017F;ind neue Ge&#x017F;etze über das Da&#x017F;eyn der Rechte wich-<lb/>
tiger, in&#x017F;ofern &#x017F;ie tiefer in den ge&#x017F;ammten Rechtszu&#x017F;tand<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0401] §. 384. Zweierlei Rechtsregeln. Obligation, in welchen Fällen ſtets der eine Theil gerade Das erwirbt, welches der andere Theil verliert. Aber auch in den ſeltneren und weniger wichtigen Fällen, worin der Verluſt eines Rechts allein für ſich eintritt, wie bei der Dereliction, hat es keinen Zweifel, daß die zeitliche Colliſion der Geſetze völlig eben ſo, wie bei dem Erwerb, zu beurtheilen iſt. Die Natur mancher Rechte iſt auf eine endloſe Dauer eingerichtet, wie das Eigenthum vermittelſt des Erbrechts, die Sklaverei, die ſich durch die Geburt fortgeſetzt, ſo daß ein völliges Aufhören dieſer Rechte nur durch zufällige Um- ſtände eintreten kann; im Gegenſatz anderer Rechte, die ſchon durch ihre Natur auf ein vorübergehendes Daſeyn angewieſen ſind, ſo wie faſt alle Obligationen, der Nieß- brauch, die Familienverhältniſſe. Bei beiden iſt an ſich die Colliſionsfrage auf gleiche Weiſe zu entſcheiden. Nur iſt nicht zu verkennen, daß die das Daſeyn der Rechte betref- fenden Regeln, und daher auch die Grundſätze für die Col- liſion derſelben, von ungleich größerer Wichtigkeit ſind bei den Rechten von endloſer Dauer, als bei den vorübergehenden. Wenn man die Frage aufwirft, welche von jenen beiden Gattungen von Rechtsregeln an ſich ſelbſt, und ſo auch in Anſehung möglicher Colliſionen, wichtiger iſt, ſo wird die Antwort verſchieden ausfallen, je nach verſchiedenen Ge- ſichtspunkten, die man dabei wählen kann. Auf der einen Seite ſind neue Geſetze über das Daſeyn der Rechte wich- tiger, inſofern ſie tiefer in den geſammten Rechtszuſtand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/401
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/401>, abgerufen am 03.05.2024.