Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Erbanfall denkbaren Erben einzunehmen hat. Dieses per-
sönliche Verhältniß nun muß beurtheilt werden nach der
Zeit des Erbanfalls, welche meist, jedoch nicht immer,
zusammenfällt mit der Zeit des Todes.

Dabei sind zu berücksichtigen die zwei Arten von Ver-
änderungen, die in dieser Hinsicht eintreten können.

A. Veränderungen in den thatsächlichen Ver-
hältnissen
.

Gleichgültig, ohne allen Einfluß, sind die Zustände und
Veränderungen vor dem Tode des Erblassers. Zwar kön-
nen auch in dieser Zeit sehr bestimmte und wahrscheinliche
Erwartungen entstanden seyn. Auf die Intestaterbschaft
eines reichen ehelosen Mannes, der in vorgerückten Jahren
stand, können nahe Verwandte mit großer Sicherheit ge-
rechnet haben, und diese Erwartung kann durch eine späte
Ehe mit Kindern vereitelt worden seyn. Allein bloße Er-
wartungen sind ja überhaupt nicht durch Rechtsregeln zu
schützen, und jene Verwandte mußten die Möglichkeit die-
ser Veränderung, eben so wie die eines Testaments, be-
denken.

Um aber der genauen Bestimmung des entscheiden-
den Zeitpunktes näher zu rücken, sind zunächst zwei
vorläufige, gewissermaßen blos verneinende, Regeln zu be-
achten.

1. Als Intestaterbe kann Niemand betrachtet werden,
der erst nach dem Tode des Erblassers erzeugt ist. Die
Grundbedingung also besteht darin, daß ein Intestaterbe

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Erbanfall denkbaren Erben einzunehmen hat. Dieſes per-
ſönliche Verhältniß nun muß beurtheilt werden nach der
Zeit des Erbanfalls, welche meiſt, jedoch nicht immer,
zuſammenfällt mit der Zeit des Todes.

Dabei ſind zu berückſichtigen die zwei Arten von Ver-
änderungen, die in dieſer Hinſicht eintreten können.

A. Veränderungen in den thatſächlichen Ver-
hältniſſen
.

Gleichgültig, ohne allen Einfluß, ſind die Zuſtände und
Veränderungen vor dem Tode des Erblaſſers. Zwar kön-
nen auch in dieſer Zeit ſehr beſtimmte und wahrſcheinliche
Erwartungen entſtanden ſeyn. Auf die Inteſtaterbſchaft
eines reichen eheloſen Mannes, der in vorgerückten Jahren
ſtand, können nahe Verwandte mit großer Sicherheit ge-
rechnet haben, und dieſe Erwartung kann durch eine ſpäte
Ehe mit Kindern vereitelt worden ſeyn. Allein bloße Er-
wartungen ſind ja überhaupt nicht durch Rechtsregeln zu
ſchützen, und jene Verwandte mußten die Möglichkeit die-
ſer Veränderung, eben ſo wie die eines Teſtaments, be-
denken.

Um aber der genauen Beſtimmung des entſcheiden-
den Zeitpunktes näher zu rücken, ſind zunächſt zwei
vorläufige, gewiſſermaßen blos verneinende, Regeln zu be-
achten.

1. Als Inteſtaterbe kann Niemand betrachtet werden,
der erſt nach dem Tode des Erblaſſers erzeugt iſt. Die
Grundbedingung alſo beſteht darin, daß ein Inteſtaterbe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0506" n="484"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herr&#x017F;chaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Zeitliche Gränzen.</fw><lb/>
Erbanfall denkbaren Erben einzunehmen hat. Die&#x017F;es per-<lb/>
&#x017F;önliche Verhältniß nun muß beurtheilt werden nach der<lb/>
Zeit des <hi rendition="#g">Erbanfalls</hi>, welche mei&#x017F;t, jedoch nicht immer,<lb/>
zu&#x017F;ammenfällt mit der Zeit des <hi rendition="#g">Todes</hi>.</p><lb/>
            <p>Dabei &#x017F;ind zu berück&#x017F;ichtigen die zwei Arten von Ver-<lb/>
änderungen, die in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht eintreten können.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">A.</hi> Veränderungen in den <hi rendition="#g">that&#x017F;ächlichen Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;en</hi>.</p><lb/>
            <p>Gleichgültig, ohne allen Einfluß, &#x017F;ind die Zu&#x017F;tände und<lb/>
Veränderungen vor dem Tode des Erbla&#x017F;&#x017F;ers. Zwar kön-<lb/>
nen auch in die&#x017F;er Zeit &#x017F;ehr be&#x017F;timmte und wahr&#x017F;cheinliche<lb/>
Erwartungen ent&#x017F;tanden &#x017F;eyn. Auf die Inte&#x017F;taterb&#x017F;chaft<lb/>
eines reichen ehelo&#x017F;en Mannes, der in vorgerückten Jahren<lb/>
&#x017F;tand, können nahe Verwandte mit großer Sicherheit ge-<lb/>
rechnet haben, und die&#x017F;e Erwartung kann durch eine &#x017F;päte<lb/>
Ehe mit Kindern vereitelt worden &#x017F;eyn. Allein bloße Er-<lb/>
wartungen &#x017F;ind ja überhaupt nicht durch Rechtsregeln zu<lb/>
&#x017F;chützen, und jene Verwandte mußten die Möglichkeit die-<lb/>
&#x017F;er Veränderung, eben &#x017F;o wie die eines Te&#x017F;taments, be-<lb/>
denken.</p><lb/>
            <p>Um aber der genauen Be&#x017F;timmung des ent&#x017F;cheiden-<lb/>
den Zeitpunktes näher zu rücken, &#x017F;ind zunäch&#x017F;t zwei<lb/>
vorläufige, gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen blos verneinende, Regeln zu be-<lb/>
achten.</p><lb/>
            <p>1. Als Inte&#x017F;taterbe kann Niemand betrachtet werden,<lb/>
der er&#x017F;t nach dem Tode des Erbla&#x017F;&#x017F;ers erzeugt i&#x017F;t. Die<lb/>
Grundbedingung al&#x017F;o be&#x017F;teht darin, daß ein Inte&#x017F;taterbe<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[484/0506] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. Erbanfall denkbaren Erben einzunehmen hat. Dieſes per- ſönliche Verhältniß nun muß beurtheilt werden nach der Zeit des Erbanfalls, welche meiſt, jedoch nicht immer, zuſammenfällt mit der Zeit des Todes. Dabei ſind zu berückſichtigen die zwei Arten von Ver- änderungen, die in dieſer Hinſicht eintreten können. A. Veränderungen in den thatſächlichen Ver- hältniſſen. Gleichgültig, ohne allen Einfluß, ſind die Zuſtände und Veränderungen vor dem Tode des Erblaſſers. Zwar kön- nen auch in dieſer Zeit ſehr beſtimmte und wahrſcheinliche Erwartungen entſtanden ſeyn. Auf die Inteſtaterbſchaft eines reichen eheloſen Mannes, der in vorgerückten Jahren ſtand, können nahe Verwandte mit großer Sicherheit ge- rechnet haben, und dieſe Erwartung kann durch eine ſpäte Ehe mit Kindern vereitelt worden ſeyn. Allein bloße Er- wartungen ſind ja überhaupt nicht durch Rechtsregeln zu ſchützen, und jene Verwandte mußten die Möglichkeit die- ſer Veränderung, eben ſo wie die eines Teſtaments, be- denken. Um aber der genauen Beſtimmung des entſcheiden- den Zeitpunktes näher zu rücken, ſind zunächſt zwei vorläufige, gewiſſermaßen blos verneinende, Regeln zu be- achten. 1. Als Inteſtaterbe kann Niemand betrachtet werden, der erſt nach dem Tode des Erblaſſers erzeugt iſt. Die Grundbedingung alſo beſteht darin, daß ein Inteſtaterbe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/506
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/506>, abgerufen am 04.05.2024.