Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.oder nicht.1) Möglicher Weise könnte das pythagoräische Gebot dem parsischen nachgebildet sein. Höher aufgefasst, ist der Spiegel, in welchem der Maurergeselle sein eigenes Bild suchen und erkennen soll, ein Memento mori, - der warnende Zuruf, dass er dort nach seinen Thaten hier werde gerichtet und gemessen werden, dass ein ewiger Richter und ein ewiges Winkelmass sei. Nach den indischen Vorstellungen bedient daher der Todtenrichter Yama sich eines Spiegels, in welchem er die guten und die bösen Handlungen des Menschen erblickt und prüfet, um ein gerechtes Urtheil über sie zu fällen.2) Der Spiegel, in hier der Todtenrichter Yama blickt, bevor er sein Urtheil fällt, ist wohl die Seele des Verstorbenen und zu Riehtenden selbst, indem sie das getreue Spiegelbild seines vorausgegangenen guten oder schlechten Lebens ist und sein muss, - der Zustand und die Beschaffenheit, in welchem die Seele des Menschen aus diesem Leben scheidet. ihr jenseitiges Schicksal und Sein bestimmt, - der Sterbende sein eigener Todtenrichter ist. In diesem Sinne ruft auch Jesaja 3, 10: Saget, dem Gerechten gehet es wohl: An den Spiegel des indischen Yama erinnert auch der in den deutschen Sagen von dem Basilisken vorkommende Spiegel. Der Basilisk wird nämlich getödtet, indem man ihm einen Spiegel vorhält, damit er bei seinem eigenen Anblick durch die entsetzlichen Augen des Spiegelbildes sterbe.3) Auch der Licht- und Sonnenheld Perseus überwindet in ähnlicher Weise mit Hülfe eines Spiegels, den er von der Lichtgöttin Athene erhalten, die grässliche schlummernde Medusa4) So wird auch die im Todtenreiche ankommende Seele gerichtet, getödtet und belebt, 1) Spiegel. Avesta II, Einleitung S. L. 2) Müller, Glauben der alten Hindus, S. 245. 3) Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 53 Anm. 4) Furtwängler, Idee des Todes, S. 70.
oder nicht.1) Möglicher Weise könnte das pythagoräische Gebot dem parsischen nachgebildet sein. Höher aufgefasst, ist der Spiegel, in welchem der Maurergeselle sein eigenes Bild suchen und erkennen soll, ein Memento mori, – der warnende Zuruf, dass er dort nach seinen Thaten hier werde gerichtet und gemessen werden, dass ein ewiger Richter und ein ewiges Winkelmass sei. Nach den indischen Vorstellungen bedient daher der Todtenrichter Yama sich eines Spiegels, in welchem er die guten und die bösen Handlungen des Menschen erblickt und prüfet, um ein gerechtes Urtheil über sie zu fällen.2) Der Spiegel, in hier der Todtenrichter Yama blickt, bevor er sein Urtheil fällt, ist wohl die Seele des Verstorbenen und zu Riehtenden selbst, indem sie das getreue Spiegelbild seines vorausgegangenen guten oder schlechten Lebens ist und sein muss, – der Zustand und die Beschaffenheit, in welchem die Seele des Menschen aus diesem Leben scheidet. ihr jenseitiges Schicksal und Sein bestimmt, – der Sterbende sein eigener Todtenrichter ist. In diesem Sinne ruft auch Jesaja 3, 10: Saget, dem Gerechten gehet es wohl: An den Spiegel des indischen Yama erinnert auch der in den deutschen Sagen von dem Basilisken vorkommende Spiegel. Der Basilisk wird nämlich getödtet, indem man ihm einen Spiegel vorhält, damit er bei seinem eigenen Anblick durch die entsetzlichen Augen des Spiegelbildes sterbe.3) Auch der Licht- und Sonnenheld Perseus überwindet in ähnlicher Weise mit Hülfe eines Spiegels, den er von der Lichtgöttin Athene erhalten, die grässliche schlummernde Medusa4) So wird auch die im Todtenreiche ankommende Seele gerichtet, getödtet und belebt, 1) Spiegel. Avesta II, Einleitung S. L. 2) Müller, Glauben der alten Hindus, S. 245. 3) Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 53 Anm. 4) Furtwängler, Idee des Todes, S. 70.
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oder nicht. 1) Möglicher Weise könnte das pythagoräische Gebot dem parsischen nachgebildet sein.
Höher aufgefasst, ist der Spiegel, in welchem der Maurergeselle sein eigenes Bild suchen und erkennen soll, ein Memento mori, – der warnende Zuruf, dass er dort nach seinen Thaten hier werde gerichtet und gemessen werden, dass ein ewiger Richter und ein ewiges Winkelmass sei. Nach den indischen Vorstellungen bedient daher der Todtenrichter Yama sich eines Spiegels, in welchem er die guten und die bösen Handlungen des Menschen erblickt und prüfet, um ein gerechtes Urtheil über sie zu fällen. 2) Der Spiegel, in hier der Todtenrichter Yama blickt, bevor er sein Urtheil fällt, ist wohl die Seele des Verstorbenen und zu Riehtenden selbst, indem sie das getreue Spiegelbild seines vorausgegangenen guten oder schlechten Lebens ist und sein muss, – der Zustand und die Beschaffenheit, in welchem die Seele des Menschen aus diesem Leben scheidet. ihr jenseitiges Schicksal und Sein bestimmt, – der Sterbende sein eigener Todtenrichter ist. In diesem Sinne ruft auch Jesaja 3, 10:
Saget, dem Gerechten gehet es wohl:
Denn die Frucht seiner Thaten wird er geniessen.
Wehe! dem Gottlosen geht es übel:
Denn sein eigenes Thun wird ihm vergolten. An den Spiegel des indischen Yama erinnert auch der in den deutschen Sagen von dem Basilisken vorkommende Spiegel. Der Basilisk wird nämlich getödtet, indem man ihm einen Spiegel vorhält, damit er bei seinem eigenen Anblick durch die entsetzlichen Augen des Spiegelbildes sterbe. 3) Auch der Licht- und Sonnenheld Perseus überwindet in ähnlicher Weise mit Hülfe eines Spiegels, den er von der Lichtgöttin Athene erhalten, die grässliche schlummernde Medusa 4) So wird auch die im Todtenreiche ankommende Seele gerichtet, getödtet und belebt,
1) Spiegel. Avesta II, Einleitung S. L.
2) Müller, Glauben der alten Hindus, S. 245.
3) Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 53 Anm.
4) Furtwängler, Idee des Todes, S. 70.
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Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/123>, abgerufen am 17.06.2024. |