Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

als ein ein Werk der göttlichen Hände und Finger gedacht und dargestellt; auch selbst der Mensch sollte daraus hervorgegangen und gebildet sein. Wie wir noch heute bildlich und poetisch von der schaffenden Hand der Gottheit und der Natur reden, hatte das Alterthum dieses poetische Bild zu mythologischen Personen und ihrem Schaffen und Wirken gestaltet. Bei den Processionen des Isis, der grossen ägyptischen Ur- und Erdmutter, trug daher der vierte, Priester mit Hindeutung auf die schaffende und gebärende Natur derselben die Abformung einer linken Hand, welche nach Apulejus die Hand der Billigkeit, aequitatis manus genannt wurde, weil die Mutter Erde unter alle Menschen ihre Gaben gleich gerecht und billig vertheilt. Von der Kunstfertigkeit ihrer Finger führen selbst die idäischen Dactylen, denen sich die Kureten und Korybanben anschliessen, und die pränestinischen Digitier ihren Namen. Sie sind nicht blos Erzarbeiter, und nicht desshalb Daetyli oder Digitii genannt, weil zum Schmiedehandwerk Hand und Finger besonders erforderlich sind, vielmehr hat in jenem Namen ihre allgemeine Gottesnatur, welche die Zeugungskraft des Stoffs in sich schliesst, ihren Ausdruck gefunden. Die Dactyli bilden in ihrem Vereine die Gotteshand. welche alle Organismen schafft und bildet.1) Dem gleichen symbolisirenden Ideenkreise gehört es an, dass im Norden die Orchis mit ihrer handförmigen Wurzel Niardhar vöttr, Handschuh des Niördr, des germanischen Gottes der im Boden genannt wird. In der handförmigen Wurzel der Pflanze erkannte man die schaffende Hand der Natur selbst. In der christlichen Zeit wurde sodann die Wurzel, wenn sie weiss war, Marienhand, wenn schwarz, Satanshand geheissen und heisst noch in Deutschland Liebfrauenhand, Jesushand, Christhändlein.2) Menzel, Odin. S. 104, hält es für wahrscheinlich, dass die symbolischen Hände, welche er im J. 1846 in den alemannischen Gräbern am Lupfen gefunden hat und die noch in der Sammlung des württeinbergischen Alterthumsvereins zu Stuttgart aufbewahrt werden, den Todten

1) Bachofen, Gräbersymbolik, S. 17S.
2) Menzel, Odin, S. 27.

als ein ein Werk der göttlichen Hände und Finger gedacht und dargestellt; auch selbst der Mensch sollte daraus hervorgegangen und gebildet sein. Wie wir noch heute bildlich und poetisch von der schaffenden Hand der Gottheit und der Natur reden, hatte das Alterthum dieses poetische Bild zu mythologischen Personen und ihrem Schaffen und Wirken gestaltet. Bei den Processionen des Isis, der grossen ägyptischen Ur- und Erdmutter, trug daher der vierte, Priester mit Hindeutung auf die schaffende und gebärende Natur derselben die Abformung einer linken Hand, welche nach Apulejus die Hand der Billigkeit, aequitatis manus genannt wurde, weil die Mutter Erde unter alle Menschen ihre Gaben gleich gerecht und billig vertheilt. Von der Kunstfertigkeit ihrer Finger führen selbst die idäischen Dactylen, denen sich die Kureten und Korybanben anschliessen, und die pränestinischen Digitier ihren Namen. Sie sind nicht blos Erzarbeiter, und nicht desshalb Daetyli oder Digitii genannt, weil zum Schmiedehandwerk Hand und Finger besonders erforderlich sind, vielmehr hat in jenem Namen ihre allgemeine Gottesnatur, welche die Zeugungskraft des Stoffs in sich schliesst, ihren Ausdruck gefunden. Die Dactyli bilden in ihrem Vereine die Gotteshand. welche alle Organismen schafft und bildet.1) Dem gleichen symbolisirenden Ideenkreise gehört es an, dass im Norden die Orchis mit ihrer handförmigen Wurzel Niardhar vöttr, Handschuh des Niördr, des germanischen Gottes der im Boden genannt wird. In der handförmigen Wurzel der Pflanze erkannte man die schaffende Hand der Natur selbst. In der christlichen Zeit wurde sodann die Wurzel, wenn sie weiss war, Marienhand, wenn schwarz, Satanshand geheissen und heisst noch in Deutschland Liebfrauenhand, Jesushand, Christhändlein.2) Menzel, Odin. S. 104, hält es für wahrscheinlich, dass die symbolischen Hände, welche er im J. 1846 in den alemannischen Gräbern am Lupfen gefunden hat und die noch in der Sammlung des württeinbergischen Alterthumsvereins zu Stuttgart aufbewahrt werden, den Todten

1) Bachofen, Gräbersymbolik, S. 17S.
2) Menzel, Odin, S. 27.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0127" n="111"/>
als ein ein Werk der
 göttlichen Hände und Finger gedacht und dargestellt; auch selbst der Mensch sollte daraus
 hervorgegangen und gebildet sein. Wie wir noch heute bildlich und poetisch von der schaffenden Hand
 der Gottheit und der Natur reden, hatte das Alterthum dieses poetische Bild zu mythologischen
 Personen und ihrem Schaffen und Wirken gestaltet. Bei den Processionen des Isis, der grossen
 ägyptischen Ur- und Erdmutter, trug daher der vierte, Priester mit Hindeutung auf die schaffende und
 gebärende Natur derselben die Abformung einer linken Hand, welche nach Apulejus die Hand der
 Billigkeit, aequitatis manus genannt wurde, weil die Mutter Erde unter alle Menschen ihre Gaben
 gleich gerecht und billig vertheilt. Von der Kunstfertigkeit ihrer Finger führen selbst die
 idäischen Dactylen, denen sich die Kureten und Korybanben anschliessen, und die pränestinischen
 Digitier ihren Namen. Sie sind nicht blos Erzarbeiter, und nicht desshalb Daetyli oder Digitii
 genannt, weil zum Schmiedehandwerk Hand und Finger besonders erforderlich sind, vielmehr hat in
 jenem Namen ihre allgemeine Gottesnatur, welche die Zeugungskraft des Stoffs in sich schliesst,
 ihren Ausdruck gefunden. Die Dactyli bilden in ihrem Vereine die Gotteshand. welche alle Organismen
 schafft und bildet.<note place="foot" n="1)">Bachofen, Gräbersymbolik, S. 17S. </note> Dem gleichen
 symbolisirenden Ideenkreise gehört es an, dass im Norden die Orchis mit ihrer handförmigen Wurzel
 Niardhar vöttr, Handschuh des Niördr, des germanischen Gottes der im Boden genannt wird. In der
 handförmigen Wurzel der Pflanze erkannte man die schaffende Hand der Natur selbst. In der
 christlichen Zeit wurde sodann die Wurzel, wenn sie weiss war, Marienhand, wenn schwarz, Satanshand
 geheissen und heisst noch in Deutschland Liebfrauenhand, Jesushand, Christhändlein.<note place="foot" n="2)">Menzel, Odin, S. 27.</note> Menzel, Odin. S. 104, hält es für wahrscheinlich,
 dass die symbolischen Hände, welche er im J. 1846 in den alemannischen Gräbern am Lupfen gefunden
 hat und die noch in der Sammlung des württeinbergischen Alterthumsvereins zu Stuttgart aufbewahrt
 werden, den Todten
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0127] als ein ein Werk der göttlichen Hände und Finger gedacht und dargestellt; auch selbst der Mensch sollte daraus hervorgegangen und gebildet sein. Wie wir noch heute bildlich und poetisch von der schaffenden Hand der Gottheit und der Natur reden, hatte das Alterthum dieses poetische Bild zu mythologischen Personen und ihrem Schaffen und Wirken gestaltet. Bei den Processionen des Isis, der grossen ägyptischen Ur- und Erdmutter, trug daher der vierte, Priester mit Hindeutung auf die schaffende und gebärende Natur derselben die Abformung einer linken Hand, welche nach Apulejus die Hand der Billigkeit, aequitatis manus genannt wurde, weil die Mutter Erde unter alle Menschen ihre Gaben gleich gerecht und billig vertheilt. Von der Kunstfertigkeit ihrer Finger führen selbst die idäischen Dactylen, denen sich die Kureten und Korybanben anschliessen, und die pränestinischen Digitier ihren Namen. Sie sind nicht blos Erzarbeiter, und nicht desshalb Daetyli oder Digitii genannt, weil zum Schmiedehandwerk Hand und Finger besonders erforderlich sind, vielmehr hat in jenem Namen ihre allgemeine Gottesnatur, welche die Zeugungskraft des Stoffs in sich schliesst, ihren Ausdruck gefunden. Die Dactyli bilden in ihrem Vereine die Gotteshand. welche alle Organismen schafft und bildet. 1) Dem gleichen symbolisirenden Ideenkreise gehört es an, dass im Norden die Orchis mit ihrer handförmigen Wurzel Niardhar vöttr, Handschuh des Niördr, des germanischen Gottes der im Boden genannt wird. In der handförmigen Wurzel der Pflanze erkannte man die schaffende Hand der Natur selbst. In der christlichen Zeit wurde sodann die Wurzel, wenn sie weiss war, Marienhand, wenn schwarz, Satanshand geheissen und heisst noch in Deutschland Liebfrauenhand, Jesushand, Christhändlein. 2) Menzel, Odin. S. 104, hält es für wahrscheinlich, dass die symbolischen Hände, welche er im J. 1846 in den alemannischen Gräbern am Lupfen gefunden hat und die noch in der Sammlung des württeinbergischen Alterthumsvereins zu Stuttgart aufbewahrt werden, den Todten 1) Bachofen, Gräbersymbolik, S. 17S. 2) Menzel, Odin, S. 27.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/127
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/127>, abgerufen am 29.04.2024.