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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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Stiftungsbriefe Conrads von Zähringen für Freiburg wird deshalb gesagt: "forum constitui." Das jus consuetudinarium mercatorum, wovon im Berner Stiftungsbriefe geredet wird, ist das gemeine Recht der Städte. Im Parloir (Parlouer) des Bourgeois hielt das Schöffencollegium von Paris seine Gerichtssitzungen und erinnert an den schon früher aufgekommenen Namen des Parlamentes für die Curia oder den höchsten Gerichtshof des Königs.1) Auch der maurerische Polier oder Parlierer2) gehört hierher und ist gleichfalls gallischen oder französischen Ursprungs; der Polier, Parlierer wird noch heute am Rheine und namentlich auch in der Schweiz der redende Stellvertreter, der Redner, der Oberaufseher des Baumeisters genannt. Die thüringisch-sächsische Steinmetzordnung vom J. 1462 wurde daher beschlossen von den Werkmeistern, "palliren", und Gesellen.3) Die handeltreibende alte römische Schifferzunft von Paris scheint dadurch zur herrschenden der Stadt, zur Stadtgemeinde selbst geworden zu sein, dass sie eben am kräftigsten und festesten in allen Stürmen sich hielt und dadurch die Stadtgemeinde selbst rettete. Auch London hatte in frühern Zeiten eine Kaufmannsgilde (gilda mercatorum, Merchand-Gild), welche aus Kaufleuten, Professionisten und Künstlern bestand,4) gewissermassen eine Aushülfszunft war, in welche eingereiht wurde, wer vermöge seines Berufes nicht wohl in einer bestimmten andern Zunft untergebracht werden konnte, wie solche Kaufmannsgilden auch in andern englischen und deutschen Städten, z. B. zu Zürich, bestanden.

Tournai, einst eine römische Municipalstadt, hat im 12ten Jahrh. die fränkische Stadtverfassung mit einem Schöffenthum.5) Auch in Arras und Theruane bestand längere Zeit die römische Municipalverfassung fort.6) Die Einwohner von Reims rühmten sich im 13ten Jahrh. der römischen Abstammung ihrer städtischen Freiheiten und

1) Warnkoenig, S. 332.
2) Krause, II. 1. S. 276. Anm. 1.
3) Heideloff, Bauhütte, S 47 ff.
4) Madox bei Krause, II. 2. S. 367.
5) Warnkoenig, S. 297 und 213.
6) Warnkoenig, S. 312.

Stiftungsbriefe Conrads von Zähringen für Freiburg wird deshalb gesagt: „forum constitui.“ Das jus consuetudinarium mercatorum, wovon im Berner Stiftungsbriefe geredet wird, ist das gemeine Recht der Städte. Im Parloir (Parlouer) des Bourgeois hielt das Schöffencollegium von Paris seine Gerichtssitzungen und erinnert an den schon früher aufgekommenen Namen des Parlamentes für die Curia oder den höchsten Gerichtshof des Königs.1) Auch der maurerische Polier oder Parlierer2) gehört hierher und ist gleichfalls gallischen oder französischen Ursprungs; der Polier, Parlierer wird noch heute am Rheine und namentlich auch in der Schweiz der redende Stellvertreter, der Redner, der Oberaufseher des Baumeisters genannt. Die thüringisch-sächsische Steinmetzordnung vom J. 1462 wurde daher beschlossen von den Werkmeistern, „palliren“, und Gesellen.3) Die handeltreibende alte römische Schifferzunft von Paris scheint dadurch zur herrschenden der Stadt, zur Stadtgemeinde selbst geworden zu sein, dass sie eben am kräftigsten und festesten in allen Stürmen sich hielt und dadurch die Stadtgemeinde selbst rettete. Auch London hatte in frühern Zeiten eine Kaufmannsgilde (gilda mercatorum, Merchand-Gild), welche aus Kaufleuten, Professionisten und Künstlern bestand,4) gewissermassen eine Aushülfszunft war, in welche eingereiht wurde, wer vermöge seines Berufes nicht wohl in einer bestimmten andern Zunft untergebracht werden konnte, wie solche Kaufmannsgilden auch in andern englischen und deutschen Städten, z. B. zu Zürich, bestanden.

Tournai, einst eine römische Municipalstadt, hat im 12ten Jahrh. die fränkische Stadtverfassung mit einem Schöffenthum.5) Auch in Arras und Theruane bestand längere Zeit die römische Municipalverfassung fort.6) Die Einwohner von Reims rühmten sich im 13ten Jahrh. der römischen Abstammung ihrer städtischen Freiheiten und

1) Warnkoenig, S. 332.
2) Krause, II. 1. S. 276. Anm. 1.
3) Heideloff, Bauhütte, S 47 ff.
4) Madox bei Krause, II. 2. S. 367.
5) Warnkoenig, S. 297 und 213.
6) Warnkoenig, S. 312.
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[227/0247] Stiftungsbriefe Conrads von Zähringen für Freiburg wird deshalb gesagt: „forum constitui.“ Das jus consuetudinarium mercatorum, wovon im Berner Stiftungsbriefe geredet wird, ist das gemeine Recht der Städte. Im Parloir (Parlouer) des Bourgeois hielt das Schöffencollegium von Paris seine Gerichtssitzungen und erinnert an den schon früher aufgekommenen Namen des Parlamentes für die Curia oder den höchsten Gerichtshof des Königs. 1) Auch der maurerische Polier oder Parlierer 2) gehört hierher und ist gleichfalls gallischen oder französischen Ursprungs; der Polier, Parlierer wird noch heute am Rheine und namentlich auch in der Schweiz der redende Stellvertreter, der Redner, der Oberaufseher des Baumeisters genannt. Die thüringisch-sächsische Steinmetzordnung vom J. 1462 wurde daher beschlossen von den Werkmeistern, „palliren“, und Gesellen. 3) Die handeltreibende alte römische Schifferzunft von Paris scheint dadurch zur herrschenden der Stadt, zur Stadtgemeinde selbst geworden zu sein, dass sie eben am kräftigsten und festesten in allen Stürmen sich hielt und dadurch die Stadtgemeinde selbst rettete. Auch London hatte in frühern Zeiten eine Kaufmannsgilde (gilda mercatorum, Merchand-Gild), welche aus Kaufleuten, Professionisten und Künstlern bestand, 4) gewissermassen eine Aushülfszunft war, in welche eingereiht wurde, wer vermöge seines Berufes nicht wohl in einer bestimmten andern Zunft untergebracht werden konnte, wie solche Kaufmannsgilden auch in andern englischen und deutschen Städten, z. B. zu Zürich, bestanden. Tournai, einst eine römische Municipalstadt, hat im 12ten Jahrh. die fränkische Stadtverfassung mit einem Schöffenthum. 5) Auch in Arras und Theruane bestand längere Zeit die römische Municipalverfassung fort. 6) Die Einwohner von Reims rühmten sich im 13ten Jahrh. der römischen Abstammung ihrer städtischen Freiheiten und 1) Warnkoenig, S. 332. 2) Krause, II. 1. S. 276. Anm. 1. 3) Heideloff, Bauhütte, S 47 ff. 4) Madox bei Krause, II. 2. S. 367. 5) Warnkoenig, S. 297 und 213. 6) Warnkoenig, S. 312.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/247>, abgerufen am 05.05.2024.