Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Ecksteine sind gesplittert, das Gebäu ist morsch. Mit übermüthigen
Herren kann kein Reich bestehen; die gehorchen sollen, herrschen, und
der herrschen soll, muß schmeicheln statt gebieten. Ich hab' von Einem
gehört, dem haben seine getreuen Unterthanen den Tribut in Kiesel-
steinen statt in Silber geschickt, und der Kopf des Grafen, der ihn
heischen sollte, lag dabei im Sack. Wer hat's gerächt?...

Der Kaiser, sprach Ekkehard, zieht in Welschland zu Felde und
erwirbt großen Ruhm.

O Welschland, Welschland! fuhr der Alte fort, das wird noch ein
schlimmer Pfahl im deutschen Fleische werden. Jenes einemal hat
sich der große Karl ...

Den Gott segnen möge, fiel Rauching ein.

... einen blauen Dunst vormachen lassen. 's war ein schlimmer
Tag, wie sie ihm in Rom die Krone aufsetzten, und hat Keiner ge-
lacht, wie der auf Petri Stuhl. Der hat uns nöthig gehabt --
aber was haben wir mit Welschland zu schaffen? Schaut hinaus: ist
die Gebirgsmauer dort für Nichts himmelan gebaut? Das jenseits
gehört denen in Byzantium, und von Rechtswegen; griechische List
wird dort eher fertig als deutsche Kraft; aber die Nachfolgenden haben
nichts zu thun, als des großen Karl Irrthum ewig zu machen. Was
er Vernünftiges gewiesen, haben sie mit Füßen getreten, in Ost und
Nord war vollauf zu thun, aber nach Welschland muß gerannt wer-
den, als säß in den Bergen hinter Rom der große Magnetstein. Ich
hab' oft drüber nachgedacht, was uns in die falsche Bahn gewiesen; --
wenn's nicht der Teufel ist, kann's nur der gute Wein sein.148)

Ekkehard war betrübt geworden ob des Alten Reden. Der schien
es zu merken. Laßt Euch nicht anfechten, was ein Begrabener sagt,
sprach er zu ihm, wir in der Heidenhöhle machen's nicht anders, aber
die Wahrheit hat schon manchesmal in Höhlen gehaust, wenn draußen
der Unsinn mit großen Schritten durch's Land ging.

Ein Begrabener? sprach Ekkehard fragend.

Deßhalb könnt Ihr doch mit ihm anstoßen, sprach der Alte scher-
zend. 's war nöthig, daß ich vor der Welt gestorben bin, das Kopf-
weh und die Schurken haben mich in Unehren gebracht. Braucht mich
darum nicht so anzusehen, Mönchlein. Setzt Euch her auf die Stein-

Eckſteine ſind geſplittert, das Gebäu iſt morſch. Mit übermüthigen
Herren kann kein Reich beſtehen; die gehorchen ſollen, herrſchen, und
der herrſchen ſoll, muß ſchmeicheln ſtatt gebieten. Ich hab' von Einem
gehört, dem haben ſeine getreuen Unterthanen den Tribut in Kieſel-
ſteinen ſtatt in Silber geſchickt, und der Kopf des Grafen, der ihn
heiſchen ſollte, lag dabei im Sack. Wer hat's gerächt?...

Der Kaiſer, ſprach Ekkehard, zieht in Welſchland zu Felde und
erwirbt großen Ruhm.

O Welſchland, Welſchland! fuhr der Alte fort, das wird noch ein
ſchlimmer Pfahl im deutſchen Fleiſche werden. Jenes einemal hat
ſich der große Karl ...

Den Gott ſegnen möge, fiel Rauching ein.

... einen blauen Dunſt vormachen laſſen. 's war ein ſchlimmer
Tag, wie ſie ihm in Rom die Krone aufſetzten, und hat Keiner ge-
lacht, wie der auf Petri Stuhl. Der hat uns nöthig gehabt —
aber was haben wir mit Welſchland zu ſchaffen? Schaut hinaus: iſt
die Gebirgsmauer dort für Nichts himmelan gebaut? Das jenſeits
gehört denen in Byzantium, und von Rechtswegen; griechiſche Liſt
wird dort eher fertig als deutſche Kraft; aber die Nachfolgenden haben
nichts zu thun, als des großen Karl Irrthum ewig zu machen. Was
er Vernünftiges gewieſen, haben ſie mit Füßen getreten, in Oſt und
Nord war vollauf zu thun, aber nach Welſchland muß gerannt wer-
den, als ſäß in den Bergen hinter Rom der große Magnetſtein. Ich
hab' oft drüber nachgedacht, was uns in die falſche Bahn gewieſen; —
wenn's nicht der Teufel iſt, kann's nur der gute Wein ſein.148)

Ekkehard war betrübt geworden ob des Alten Reden. Der ſchien
es zu merken. Laßt Euch nicht anfechten, was ein Begrabener ſagt,
ſprach er zu ihm, wir in der Heidenhöhle machen's nicht anders, aber
die Wahrheit hat ſchon manchesmal in Höhlen gehaust, wenn draußen
der Unſinn mit großen Schritten durch's Land ging.

Ein Begrabener? ſprach Ekkehard fragend.

Deßhalb könnt Ihr doch mit ihm anſtoßen, ſprach der Alte ſcher-
zend. 's war nöthig, daß ich vor der Welt geſtorben bin, das Kopf-
weh und die Schurken haben mich in Unehren gebracht. Braucht mich
darum nicht ſo anzuſehen, Mönchlein. Setzt Euch her auf die Stein-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0163" n="141"/>
Eck&#x017F;teine &#x017F;ind ge&#x017F;plittert, das Gebäu i&#x017F;t mor&#x017F;ch. Mit übermüthigen<lb/>
Herren kann kein Reich be&#x017F;tehen; die gehorchen &#x017F;ollen, herr&#x017F;chen, und<lb/>
der herr&#x017F;chen &#x017F;oll, muß &#x017F;chmeicheln &#x017F;tatt gebieten. Ich hab' von Einem<lb/>
gehört, dem haben &#x017F;eine getreuen Unterthanen den Tribut in Kie&#x017F;el-<lb/>
&#x017F;teinen &#x017F;tatt in Silber ge&#x017F;chickt, und der Kopf des Grafen, der ihn<lb/>
hei&#x017F;chen &#x017F;ollte, lag dabei im Sack. Wer hat's gerächt?...</p><lb/>
        <p>Der Kai&#x017F;er, &#x017F;prach Ekkehard, zieht in Wel&#x017F;chland zu Felde und<lb/>
erwirbt großen Ruhm.</p><lb/>
        <p>O Wel&#x017F;chland, Wel&#x017F;chland! fuhr der Alte fort, das wird noch ein<lb/>
&#x017F;chlimmer Pfahl im deut&#x017F;chen Flei&#x017F;che werden. Jenes einemal hat<lb/>
&#x017F;ich der große Karl ...</p><lb/>
        <p>Den Gott &#x017F;egnen möge, fiel Rauching ein.</p><lb/>
        <p>... einen blauen Dun&#x017F;t vormachen la&#x017F;&#x017F;en. 's war ein &#x017F;chlimmer<lb/>
Tag, wie &#x017F;ie ihm in Rom die Krone auf&#x017F;etzten, und hat Keiner ge-<lb/>
lacht, wie der auf Petri Stuhl. Der hat uns nöthig gehabt &#x2014;<lb/>
aber was haben wir mit Wel&#x017F;chland zu &#x017F;chaffen? Schaut hinaus: i&#x017F;t<lb/>
die Gebirgsmauer dort für Nichts himmelan gebaut? Das jen&#x017F;eits<lb/>
gehört denen in Byzantium, und von Rechtswegen; griechi&#x017F;che Li&#x017F;t<lb/>
wird dort eher fertig als deut&#x017F;che Kraft; aber die Nachfolgenden haben<lb/>
nichts zu thun, als des großen Karl Irrthum ewig zu machen. Was<lb/>
er Vernünftiges gewie&#x017F;en, haben &#x017F;ie mit Füßen getreten, in O&#x017F;t und<lb/>
Nord war vollauf zu thun, aber nach Wel&#x017F;chland muß gerannt wer-<lb/>
den, als &#x017F;äß in den Bergen hinter Rom der große Magnet&#x017F;tein. Ich<lb/>
hab' oft drüber nachgedacht, was uns in die fal&#x017F;che Bahn gewie&#x017F;en; &#x2014;<lb/>
wenn's nicht der Teufel i&#x017F;t, kann's nur der gute Wein &#x017F;ein.<note xml:id="ed148" next="#edt148" place="end" n="148)"/></p><lb/>
        <p>Ekkehard war betrübt geworden ob des Alten Reden. Der &#x017F;chien<lb/>
es zu merken. Laßt Euch nicht anfechten, was ein Begrabener &#x017F;agt,<lb/>
&#x017F;prach er zu ihm, wir in der Heidenhöhle machen's nicht anders, aber<lb/>
die Wahrheit hat &#x017F;chon manchesmal in Höhlen gehaust, wenn draußen<lb/>
der Un&#x017F;inn mit großen Schritten durch's Land ging.</p><lb/>
        <p>Ein Begrabener? &#x017F;prach Ekkehard fragend.</p><lb/>
        <p>Deßhalb könnt Ihr doch mit ihm an&#x017F;toßen, &#x017F;prach der Alte &#x017F;cher-<lb/>
zend. 's war nöthig, daß ich vor der Welt ge&#x017F;torben bin, das Kopf-<lb/>
weh und die Schurken haben mich in Unehren gebracht. Braucht mich<lb/>
darum nicht &#x017F;o anzu&#x017F;ehen, Mönchlein. Setzt Euch her auf die Stein-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0163] Eckſteine ſind geſplittert, das Gebäu iſt morſch. Mit übermüthigen Herren kann kein Reich beſtehen; die gehorchen ſollen, herrſchen, und der herrſchen ſoll, muß ſchmeicheln ſtatt gebieten. Ich hab' von Einem gehört, dem haben ſeine getreuen Unterthanen den Tribut in Kieſel- ſteinen ſtatt in Silber geſchickt, und der Kopf des Grafen, der ihn heiſchen ſollte, lag dabei im Sack. Wer hat's gerächt?... Der Kaiſer, ſprach Ekkehard, zieht in Welſchland zu Felde und erwirbt großen Ruhm. O Welſchland, Welſchland! fuhr der Alte fort, das wird noch ein ſchlimmer Pfahl im deutſchen Fleiſche werden. Jenes einemal hat ſich der große Karl ... Den Gott ſegnen möge, fiel Rauching ein. ... einen blauen Dunſt vormachen laſſen. 's war ein ſchlimmer Tag, wie ſie ihm in Rom die Krone aufſetzten, und hat Keiner ge- lacht, wie der auf Petri Stuhl. Der hat uns nöthig gehabt — aber was haben wir mit Welſchland zu ſchaffen? Schaut hinaus: iſt die Gebirgsmauer dort für Nichts himmelan gebaut? Das jenſeits gehört denen in Byzantium, und von Rechtswegen; griechiſche Liſt wird dort eher fertig als deutſche Kraft; aber die Nachfolgenden haben nichts zu thun, als des großen Karl Irrthum ewig zu machen. Was er Vernünftiges gewieſen, haben ſie mit Füßen getreten, in Oſt und Nord war vollauf zu thun, aber nach Welſchland muß gerannt wer- den, als ſäß in den Bergen hinter Rom der große Magnetſtein. Ich hab' oft drüber nachgedacht, was uns in die falſche Bahn gewieſen; — wenn's nicht der Teufel iſt, kann's nur der gute Wein ſein. ¹⁴⁸⁾ Ekkehard war betrübt geworden ob des Alten Reden. Der ſchien es zu merken. Laßt Euch nicht anfechten, was ein Begrabener ſagt, ſprach er zu ihm, wir in der Heidenhöhle machen's nicht anders, aber die Wahrheit hat ſchon manchesmal in Höhlen gehaust, wenn draußen der Unſinn mit großen Schritten durch's Land ging. Ein Begrabener? ſprach Ekkehard fragend. Deßhalb könnt Ihr doch mit ihm anſtoßen, ſprach der Alte ſcher- zend. 's war nöthig, daß ich vor der Welt geſtorben bin, das Kopf- weh und die Schurken haben mich in Unehren gebracht. Braucht mich darum nicht ſo anzuſehen, Mönchlein. Setzt Euch her auf die Stein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/163
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/163>, abgerufen am 06.05.2024.