Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Heribald hörte nicht auf den seltsamen Reitersmann. Die Wald-
frau war von ihrem Wagen heruntergesprungen und trat vor Ellak;
grinsend schaute sie nach dem Mönch: Ich hab' nach den Sternen ge-
schaut, rief sie, von kahlgeschorenen Männern droht uns Unheil. Ihr
sollt zur Abwendung diesen Elenden an des Klosters Pforte aufhän-
gen lassen, mit dem Gesicht nach dem Gebirg gewendet!

Knüpft ihn auf! riefen Viele im Haufen, die der Waldfrau Ge-
berden verstanden.

Ellak hatte sich wieder zu Erica hinüber gewendet: Dies Unge-
heuer hat auch Grundsätze, sprach er höhnisch; es gilt seinen Tod und
er weigert das Knie zu beugen. Lassen wir ihn aufknüpfen, Blume
der Heide?

Heribald's Leben hing an schwachen Fäden. Er sah rings die un-
heimlichen Gesichter, sein blöder Muth begann zu schwinden, das Weinen
stand ihm nah, aber ein richtiger Zug liegt auch im Thörigsten zur
Stunde der Gefahr -- wie ein Stern glänzte ihm der Heideblume
rothwangig Antlitz herüber, da sprang er mit angstvollen Schritten
durch's Getümmel zu Erica. Vor ihr kam's ihm nicht schwer zu
knien, ihr Liebreiz schuf ihm Vertrauen, mit ausgestreckten Armen
flehte er um Schutz.

Seht, seht, rief die Heideblume, der Mann der Insel ist nicht
so thörig als er ausschaut. Er kniet lieber vor Erica als vor der
grünrothen Fahne. Sie sah gnädig auf den Mitleidswerthen, sprang
vom Roß, und streichelte ihn wie ein halbwild Thier. Fürcht' dich
nicht, sprach sie, du sollst am Leben bleiben, alter Schwarzrock! und
Heribald las aus ihren Augen, daß ihre Versicherung ernst war. Er
deutete nach der Waldfrau, die ihm am Meisten bang gemacht; Erica
schüttelte das Haupt: Die darf dir nichts thun! Da sprang Heribald
wohlgemuth an die Mauer, Frührosen blüthen dort und Flieder, schnell
riß er etlich Gezweig ab und reichte es der hunnischen Maid. Schal-
lender Jubel hob sich im Klosterhof:174) der Heideblume Heil! riefen
sie und klirrten mit den Waffen. Schrei mit! raunte der Mann
von Ellwangen dem Geretteten zu -- itzt hub auch Heribald seine
Stimme und rief ein heiseres Heil! Thränen standen ihm im Aug'.

Die Hunnen sattelten ab. Wie die Meute der Hunde am Abend
der Jagd des Augenblicks harrt, wo der ausgeweidete Hirsch ihnen

Heribald hörte nicht auf den ſeltſamen Reitersmann. Die Wald-
frau war von ihrem Wagen heruntergeſprungen und trat vor Ellak;
grinſend ſchaute ſie nach dem Mönch: Ich hab' nach den Sternen ge-
ſchaut, rief ſie, von kahlgeſchorenen Männern droht uns Unheil. Ihr
ſollt zur Abwendung dieſen Elenden an des Kloſters Pforte aufhän-
gen laſſen, mit dem Geſicht nach dem Gebirg gewendet!

Knüpft ihn auf! riefen Viele im Haufen, die der Waldfrau Ge-
berden verſtanden.

Ellak hatte ſich wieder zu Erica hinüber gewendet: Dies Unge-
heuer hat auch Grundſätze, ſprach er höhniſch; es gilt ſeinen Tod und
er weigert das Knie zu beugen. Laſſen wir ihn aufknüpfen, Blume
der Heide?

Heribald's Leben hing an ſchwachen Fäden. Er ſah rings die un-
heimlichen Geſichter, ſein blöder Muth begann zu ſchwinden, das Weinen
ſtand ihm nah, aber ein richtiger Zug liegt auch im Thörigſten zur
Stunde der Gefahr — wie ein Stern glänzte ihm der Heideblume
rothwangig Antlitz herüber, da ſprang er mit angſtvollen Schritten
durch's Getümmel zu Erica. Vor ihr kam's ihm nicht ſchwer zu
knien, ihr Liebreiz ſchuf ihm Vertrauen, mit ausgeſtreckten Armen
flehte er um Schutz.

Seht, ſeht, rief die Heideblume, der Mann der Inſel iſt nicht
ſo thörig als er ausſchaut. Er kniet lieber vor Erica als vor der
grünrothen Fahne. Sie ſah gnädig auf den Mitleidswerthen, ſprang
vom Roß, und ſtreichelte ihn wie ein halbwild Thier. Fürcht' dich
nicht, ſprach ſie, du ſollſt am Leben bleiben, alter Schwarzrock! und
Heribald las aus ihren Augen, daß ihre Verſicherung ernſt war. Er
deutete nach der Waldfrau, die ihm am Meiſten bang gemacht; Erica
ſchüttelte das Haupt: Die darf dir nichts thun! Da ſprang Heribald
wohlgemuth an die Mauer, Frühroſen blüthen dort und Flieder, ſchnell
riß er etlich Gezweig ab und reichte es der hunniſchen Maid. Schal-
lender Jubel hob ſich im Kloſterhof:174) der Heideblume Heil! riefen
ſie und klirrten mit den Waffen. Schrei mit! raunte der Mann
von Ellwangen dem Geretteten zu — itzt hub auch Heribald ſeine
Stimme und rief ein heiſeres Heil! Thränen ſtanden ihm im Aug'.

Die Hunnen ſattelten ab. Wie die Meute der Hunde am Abend
der Jagd des Augenblicks harrt, wo der ausgeweidete Hirſch ihnen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0194" n="172"/>
        <p>Heribald hörte nicht auf den &#x017F;elt&#x017F;amen Reitersmann. Die Wald-<lb/>
frau war von ihrem Wagen herunterge&#x017F;prungen und trat vor Ellak;<lb/>
grin&#x017F;end &#x017F;chaute &#x017F;ie nach dem Mönch: Ich hab' nach den Sternen ge-<lb/>
&#x017F;chaut, rief &#x017F;ie, von kahlge&#x017F;chorenen Männern droht uns Unheil. Ihr<lb/>
&#x017F;ollt zur Abwendung die&#x017F;en Elenden an des Klo&#x017F;ters Pforte aufhän-<lb/>
gen la&#x017F;&#x017F;en, mit dem Ge&#x017F;icht nach dem Gebirg gewendet!</p><lb/>
        <p>Knüpft ihn auf! riefen Viele im Haufen, die der Waldfrau Ge-<lb/>
berden ver&#x017F;tanden.</p><lb/>
        <p>Ellak hatte &#x017F;ich wieder zu Erica hinüber gewendet: Dies Unge-<lb/>
heuer hat auch Grund&#x017F;ätze, &#x017F;prach er höhni&#x017F;ch; es gilt &#x017F;einen Tod und<lb/>
er weigert das Knie zu beugen. La&#x017F;&#x017F;en wir ihn aufknüpfen, Blume<lb/>
der Heide?</p><lb/>
        <p>Heribald's Leben hing an &#x017F;chwachen Fäden. Er &#x017F;ah rings die un-<lb/>
heimlichen Ge&#x017F;ichter, &#x017F;ein blöder Muth begann zu &#x017F;chwinden, das Weinen<lb/>
&#x017F;tand ihm nah, aber ein richtiger Zug liegt auch im Thörig&#x017F;ten zur<lb/>
Stunde der Gefahr &#x2014; wie ein Stern glänzte ihm der Heideblume<lb/>
rothwangig Antlitz herüber, da &#x017F;prang er mit ang&#x017F;tvollen Schritten<lb/>
durch's Getümmel zu Erica. Vor ihr kam's ihm nicht &#x017F;chwer zu<lb/>
knien, ihr Liebreiz &#x017F;chuf ihm Vertrauen, mit ausge&#x017F;treckten Armen<lb/>
flehte er um Schutz.</p><lb/>
        <p>Seht, &#x017F;eht, rief die Heideblume, der Mann der In&#x017F;el i&#x017F;t nicht<lb/>
&#x017F;o thörig als er aus&#x017F;chaut. Er kniet lieber vor Erica als vor der<lb/>
grünrothen Fahne. Sie &#x017F;ah gnädig auf den Mitleidswerthen, &#x017F;prang<lb/>
vom Roß, und &#x017F;treichelte ihn wie ein halbwild Thier. Fürcht' dich<lb/>
nicht, &#x017F;prach &#x017F;ie, du &#x017F;oll&#x017F;t am Leben bleiben, alter Schwarzrock! und<lb/>
Heribald las aus ihren Augen, daß ihre Ver&#x017F;icherung ern&#x017F;t war. Er<lb/>
deutete nach der Waldfrau, die ihm am Mei&#x017F;ten bang gemacht; Erica<lb/>
&#x017F;chüttelte das Haupt: Die darf dir nichts thun! Da &#x017F;prang Heribald<lb/>
wohlgemuth an die Mauer, Frühro&#x017F;en blüthen dort und Flieder, &#x017F;chnell<lb/>
riß er etlich Gezweig ab und reichte es der hunni&#x017F;chen Maid. Schal-<lb/>
lender Jubel hob &#x017F;ich im Klo&#x017F;terhof:<note xml:id="ed174" next="#edt174" place="end" n="174)"/> der Heideblume Heil! riefen<lb/>
&#x017F;ie und klirrten mit den Waffen. Schrei mit! raunte der Mann<lb/>
von Ellwangen dem Geretteten zu &#x2014; itzt hub auch Heribald &#x017F;eine<lb/>
Stimme und rief ein hei&#x017F;eres Heil! Thränen &#x017F;tanden ihm im Aug'.</p><lb/>
        <p>Die Hunnen &#x017F;attelten ab. Wie die Meute der Hunde am Abend<lb/>
der Jagd des Augenblicks harrt, wo der ausgeweidete Hir&#x017F;ch ihnen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0194] Heribald hörte nicht auf den ſeltſamen Reitersmann. Die Wald- frau war von ihrem Wagen heruntergeſprungen und trat vor Ellak; grinſend ſchaute ſie nach dem Mönch: Ich hab' nach den Sternen ge- ſchaut, rief ſie, von kahlgeſchorenen Männern droht uns Unheil. Ihr ſollt zur Abwendung dieſen Elenden an des Kloſters Pforte aufhän- gen laſſen, mit dem Geſicht nach dem Gebirg gewendet! Knüpft ihn auf! riefen Viele im Haufen, die der Waldfrau Ge- berden verſtanden. Ellak hatte ſich wieder zu Erica hinüber gewendet: Dies Unge- heuer hat auch Grundſätze, ſprach er höhniſch; es gilt ſeinen Tod und er weigert das Knie zu beugen. Laſſen wir ihn aufknüpfen, Blume der Heide? Heribald's Leben hing an ſchwachen Fäden. Er ſah rings die un- heimlichen Geſichter, ſein blöder Muth begann zu ſchwinden, das Weinen ſtand ihm nah, aber ein richtiger Zug liegt auch im Thörigſten zur Stunde der Gefahr — wie ein Stern glänzte ihm der Heideblume rothwangig Antlitz herüber, da ſprang er mit angſtvollen Schritten durch's Getümmel zu Erica. Vor ihr kam's ihm nicht ſchwer zu knien, ihr Liebreiz ſchuf ihm Vertrauen, mit ausgeſtreckten Armen flehte er um Schutz. Seht, ſeht, rief die Heideblume, der Mann der Inſel iſt nicht ſo thörig als er ausſchaut. Er kniet lieber vor Erica als vor der grünrothen Fahne. Sie ſah gnädig auf den Mitleidswerthen, ſprang vom Roß, und ſtreichelte ihn wie ein halbwild Thier. Fürcht' dich nicht, ſprach ſie, du ſollſt am Leben bleiben, alter Schwarzrock! und Heribald las aus ihren Augen, daß ihre Verſicherung ernſt war. Er deutete nach der Waldfrau, die ihm am Meiſten bang gemacht; Erica ſchüttelte das Haupt: Die darf dir nichts thun! Da ſprang Heribald wohlgemuth an die Mauer, Frühroſen blüthen dort und Flieder, ſchnell riß er etlich Gezweig ab und reichte es der hunniſchen Maid. Schal- lender Jubel hob ſich im Kloſterhof: ¹⁷⁴⁾ der Heideblume Heil! riefen ſie und klirrten mit den Waffen. Schrei mit! raunte der Mann von Ellwangen dem Geretteten zu — itzt hub auch Heribald ſeine Stimme und rief ein heiſeres Heil! Thränen ſtanden ihm im Aug'. Die Hunnen ſattelten ab. Wie die Meute der Hunde am Abend der Jagd des Augenblicks harrt, wo der ausgeweidete Hirſch ihnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/194
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/194>, abgerufen am 07.05.2024.