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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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daß es geweiht und gefeit sei durch die vaterländische Erde,185) --
dann ging's in Kampf.

Die von Sanct Gallen stimmten den frommen Schlachtgesang
media vita an. Notker der Stammler war dereinst durch die Schluchten
beim heimischen Martistobel gestiegen, sie wölbten einen Brückenbogen
herüber, über schwindelnder Tiefe schwebten die Bauleute, da stand es
als Bild vor seiner Seele, wie zu unserem Leben jeden Augenblickes
des Todes Abgrund aufgähnt, und er dichtete das Lied. Jetzt galt's
als Zaubersang, Schirm eigenen Lebens, Untergang dem Feinde.

Dumpf klang's von den anrückenden Männern in die Hunnen-
schlacht:

Ach, unser Leben ist nur halbes Leben!
Des Todes Boten ständig uns umschweben.
Wen mögen wir als Helfer uns erfleh'n,
Als dich, o Herr! den Richter der Vergeh'n?
Heiliger Gott!

und vom andern Flügel sangen die Reichenauer Mönche entgegen:

Dein harrten unsre Väter schon mit Sehnen,
Und du erlöstest sie von ihren Thränen,
Zu dir hinauf erging ihr Schrei'n und Rufen,
Du warfst sie nicht von deines Thrones Stufen.
Starker Gott!

und von rechts und links klang's zusammen -- schon tönte Schwert-
hieb und dumpfer Fall Getroffener dazwischen:

Verlaß uns nicht, wenn Unkraft uns befallen,
Wenn unser Muth entfleucht, sei Stab uns Allen:
O gib uns nicht dem bittern Tod zum Raube,
Barmherz'ger Gott, du unser Hort und Glaube!
Heiliger Gott, heiliger starker Gott!
Heiliger barmherziger Gott, erbarme dich unser!186)

So standen sie im Handgemeng. Staunig hatten die Hunnen die
herannahenden dunkeln Schaaren erschaut, Geheul und der zischende
teuflische Ruf: hui! hui!187) war ihre Antwort auf die media vita,
auch Ellak theilte seine Reiter zum Angriff und ringsum tobte der
Kampf. Drein gespornte Rosse durchbrachen das schwache Häuflein

daß es geweiht und gefeit ſei durch die vaterländiſche Erde,185)
dann ging's in Kampf.

Die von Sanct Gallen ſtimmten den frommen Schlachtgeſang
media vita an. Notker der Stammler war dereinſt durch die Schluchten
beim heimiſchen Martistobel geſtiegen, ſie wölbten einen Brückenbogen
herüber, über ſchwindelnder Tiefe ſchwebten die Bauleute, da ſtand es
als Bild vor ſeiner Seele, wie zu unſerem Leben jeden Augenblickes
des Todes Abgrund aufgähnt, und er dichtete das Lied. Jetzt galt's
als Zauberſang, Schirm eigenen Lebens, Untergang dem Feinde.

Dumpf klang's von den anrückenden Männern in die Hunnen-
ſchlacht:

Ach, unſer Leben iſt nur halbes Leben!
Des Todes Boten ſtändig uns umſchweben.
Wen mögen wir als Helfer uns erfleh'n,
Als dich, o Herr! den Richter der Vergeh'n?
Heiliger Gott!

und vom andern Flügel ſangen die Reichenauer Mönche entgegen:

Dein harrten unſre Väter ſchon mit Sehnen,
Und du erlösteſt ſie von ihren Thränen,
Zu dir hinauf erging ihr Schrei'n und Rufen,
Du warfſt ſie nicht von deines Thrones Stufen.
Starker Gott!

und von rechts und links klang's zuſammen — ſchon tönte Schwert-
hieb und dumpfer Fall Getroffener dazwiſchen:

Verlaß uns nicht, wenn Unkraft uns befallen,
Wenn unſer Muth entfleucht, ſei Stab uns Allen:
O gib uns nicht dem bittern Tod zum Raube,
Barmherz'ger Gott, du unſer Hort und Glaube!
Heiliger Gott, heiliger ſtarker Gott!
Heiliger barmherziger Gott, erbarme dich unſer!186)

So ſtanden ſie im Handgemeng. Staunig hatten die Hunnen die
herannahenden dunkeln Schaaren erſchaut, Geheul und der ziſchende
teufliſche Ruf: hui! hui!187) war ihre Antwort auf die media vita,
auch Ellak theilte ſeine Reiter zum Angriff und ringsum tobte der
Kampf. Drein geſpornte Roſſe durchbrachen das ſchwache Häuflein

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[189/0211] daß es geweiht und gefeit ſei durch die vaterländiſche Erde, ¹⁸⁵⁾ — dann ging's in Kampf. Die von Sanct Gallen ſtimmten den frommen Schlachtgeſang media vita an. Notker der Stammler war dereinſt durch die Schluchten beim heimiſchen Martistobel geſtiegen, ſie wölbten einen Brückenbogen herüber, über ſchwindelnder Tiefe ſchwebten die Bauleute, da ſtand es als Bild vor ſeiner Seele, wie zu unſerem Leben jeden Augenblickes des Todes Abgrund aufgähnt, und er dichtete das Lied. Jetzt galt's als Zauberſang, Schirm eigenen Lebens, Untergang dem Feinde. Dumpf klang's von den anrückenden Männern in die Hunnen- ſchlacht: Ach, unſer Leben iſt nur halbes Leben! Des Todes Boten ſtändig uns umſchweben. Wen mögen wir als Helfer uns erfleh'n, Als dich, o Herr! den Richter der Vergeh'n? Heiliger Gott! und vom andern Flügel ſangen die Reichenauer Mönche entgegen: Dein harrten unſre Väter ſchon mit Sehnen, Und du erlösteſt ſie von ihren Thränen, Zu dir hinauf erging ihr Schrei'n und Rufen, Du warfſt ſie nicht von deines Thrones Stufen. Starker Gott! und von rechts und links klang's zuſammen — ſchon tönte Schwert- hieb und dumpfer Fall Getroffener dazwiſchen: Verlaß uns nicht, wenn Unkraft uns befallen, Wenn unſer Muth entfleucht, ſei Stab uns Allen: O gib uns nicht dem bittern Tod zum Raube, Barmherz'ger Gott, du unſer Hort und Glaube! Heiliger Gott, heiliger ſtarker Gott! Heiliger barmherziger Gott, erbarme dich unſer! ¹⁸⁶⁾ So ſtanden ſie im Handgemeng. Staunig hatten die Hunnen die herannahenden dunkeln Schaaren erſchaut, Geheul und der ziſchende teufliſche Ruf: hui! hui! ¹⁸⁷⁾ war ihre Antwort auf die media vita, auch Ellak theilte ſeine Reiter zum Angriff und ringsum tobte der Kampf. Drein geſpornte Roſſe durchbrachen das ſchwache Häuflein

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/211>, abgerufen am 28.04.2024.