Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

gedachte sie sogleich dessen Schicksal zu gestalten. Der Hunn' hatte im
Garten Proben einer löblichen Kunst abgelegt; er wußte dem treulos
unterirdischen Wühlen der Maulwürfe Einhalt zu thun -- mit einge-
bogenen Weidenruthen, dran er eine Schlinge festigte, hatte er manchem
der schwarzen Gesellen ein unerwünscht Lebensend' bereitet, aufgeschnellt
baumelten sie im gleichen Augenblick zu Sonnenlicht, Galgen und
Tod empor. Auch flocht er aus Draht treffliche Fallen der Mäuse
und zeigte sich in Allem, was niedere und niederste Jagd angeht,
wohlerfahren.

Wir weisen ihm etliche Huben Landes drüben am Stofflerberge
zu, sprach Frau Hadwig. Als Frohn- und Felddienst soll er dafür
den Krieg gegen alles saatverderbende Gethier führen, soweit unser
Twing und Bann reicht. Und wenn die lange Friderun Gefallen an
ihm hat, mag sie ihn nehmen; es wird schwerlich schon eine andere
aus den Jungfrauen unseres Landes ein Aug' auf ihn geworfen
haben.

Sie gab Ekkehard die Weisung den Gefangenen vorzubereiten, daß
er seines Heidenthums ledig in die christliche Gemeinschaft aufge-
nommen werden möge. Der schüttelte zwar bedenklich das Haupt,
aber Frau Hadwig sprach: Der Wille muß für das gut sein, was
an der Einsicht abgeht; den Unterricht möget ihr kurz halten, so viel
als den Sachsen, die der große Karl in die Weser treiben ließ,
wird ihm auch deutlich werden.

Ekkehard that wie ihm geheißen und seine Lehre fiel auf gutes
Erdreich. Cappan hatte auf seinen Heerzügen manch ein deutsches
Wort aufgelesen, und hatte wie all seine Landsleute einen eigenen Sinn
zu errathen, was Anderer Absicht, auch wenn die Sprache nicht ganz
verstanden ward. Zeichen und Bild ergänzte Vieles; wenn Ekkehard
vor ihm saß, das metallbeschlagene Evangelienbuch mit den goldge-
malten Buchstaben aufgeschlagen, und gen Himmel deutete, so wußte
der Hunn', wovon die Rede, das Abbild des Teufels verstand er und
gab in Geberden kund, daß der zu verabscheuen sei, vor dem Zeichen
des Kreuzes warf er sich, wie er von Andern gesehen, in die Kniee.
So gedieh der Unterricht.

Wie Cappan seinerseits sich auszudrücken vermochte, stellte sich
freilich heraus, daß seine Vergangenheit eine sehr schlimme. Er nickte

gedachte ſie ſogleich deſſen Schickſal zu geſtalten. Der Hunn' hatte im
Garten Proben einer löblichen Kunſt abgelegt; er wußte dem treulos
unterirdiſchen Wühlen der Maulwürfe Einhalt zu thun — mit einge-
bogenen Weidenruthen, dran er eine Schlinge feſtigte, hatte er manchem
der ſchwarzen Geſellen ein unerwünſcht Lebensend' bereitet, aufgeſchnellt
baumelten ſie im gleichen Augenblick zu Sonnenlicht, Galgen und
Tod empor. Auch flocht er aus Draht treffliche Fallen der Mäuſe
und zeigte ſich in Allem, was niedere und niederſte Jagd angeht,
wohlerfahren.

Wir weiſen ihm etliche Huben Landes drüben am Stofflerberge
zu, ſprach Frau Hadwig. Als Frohn- und Felddienſt ſoll er dafür
den Krieg gegen alles ſaatverderbende Gethier führen, ſoweit unſer
Twing und Bann reicht. Und wenn die lange Friderun Gefallen an
ihm hat, mag ſie ihn nehmen; es wird ſchwerlich ſchon eine andere
aus den Jungfrauen unſeres Landes ein Aug' auf ihn geworfen
haben.

Sie gab Ekkehard die Weiſung den Gefangenen vorzubereiten, daß
er ſeines Heidenthums ledig in die chriſtliche Gemeinſchaft aufge-
nommen werden möge. Der ſchüttelte zwar bedenklich das Haupt,
aber Frau Hadwig ſprach: Der Wille muß für das gut ſein, was
an der Einſicht abgeht; den Unterricht möget ihr kurz halten, ſo viel
als den Sachſen, die der große Karl in die Weſer treiben ließ,
wird ihm auch deutlich werden.

Ekkehard that wie ihm geheißen und ſeine Lehre fiel auf gutes
Erdreich. Cappan hatte auf ſeinen Heerzügen manch ein deutſches
Wort aufgeleſen, und hatte wie all ſeine Landsleute einen eigenen Sinn
zu errathen, was Anderer Abſicht, auch wenn die Sprache nicht ganz
verſtanden ward. Zeichen und Bild ergänzte Vieles; wenn Ekkehard
vor ihm ſaß, das metallbeſchlagene Evangelienbuch mit den goldge-
malten Buchſtaben aufgeſchlagen, und gen Himmel deutete, ſo wußte
der Hunn', wovon die Rede, das Abbild des Teufels verſtand er und
gab in Geberden kund, daß der zu verabſcheuen ſei, vor dem Zeichen
des Kreuzes warf er ſich, wie er von Andern geſehen, in die Kniee.
So gedieh der Unterricht.

Wie Cappan ſeinerſeits ſich auszudrücken vermochte, ſtellte ſich
freilich heraus, daß ſeine Vergangenheit eine ſehr ſchlimme. Er nickte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0240" n="218"/>
gedachte &#x017F;ie &#x017F;ogleich de&#x017F;&#x017F;en Schick&#x017F;al zu ge&#x017F;talten. Der Hunn' hatte im<lb/>
Garten Proben einer löblichen Kun&#x017F;t abgelegt; er wußte dem treulos<lb/>
unterirdi&#x017F;chen Wühlen der Maulwürfe Einhalt zu thun &#x2014; mit einge-<lb/>
bogenen Weidenruthen, dran er eine Schlinge fe&#x017F;tigte, hatte er manchem<lb/>
der &#x017F;chwarzen Ge&#x017F;ellen ein unerwün&#x017F;cht Lebensend' bereitet, aufge&#x017F;chnellt<lb/>
baumelten &#x017F;ie im gleichen Augenblick zu Sonnenlicht, Galgen und<lb/>
Tod empor. Auch flocht er aus Draht treffliche Fallen der Mäu&#x017F;e<lb/>
und zeigte &#x017F;ich in Allem, was niedere und nieder&#x017F;te Jagd angeht,<lb/>
wohlerfahren.</p><lb/>
        <p>Wir wei&#x017F;en ihm etliche Huben Landes drüben am Stofflerberge<lb/>
zu, &#x017F;prach Frau Hadwig. Als Frohn- und Felddien&#x017F;t &#x017F;oll er dafür<lb/>
den Krieg gegen alles &#x017F;aatverderbende Gethier führen, &#x017F;oweit un&#x017F;er<lb/>
Twing und Bann reicht. Und wenn die lange Friderun Gefallen an<lb/>
ihm hat, mag &#x017F;ie ihn nehmen; es wird &#x017F;chwerlich &#x017F;chon eine andere<lb/>
aus den Jungfrauen un&#x017F;eres Landes ein Aug' auf ihn geworfen<lb/>
haben.</p><lb/>
        <p>Sie gab Ekkehard die Wei&#x017F;ung den Gefangenen vorzubereiten, daß<lb/>
er &#x017F;eines Heidenthums ledig in die chri&#x017F;tliche Gemein&#x017F;chaft aufge-<lb/>
nommen werden möge. Der &#x017F;chüttelte zwar bedenklich das Haupt,<lb/>
aber Frau Hadwig &#x017F;prach: Der Wille muß für das gut &#x017F;ein, was<lb/>
an der Ein&#x017F;icht abgeht; den Unterricht möget ihr kurz halten, &#x017F;o viel<lb/>
als den Sach&#x017F;en, die der große Karl in die We&#x017F;er treiben ließ,<lb/>
wird ihm auch deutlich werden.</p><lb/>
        <p>Ekkehard that wie ihm geheißen und &#x017F;eine Lehre fiel auf gutes<lb/>
Erdreich. Cappan hatte auf &#x017F;einen Heerzügen manch ein deut&#x017F;ches<lb/>
Wort aufgele&#x017F;en, und hatte wie all &#x017F;eine Landsleute einen eigenen Sinn<lb/>
zu errathen, was Anderer Ab&#x017F;icht, auch wenn die Sprache nicht ganz<lb/>
ver&#x017F;tanden ward. Zeichen und Bild ergänzte Vieles; wenn Ekkehard<lb/>
vor ihm &#x017F;aß, das metallbe&#x017F;chlagene Evangelienbuch mit den goldge-<lb/>
malten Buch&#x017F;taben aufge&#x017F;chlagen, und gen Himmel deutete, &#x017F;o wußte<lb/>
der Hunn', wovon die Rede, das Abbild des Teufels ver&#x017F;tand er und<lb/>
gab in Geberden kund, daß der zu verab&#x017F;cheuen &#x017F;ei, vor dem Zeichen<lb/>
des Kreuzes warf er &#x017F;ich, wie er von Andern ge&#x017F;ehen, in die Kniee.<lb/>
So gedieh der Unterricht.</p><lb/>
        <p>Wie Cappan &#x017F;einer&#x017F;eits &#x017F;ich auszudrücken vermochte, &#x017F;tellte &#x017F;ich<lb/>
freilich heraus, daß &#x017F;eine Vergangenheit eine &#x017F;ehr &#x017F;chlimme. Er nickte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0240] gedachte ſie ſogleich deſſen Schickſal zu geſtalten. Der Hunn' hatte im Garten Proben einer löblichen Kunſt abgelegt; er wußte dem treulos unterirdiſchen Wühlen der Maulwürfe Einhalt zu thun — mit einge- bogenen Weidenruthen, dran er eine Schlinge feſtigte, hatte er manchem der ſchwarzen Geſellen ein unerwünſcht Lebensend' bereitet, aufgeſchnellt baumelten ſie im gleichen Augenblick zu Sonnenlicht, Galgen und Tod empor. Auch flocht er aus Draht treffliche Fallen der Mäuſe und zeigte ſich in Allem, was niedere und niederſte Jagd angeht, wohlerfahren. Wir weiſen ihm etliche Huben Landes drüben am Stofflerberge zu, ſprach Frau Hadwig. Als Frohn- und Felddienſt ſoll er dafür den Krieg gegen alles ſaatverderbende Gethier führen, ſoweit unſer Twing und Bann reicht. Und wenn die lange Friderun Gefallen an ihm hat, mag ſie ihn nehmen; es wird ſchwerlich ſchon eine andere aus den Jungfrauen unſeres Landes ein Aug' auf ihn geworfen haben. Sie gab Ekkehard die Weiſung den Gefangenen vorzubereiten, daß er ſeines Heidenthums ledig in die chriſtliche Gemeinſchaft aufge- nommen werden möge. Der ſchüttelte zwar bedenklich das Haupt, aber Frau Hadwig ſprach: Der Wille muß für das gut ſein, was an der Einſicht abgeht; den Unterricht möget ihr kurz halten, ſo viel als den Sachſen, die der große Karl in die Weſer treiben ließ, wird ihm auch deutlich werden. Ekkehard that wie ihm geheißen und ſeine Lehre fiel auf gutes Erdreich. Cappan hatte auf ſeinen Heerzügen manch ein deutſches Wort aufgeleſen, und hatte wie all ſeine Landsleute einen eigenen Sinn zu errathen, was Anderer Abſicht, auch wenn die Sprache nicht ganz verſtanden ward. Zeichen und Bild ergänzte Vieles; wenn Ekkehard vor ihm ſaß, das metallbeſchlagene Evangelienbuch mit den goldge- malten Buchſtaben aufgeſchlagen, und gen Himmel deutete, ſo wußte der Hunn', wovon die Rede, das Abbild des Teufels verſtand er und gab in Geberden kund, daß der zu verabſcheuen ſei, vor dem Zeichen des Kreuzes warf er ſich, wie er von Andern geſehen, in die Kniee. So gedieh der Unterricht. Wie Cappan ſeinerſeits ſich auszudrücken vermochte, ſtellte ſich freilich heraus, daß ſeine Vergangenheit eine ſehr ſchlimme. Er nickte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/240
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/240>, abgerufen am 29.04.2024.