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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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reiche Schurz wallte bis zu den hochabsätzigen Schuhen, drüber prangte
der dunkle Schappelgürtel mit feiner güldfadenen Einfassung -- nur
wer die Braut erstreitet, darf ihn lösen -- jetzt griff Praxedis die
glitzernde glasperlenbehängte Krone voll farbiger Steine und Flittergold:
Heilige Mutter Gottes von Byzanzium! rief sie, muß das auch noch
aufgesteckt werden? Wenn du mit dem Kopfschmuck einherschreitest,
Friderun, werden sie in der Ferne glauben, es sei ein Festungsthurm
lebendig worden und wandle zur Trauung.

Es muß sein! sprach Friderun.

Warum muß es sein? fragte die Griechin. Ich hab' daheim manch
schmucke Braut gesehen, die trug den Myrthenkranz oder den silber-
grünen Olivenzweig in den Locken, und es war gut so. Freilich in
euren harzigen, rußigen, schwärzlichen Tannenwäldern wächst nicht
Myrthe und nicht Olive, aber Epheu wär' auch schön, Friderun?

Die drehte sich zürnend im Stuhl. Lieber ledig bleiben, sprach
sie, als mit Blatt und Gras im Haar zur Kirche gehn. Das mögt
Ihr hergelaufenem Volk rathen, aber wenn ein Hegauer Kind Hochzeit
macht, muß die Schappelkrone sein Haupt schmücken, das gilt von je her,
seit der Rhein durch den Bodensee rinnt und die Berge stehen. Wir
Schwaben sind all' ein königlich Geschlecht, hat mein Vater immer gesagt.

Euer Wille geschehe, sprach Praxedis, und heftete ihr die Flitter-
krone auf.

Die große Braut erhob sich, aber Falten lagerten über ihrer Stirn
wie ein Schatten eilenden Gewölks, der sein vorübergehend Dunkel
auf die sonnbeglänzte Ebene wirft.

Willst du jetzt schon weinen, fragte die Griechin, auf daß dir in
der Ehe die Thränen gespart werden?

Friderun machte ein ernst Gesicht und der unholde Mund zog sich
betrübt in die Länge, daß Praxedis Müh' hatte, nicht zu lachen.

Mir ist so bang, sprach die Braut des Hunnen.

Was soll dir bang machen, zukünftige Nebenbuhlerin der Tannen
am Stofflerberg?

Ich fürcht', die Burschen des Gau's thun mir einen Spuck an,
daß ich den Fremden heirathe. Wie der Klostermaier vom Schlangen-
hof die alte Wittfrau vom bregenzer Wald heimgeführt hat, sind sie
ihm in der Hochzeitnacht vor's Haus gezogen und haben mit Stier-

reiche Schurz wallte bis zu den hochabſätzigen Schuhen, drüber prangte
der dunkle Schappelgürtel mit feiner güldfadenen Einfaſſung — nur
wer die Braut erſtreitet, darf ihn löſen — jetzt griff Praxedis die
glitzernde glasperlenbehängte Krone voll farbiger Steine und Flittergold:
Heilige Mutter Gottes von Byzanzium! rief ſie, muß das auch noch
aufgeſteckt werden? Wenn du mit dem Kopfſchmuck einherſchreiteſt,
Friderun, werden ſie in der Ferne glauben, es ſei ein Feſtungsthurm
lebendig worden und wandle zur Trauung.

Es muß ſein! ſprach Friderun.

Warum muß es ſein? fragte die Griechin. Ich hab' daheim manch
ſchmucke Braut geſehen, die trug den Myrthenkranz oder den ſilber-
grünen Olivenzweig in den Locken, und es war gut ſo. Freilich in
euren harzigen, rußigen, ſchwärzlichen Tannenwäldern wächst nicht
Myrthe und nicht Olive, aber Epheu wär' auch ſchön, Friderun?

Die drehte ſich zürnend im Stuhl. Lieber ledig bleiben, ſprach
ſie, als mit Blatt und Gras im Haar zur Kirche gehn. Das mögt
Ihr hergelaufenem Volk rathen, aber wenn ein Hegauer Kind Hochzeit
macht, muß die Schappelkrone ſein Haupt ſchmücken, das gilt von je her,
ſeit der Rhein durch den Bodenſee rinnt und die Berge ſtehen. Wir
Schwaben ſind all' ein königlich Geſchlecht, hat mein Vater immer geſagt.

Euer Wille geſchehe, ſprach Praxedis, und heftete ihr die Flitter-
krone auf.

Die große Braut erhob ſich, aber Falten lagerten über ihrer Stirn
wie ein Schatten eilenden Gewölks, der ſein vorübergehend Dunkel
auf die ſonnbeglänzte Ebene wirft.

Willſt du jetzt ſchon weinen, fragte die Griechin, auf daß dir in
der Ehe die Thränen geſpart werden?

Friderun machte ein ernſt Geſicht und der unholde Mund zog ſich
betrübt in die Länge, daß Praxedis Müh' hatte, nicht zu lachen.

Mir iſt ſo bang, ſprach die Braut des Hunnen.

Was ſoll dir bang machen, zukünftige Nebenbuhlerin der Tannen
am Stofflerberg?

Ich fürcht', die Burſchen des Gau's thun mir einen Spuck an,
daß ich den Fremden heirathe. Wie der Kloſtermaier vom Schlangen-
hof die alte Wittfrau vom bregenzer Wald heimgeführt hat, ſind ſie
ihm in der Hochzeitnacht vor's Haus gezogen und haben mit Stier-

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[221/0243] reiche Schurz wallte bis zu den hochabſätzigen Schuhen, drüber prangte der dunkle Schappelgürtel mit feiner güldfadenen Einfaſſung — nur wer die Braut erſtreitet, darf ihn löſen — jetzt griff Praxedis die glitzernde glasperlenbehängte Krone voll farbiger Steine und Flittergold: Heilige Mutter Gottes von Byzanzium! rief ſie, muß das auch noch aufgeſteckt werden? Wenn du mit dem Kopfſchmuck einherſchreiteſt, Friderun, werden ſie in der Ferne glauben, es ſei ein Feſtungsthurm lebendig worden und wandle zur Trauung. Es muß ſein! ſprach Friderun. Warum muß es ſein? fragte die Griechin. Ich hab' daheim manch ſchmucke Braut geſehen, die trug den Myrthenkranz oder den ſilber- grünen Olivenzweig in den Locken, und es war gut ſo. Freilich in euren harzigen, rußigen, ſchwärzlichen Tannenwäldern wächst nicht Myrthe und nicht Olive, aber Epheu wär' auch ſchön, Friderun? Die drehte ſich zürnend im Stuhl. Lieber ledig bleiben, ſprach ſie, als mit Blatt und Gras im Haar zur Kirche gehn. Das mögt Ihr hergelaufenem Volk rathen, aber wenn ein Hegauer Kind Hochzeit macht, muß die Schappelkrone ſein Haupt ſchmücken, das gilt von je her, ſeit der Rhein durch den Bodenſee rinnt und die Berge ſtehen. Wir Schwaben ſind all' ein königlich Geſchlecht, hat mein Vater immer geſagt. Euer Wille geſchehe, ſprach Praxedis, und heftete ihr die Flitter- krone auf. Die große Braut erhob ſich, aber Falten lagerten über ihrer Stirn wie ein Schatten eilenden Gewölks, der ſein vorübergehend Dunkel auf die ſonnbeglänzte Ebene wirft. Willſt du jetzt ſchon weinen, fragte die Griechin, auf daß dir in der Ehe die Thränen geſpart werden? Friderun machte ein ernſt Geſicht und der unholde Mund zog ſich betrübt in die Länge, daß Praxedis Müh' hatte, nicht zu lachen. Mir iſt ſo bang, ſprach die Braut des Hunnen. Was ſoll dir bang machen, zukünftige Nebenbuhlerin der Tannen am Stofflerberg? Ich fürcht', die Burſchen des Gau's thun mir einen Spuck an, daß ich den Fremden heirathe. Wie der Kloſtermaier vom Schlangen- hof die alte Wittfrau vom bregenzer Wald heimgeführt hat, ſind ſie ihm in der Hochzeitnacht vor's Haus gezogen und haben mit Stier-

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/243>, abgerufen am 29.04.2024.