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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Höfen; itzt zogen sie nach dem Gütlein am Fuß des hohen Stoffeln,
das erste Feuer zur Einweihung des neuen Heerdes anzuzünden und
das Hochzeitfest zu feiern. Voraus im Zug wurde auf bekränztem
Wagen der Brautschatz geführt; da fehlte die große Bettstatt von Tan-
nenbrettern nicht, Rosen und Trudenfüße als Abwehr von Alp und
Wichtelmännern und andern nächtlichen Unholden waren drauf gemalt;
-- an Kisten und Kasten folgte ein mannigfacher Hausrath.

Die Ehrenmägde trugen die Kunkel mit angelegtem Flachs und
den schön gezierten Brautbesen von weißen Reisern, einfache Sinn-
bilder von Fleiß und Ordnung für's künftige Hauswesen.

An Jauchzen und Jubelruf ließen es die Geleitsmänner nicht fehlen;
dem Cappan aber war's zu Sinn, als hätten die Fluthen der Taufe
in früher Morgenstund alle Erinnerung weggespült, daß er je streifend
und schweifend ein Roß getummelt, er schritt ehrsam und bürgerlich
mit Schwägern und Schwiegern, als wär' er von Jugend ein Frohn-
vogt oder Schultheiß im Hegau gewesen.

Noch war der Lärm der bergab Ziehenden nicht verklungen, da traten
zwei schmucke Bursche vor die Herzogin und ihre klösterlichen Gäste, des
Schaffners auf der kaiserlichen Burg Bodmann Söhne und Friderun's Ge-
vattern. Sie kamen als Hochzeitbitter, jeder eine gelbe Schlüsselblume
hinter's Ohr gesteckt und einen Strauß am zwilchenen Gewand.

Verlegen blieben sie unter des Saales Eingang stehen, die Her-
zogin winkte, da traten sie etliche Schritte vor, dann noch etliche, und
scharrten eine Verbeugung und sprachen den altherkömmlichen Ladspruch
zum Ehrentag ihrer Base, und baten ihnen hinüberzufolgen über Weg
und Steg, über Gassen und Straßen, Brück und Wasser zum Hoch-
zeithaus; dort werd' man auftragen ein Kraut und Brod, wie selbes
geschaffen der allmächtige Gott, ein Faß werd' rinnen und Geigen
drein klingen, ein Tanzen und Springen, Jubiliren und Singen.
Wir bitten Euch, laßt zwei schlechte Boten sein für einen guten, ge-
lobt sei Jesus Christ! so schloß ihr Spruch, und ohne den Bescheid zu
erwarten, scharrten sie die zweite Verbeugung und enteilten.

Erweisen wir unserm jüngsten christlichen Unterthan die Ehre des
Besuchs? fragte Frau Hadwig heiter. Die Gäste wußten, daß auf
Fragen, die sie so freundlich stellte, keine Verneinung zieme. Da
ritten sie des Nachmittags hinüber. Auch Rudimann der Abgesandte

Höfen; itzt zogen ſie nach dem Gütlein am Fuß des hohen Stoffeln,
das erſte Feuer zur Einweihung des neuen Heerdes anzuzünden und
das Hochzeitfeſt zu feiern. Voraus im Zug wurde auf bekränztem
Wagen der Brautſchatz geführt; da fehlte die große Bettſtatt von Tan-
nenbrettern nicht, Roſen und Trudenfüße als Abwehr von Alp und
Wichtelmännern und andern nächtlichen Unholden waren drauf gemalt;
— an Kiſten und Kaſten folgte ein mannigfacher Hausrath.

Die Ehrenmägde trugen die Kunkel mit angelegtem Flachs und
den ſchön gezierten Brautbeſen von weißen Reiſern, einfache Sinn-
bilder von Fleiß und Ordnung für's künftige Hausweſen.

An Jauchzen und Jubelruf ließen es die Geleitsmänner nicht fehlen;
dem Cappan aber war's zu Sinn, als hätten die Fluthen der Taufe
in früher Morgenſtund alle Erinnerung weggeſpült, daß er je ſtreifend
und ſchweifend ein Roß getummelt, er ſchritt ehrſam und bürgerlich
mit Schwägern und Schwiegern, als wär' er von Jugend ein Frohn-
vogt oder Schultheiß im Hegau geweſen.

Noch war der Lärm der bergab Ziehenden nicht verklungen, da traten
zwei ſchmucke Burſche vor die Herzogin und ihre klöſterlichen Gäſte, des
Schaffners auf der kaiſerlichen Burg Bodmann Söhne und Friderun's Ge-
vattern. Sie kamen als Hochzeitbitter, jeder eine gelbe Schlüſſelblume
hinter's Ohr geſteckt und einen Strauß am zwilchenen Gewand.

Verlegen blieben ſie unter des Saales Eingang ſtehen, die Her-
zogin winkte, da traten ſie etliche Schritte vor, dann noch etliche, und
ſcharrten eine Verbeugung und ſprachen den altherkömmlichen Ladſpruch
zum Ehrentag ihrer Baſe, und baten ihnen hinüberzufolgen über Weg
und Steg, über Gaſſen und Straßen, Brück und Waſſer zum Hoch-
zeithaus; dort werd' man auftragen ein Kraut und Brod, wie ſelbes
geſchaffen der allmächtige Gott, ein Faß werd' rinnen und Geigen
drein klingen, ein Tanzen und Springen, Jubiliren und Singen.
Wir bitten Euch, laßt zwei ſchlechte Boten ſein für einen guten, ge-
lobt ſei Jeſus Chriſt! ſo ſchloß ihr Spruch, und ohne den Beſcheid zu
erwarten, ſcharrten ſie die zweite Verbeugung und enteilten.

Erweiſen wir unſerm jüngſten chriſtlichen Unterthan die Ehre des
Beſuchs? fragte Frau Hadwig heiter. Die Gäſte wußten, daß auf
Fragen, die ſie ſo freundlich ſtellte, keine Verneinung zieme. Da
ritten ſie des Nachmittags hinüber. Auch Rudimann der Abgeſandte

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[223/0245] Höfen; itzt zogen ſie nach dem Gütlein am Fuß des hohen Stoffeln, das erſte Feuer zur Einweihung des neuen Heerdes anzuzünden und das Hochzeitfeſt zu feiern. Voraus im Zug wurde auf bekränztem Wagen der Brautſchatz geführt; da fehlte die große Bettſtatt von Tan- nenbrettern nicht, Roſen und Trudenfüße als Abwehr von Alp und Wichtelmännern und andern nächtlichen Unholden waren drauf gemalt; — an Kiſten und Kaſten folgte ein mannigfacher Hausrath. Die Ehrenmägde trugen die Kunkel mit angelegtem Flachs und den ſchön gezierten Brautbeſen von weißen Reiſern, einfache Sinn- bilder von Fleiß und Ordnung für's künftige Hausweſen. An Jauchzen und Jubelruf ließen es die Geleitsmänner nicht fehlen; dem Cappan aber war's zu Sinn, als hätten die Fluthen der Taufe in früher Morgenſtund alle Erinnerung weggeſpült, daß er je ſtreifend und ſchweifend ein Roß getummelt, er ſchritt ehrſam und bürgerlich mit Schwägern und Schwiegern, als wär' er von Jugend ein Frohn- vogt oder Schultheiß im Hegau geweſen. Noch war der Lärm der bergab Ziehenden nicht verklungen, da traten zwei ſchmucke Burſche vor die Herzogin und ihre klöſterlichen Gäſte, des Schaffners auf der kaiſerlichen Burg Bodmann Söhne und Friderun's Ge- vattern. Sie kamen als Hochzeitbitter, jeder eine gelbe Schlüſſelblume hinter's Ohr geſteckt und einen Strauß am zwilchenen Gewand. Verlegen blieben ſie unter des Saales Eingang ſtehen, die Her- zogin winkte, da traten ſie etliche Schritte vor, dann noch etliche, und ſcharrten eine Verbeugung und ſprachen den altherkömmlichen Ladſpruch zum Ehrentag ihrer Baſe, und baten ihnen hinüberzufolgen über Weg und Steg, über Gaſſen und Straßen, Brück und Waſſer zum Hoch- zeithaus; dort werd' man auftragen ein Kraut und Brod, wie ſelbes geſchaffen der allmächtige Gott, ein Faß werd' rinnen und Geigen drein klingen, ein Tanzen und Springen, Jubiliren und Singen. Wir bitten Euch, laßt zwei ſchlechte Boten ſein für einen guten, ge- lobt ſei Jeſus Chriſt! ſo ſchloß ihr Spruch, und ohne den Beſcheid zu erwarten, ſcharrten ſie die zweite Verbeugung und enteilten. Erweiſen wir unſerm jüngſten chriſtlichen Unterthan die Ehre des Beſuchs? fragte Frau Hadwig heiter. Die Gäſte wußten, daß auf Fragen, die ſie ſo freundlich ſtellte, keine Verneinung zieme. Da ritten ſie des Nachmittags hinüber. Auch Rudimann der Abgeſandte

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/245>, abgerufen am 29.04.2024.