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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Den Streich hat Einer zurückgegeben, saftig und scharf, Ihr kön-
net zufrieden sein. Lest. Er reichte ihm des Gunzo Pergamentblätter.

Mit Erlaubniß! sprach Rudimann, und trat an's Fenster. Er
hatte schon manchen braven Wein gekostet, der Pater Kellermeister,
seit daß er sein Amt führte, aber selbst damals als ihm der Bischof
von Cremona etliche Krüge dunkelbraun schäumenden Asti übersendet,
hatte sein Antlitz nicht so röthlich froh gestrahlt, wie jetzo.

Es ist doch eine herrliche Gottesgabe um ein gründlich Wissen
und einen schönen Styl, sagte er. Das Ekkehardlein ist fertig. Es
kann sich nimmer an freier Luft sehen lassen.

Noch nicht ganz, sagte der Abt, aber was nicht ist, kann werden.
Der gelehrte Bruder Gunzo hilft uns dazu. Seine Epistel darf nicht
ungelesen vermodern, lasset etliche Abschriften nehmen, lieber sechs als
drei. Der junge Herr muß von Hohentwiel weggebissen werden. Ich
liebe die jungen Schnäbel nicht, die feiner singen wollen als die Alten.
Schnee auf die Tonsur! das soll ihm gut thun. Wir werden unse-
rem Mitbruder in Sanct Gallen ein Brieflein schicken, daß er ihm
die Rückkehr anbefehle. Wie steht's mit seinem Sündenregister?

Rudimann hob bedächtig die linke Hand auf und begann mit den
Fingern zu zählen. Soll ich's hersagen? Zum ersten: in währender
Weinlese den Frieden unseres Klosters gestört, indem er ...

Halt, sprach der Abt, das ist abgethan. Alles was vor der
Hunnenschlacht geschehen und anhängig worden, sei erledigt, ab und
zur Ruhe! so haben's einst die Burgunder in ihr Gesetz211) geschrie-
ben, das soll auch bei uns noch gelten.

Dann ohne Fingerzählung, sagte der Kellermeister. Des heiligen
Gallus Pörtner ist, seit er sein Kloster ließ, dem Hochmuth und der
Anmaßung unterthan worden, ohne Gruß der Lippen geht er an
Brüdern vorüber, deren Alter und Verstand seine Reverenz fordern,
er hat sich herausgenommen, am heiligen Tag, da wir die Hunnen
schlugen, die Heerpredigt zu halten, wiewohl ein so wichtig Amt der
Rede einem der hochwürdigen Aebte zugestanden wäre; hat sich ferner
herausgenommen, einen heidnischen Gefangenen zu taufen, wiewohl
die Taufe vorgenommen werden soll vom ordentlichen Pfarrer des
Bezirks und nicht von einem, der an die Pforte des heiligen Gallus
gehört.

Den Streich hat Einer zurückgegeben, ſaftig und ſcharf, Ihr kön-
net zufrieden ſein. Lest. Er reichte ihm des Gunzo Pergamentblätter.

Mit Erlaubniß! ſprach Rudimann, und trat an's Fenſter. Er
hatte ſchon manchen braven Wein gekoſtet, der Pater Kellermeiſter,
ſeit daß er ſein Amt führte, aber ſelbſt damals als ihm der Biſchof
von Cremona etliche Krüge dunkelbraun ſchäumenden Aſti überſendet,
hatte ſein Antlitz nicht ſo röthlich froh geſtrahlt, wie jetzo.

Es iſt doch eine herrliche Gottesgabe um ein gründlich Wiſſen
und einen ſchönen Styl, ſagte er. Das Ekkehardlein iſt fertig. Es
kann ſich nimmer an freier Luft ſehen laſſen.

Noch nicht ganz, ſagte der Abt, aber was nicht iſt, kann werden.
Der gelehrte Bruder Gunzo hilft uns dazu. Seine Epiſtel darf nicht
ungeleſen vermodern, laſſet etliche Abſchriften nehmen, lieber ſechs als
drei. Der junge Herr muß von Hohentwiel weggebiſſen werden. Ich
liebe die jungen Schnäbel nicht, die feiner ſingen wollen als die Alten.
Schnee auf die Tonſur! das ſoll ihm gut thun. Wir werden unſe-
rem Mitbruder in Sanct Gallen ein Brieflein ſchicken, daß er ihm
die Rückkehr anbefehle. Wie ſteht's mit ſeinem Sündenregiſter?

Rudimann hob bedächtig die linke Hand auf und begann mit den
Fingern zu zählen. Soll ich's herſagen? Zum erſten: in währender
Weinleſe den Frieden unſeres Kloſters geſtört, indem er ...

Halt, ſprach der Abt, das iſt abgethan. Alles was vor der
Hunnenſchlacht geſchehen und anhängig worden, ſei erledigt, ab und
zur Ruhe! ſo haben's einſt die Burgunder in ihr Geſetz211) geſchrie-
ben, das ſoll auch bei uns noch gelten.

Dann ohne Fingerzählung, ſagte der Kellermeiſter. Des heiligen
Gallus Pörtner iſt, ſeit er ſein Kloſter ließ, dem Hochmuth und der
Anmaßung unterthan worden, ohne Gruß der Lippen geht er an
Brüdern vorüber, deren Alter und Verſtand ſeine Reverenz fordern,
er hat ſich herausgenommen, am heiligen Tag, da wir die Hunnen
ſchlugen, die Heerpredigt zu halten, wiewohl ein ſo wichtig Amt der
Rede einem der hochwürdigen Aebte zugeſtanden wäre; hat ſich ferner
herausgenommen, einen heidniſchen Gefangenen zu taufen, wiewohl
die Taufe vorgenommen werden ſoll vom ordentlichen Pfarrer des
Bezirks und nicht von einem, der an die Pforte des heiligen Gallus
gehört.

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[245/0267] Den Streich hat Einer zurückgegeben, ſaftig und ſcharf, Ihr kön- net zufrieden ſein. Lest. Er reichte ihm des Gunzo Pergamentblätter. Mit Erlaubniß! ſprach Rudimann, und trat an's Fenſter. Er hatte ſchon manchen braven Wein gekoſtet, der Pater Kellermeiſter, ſeit daß er ſein Amt führte, aber ſelbſt damals als ihm der Biſchof von Cremona etliche Krüge dunkelbraun ſchäumenden Aſti überſendet, hatte ſein Antlitz nicht ſo röthlich froh geſtrahlt, wie jetzo. Es iſt doch eine herrliche Gottesgabe um ein gründlich Wiſſen und einen ſchönen Styl, ſagte er. Das Ekkehardlein iſt fertig. Es kann ſich nimmer an freier Luft ſehen laſſen. Noch nicht ganz, ſagte der Abt, aber was nicht iſt, kann werden. Der gelehrte Bruder Gunzo hilft uns dazu. Seine Epiſtel darf nicht ungeleſen vermodern, laſſet etliche Abſchriften nehmen, lieber ſechs als drei. Der junge Herr muß von Hohentwiel weggebiſſen werden. Ich liebe die jungen Schnäbel nicht, die feiner ſingen wollen als die Alten. Schnee auf die Tonſur! das ſoll ihm gut thun. Wir werden unſe- rem Mitbruder in Sanct Gallen ein Brieflein ſchicken, daß er ihm die Rückkehr anbefehle. Wie ſteht's mit ſeinem Sündenregiſter? Rudimann hob bedächtig die linke Hand auf und begann mit den Fingern zu zählen. Soll ich's herſagen? Zum erſten: in währender Weinleſe den Frieden unſeres Kloſters geſtört, indem er ... Halt, ſprach der Abt, das iſt abgethan. Alles was vor der Hunnenſchlacht geſchehen und anhängig worden, ſei erledigt, ab und zur Ruhe! ſo haben's einſt die Burgunder in ihr Geſetz ²¹¹⁾ geſchrie- ben, das ſoll auch bei uns noch gelten. Dann ohne Fingerzählung, ſagte der Kellermeiſter. Des heiligen Gallus Pörtner iſt, ſeit er ſein Kloſter ließ, dem Hochmuth und der Anmaßung unterthan worden, ohne Gruß der Lippen geht er an Brüdern vorüber, deren Alter und Verſtand ſeine Reverenz fordern, er hat ſich herausgenommen, am heiligen Tag, da wir die Hunnen ſchlugen, die Heerpredigt zu halten, wiewohl ein ſo wichtig Amt der Rede einem der hochwürdigen Aebte zugeſtanden wäre; hat ſich ferner herausgenommen, einen heidniſchen Gefangenen zu taufen, wiewohl die Taufe vorgenommen werden ſoll vom ordentlichen Pfarrer des Bezirks und nicht von einem, der an die Pforte des heiligen Gallus gehört.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/267>, abgerufen am 28.04.2024.