Reich räumen; es lebet kein Mann, den ich nähme, so du König Rother wärest genannt -- aber vorerst bleibt's wohl ungethan.
Wie soll ich's besser proben, erwiederte der König, als durch meine Freunde im Kerker? So die mich erschauen könnten, dir würde bald kund, daß ich wahr geredet.
So will ich meinen Vater bereden, daß er sie heraus lasse, sprach des Kaisers Tochter. Aber wer wird Bürge sein, daß sie nicht entrinnen?
Ich will sie über mich nehmen, sprach er.
Da küßte des Kaisers Tochter den Helden und er schied mit Ehren aus ihrer Kemenaten und ging auf seine Herberge und war ihm gar wonniglich zu Muthe. Als aber der Morgen graute, nahm die Jung- frau einen Stab und schlüpfte in ein schwarz Trauergewand und legte einen Pilgerkragen über die Achsel, als wolle sie aus dem Land ab- scheiden und sah bleich und betrübt drein und ging zum Kaiser Con- stantinus hinüber, klopfte an seine Thüre und sprach listig zu ihm: Mein lieber Herr Vater, nun muß ich bei lebendem Leib in's Ver- derben. Mir ist gar elend, wer tröstet meine Seele? Im Traum treten die eingekerkerten Boten des König Rother vor mich und sind abgezehrt und elend und lassen mir keine Ruhe; ich muß fort, daß sie mich nimmer quälen, es sei denn, Ihr lasset mich die Armen mit Speisung, Wein und Bad erquicken. Gebet sie heraus, wenn auch nur auf drei Tage.
Da antwortete der Kaiser: Das will ich dulden, so du mir einen Bürgen stellest, daß sie am dritten Tag wieder niedersteigen zum Kerker.
Dieweil man nun zu Tische ging im Kaisersaal, kam auch der vermeinte Herr Dieterich mit seinen Mannen, und als die Mahlzeit vollendet und man die Hände wusch, ging die Jungfrau um die Tische, als wolle sie unter den reichen Herzogen und Herrn den Bürgen su- chen, und sprach zu Dieterich: Nun gedenke, daß du mir aus der Noth helfest und nimm die Boten auf dein Leben.
Er aber sprach: Ich bürge dir, du allerschönste Maid.
Und er gab dem Kaiser sein Haupt zum Pfand, und der Kaiser schickte seine Mannen mit ihm, daß sie den Kerker öffneten.
Drin lagen die Gesandten elend und in Unkräften; als man die Kerkerthüren einbrach, schien der helle Tag in's Verließ, der blendete
Reich räumen; es lebet kein Mann, den ich nähme, ſo du König Rother wäreſt genannt — aber vorerſt bleibt's wohl ungethan.
Wie ſoll ich's beſſer proben, erwiederte der König, als durch meine Freunde im Kerker? So die mich erſchauen könnten, dir würde bald kund, daß ich wahr geredet.
So will ich meinen Vater bereden, daß er ſie heraus laſſe, ſprach des Kaiſers Tochter. Aber wer wird Bürge ſein, daß ſie nicht entrinnen?
Ich will ſie über mich nehmen, ſprach er.
Da küßte des Kaiſers Tochter den Helden und er ſchied mit Ehren aus ihrer Kemenaten und ging auf ſeine Herberge und war ihm gar wonniglich zu Muthe. Als aber der Morgen graute, nahm die Jung- frau einen Stab und ſchlüpfte in ein ſchwarz Trauergewand und legte einen Pilgerkragen über die Achſel, als wolle ſie aus dem Land ab- ſcheiden und ſah bleich und betrübt drein und ging zum Kaiſer Con- ſtantinus hinüber, klopfte an ſeine Thüre und ſprach liſtig zu ihm: Mein lieber Herr Vater, nun muß ich bei lebendem Leib in's Ver- derben. Mir iſt gar elend, wer tröſtet meine Seele? Im Traum treten die eingekerkerten Boten des König Rother vor mich und ſind abgezehrt und elend und laſſen mir keine Ruhe; ich muß fort, daß ſie mich nimmer quälen, es ſei denn, Ihr laſſet mich die Armen mit Speiſung, Wein und Bad erquicken. Gebet ſie heraus, wenn auch nur auf drei Tage.
Da antwortete der Kaiſer: Das will ich dulden, ſo du mir einen Bürgen ſtelleſt, daß ſie am dritten Tag wieder niederſteigen zum Kerker.
Dieweil man nun zu Tiſche ging im Kaiſerſaal, kam auch der vermeinte Herr Dieterich mit ſeinen Mannen, und als die Mahlzeit vollendet und man die Hände wuſch, ging die Jungfrau um die Tiſche, als wolle ſie unter den reichen Herzogen und Herrn den Bürgen ſu- chen, und ſprach zu Dieterich: Nun gedenke, daß du mir aus der Noth helfeſt und nimm die Boten auf dein Leben.
Er aber ſprach: Ich bürge dir, du allerſchönſte Maid.
Und er gab dem Kaiſer ſein Haupt zum Pfand, und der Kaiſer ſchickte ſeine Mannen mit ihm, daß ſie den Kerker öffneten.
Drin lagen die Geſandten elend und in Unkräften; als man die Kerkerthüren einbrach, ſchien der helle Tag in's Verließ, der blendete
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Reich räumen; es lebet kein Mann, den ich nähme, ſo du König
Rother wäreſt genannt — aber vorerſt bleibt's wohl ungethan.
Wie ſoll ich's beſſer proben, erwiederte der König, als durch meine
Freunde im Kerker? So die mich erſchauen könnten, dir würde bald
kund, daß ich wahr geredet.
So will ich meinen Vater bereden, daß er ſie heraus laſſe, ſprach
des Kaiſers Tochter. Aber wer wird Bürge ſein, daß ſie nicht
entrinnen?
Ich will ſie über mich nehmen, ſprach er.
Da küßte des Kaiſers Tochter den Helden und er ſchied mit Ehren
aus ihrer Kemenaten und ging auf ſeine Herberge und war ihm gar
wonniglich zu Muthe. Als aber der Morgen graute, nahm die Jung-
frau einen Stab und ſchlüpfte in ein ſchwarz Trauergewand und legte
einen Pilgerkragen über die Achſel, als wolle ſie aus dem Land ab-
ſcheiden und ſah bleich und betrübt drein und ging zum Kaiſer Con-
ſtantinus hinüber, klopfte an ſeine Thüre und ſprach liſtig zu ihm:
Mein lieber Herr Vater, nun muß ich bei lebendem Leib in's Ver-
derben. Mir iſt gar elend, wer tröſtet meine Seele? Im Traum
treten die eingekerkerten Boten des König Rother vor mich und ſind
abgezehrt und elend und laſſen mir keine Ruhe; ich muß fort, daß
ſie mich nimmer quälen, es ſei denn, Ihr laſſet mich die Armen mit
Speiſung, Wein und Bad erquicken. Gebet ſie heraus, wenn auch
nur auf drei Tage.
Da antwortete der Kaiſer: Das will ich dulden, ſo du mir einen
Bürgen ſtelleſt, daß ſie am dritten Tag wieder niederſteigen zum Kerker.
Dieweil man nun zu Tiſche ging im Kaiſerſaal, kam auch der
vermeinte Herr Dieterich mit ſeinen Mannen, und als die Mahlzeit
vollendet und man die Hände wuſch, ging die Jungfrau um die Tiſche,
als wolle ſie unter den reichen Herzogen und Herrn den Bürgen ſu-
chen, und ſprach zu Dieterich: Nun gedenke, daß du mir aus der
Noth helfeſt und nimm die Boten auf dein Leben.
Er aber ſprach: Ich bürge dir, du allerſchönſte Maid.
Und er gab dem Kaiſer ſein Haupt zum Pfand, und der Kaiſer
ſchickte ſeine Mannen mit ihm, daß ſie den Kerker öffneten.
Drin lagen die Geſandten elend und in Unkräften; als man die
Kerkerthüren einbrach, ſchien der helle Tag in's Verließ, der blendete
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/320>, abgerufen am 13.05.2024.
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