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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Johannistag, da hat der Teufel keine Macht und konnte ihm nicht
aus der Klemme helfen.

Am Brunnen im Burghof stand Rudimann der Kellermeister und
ließ das klare Wasser über sein Haupt strömen; Ekkehard hatte ihm
eine scharfe Schramme gehauen, zäh und unwillig rieselte sein Blut
in den fremden Quell.

Praxedis kam herunter, blaß und trüb; sie war die einzige Seele,
die ein aufrichtig Mitleid um den Gefangenen trug. Wie sie den
Kellermeister ersah, ging sie in Garten, riß eine blaue Kornblume
mit der Wurzel aus und brachte sie ihm: Nehmet, sprach sie, und
haltet sie mit der Rechten bis sie drin erwarmt, das stillet Euer Blut.
Oder soll ich ein Linnen zum Verband bringen?

Er schüttelte das Haupt.

Es wird von selber aufhören, wenn's Zeit ist, sagte er, es ist
nicht mein erster Aderlaß. Behaltet Eure Kornblumen für Euch!

Aber Praxedis gedachte den Feind Ekkehard's milde zu stimmen.
Sie holte Leinwand. Da ließ er sich verbinden. Er sprach keinen Dank.

Laßt Ihr den Ekkehard heut nimmer frei? fragte sie.

Heut? sprach Rudimann höhnisch. Drängt es Euch, einen Kranz
zu winden für den Bannerträger des Antichrist, den Vorspann am
Wagen des Satan, den Ihr da oben gehegt und geheckt, als wär' er
der herzliebe Sohn Benjamin? Heut? fraget einmal nach Monatfrist
drüben an.

Er deutete nach den helvetischen Bergen. Praxedis erschrak. Was
wollet Ihr mit ihm anfangen?

Was Recht ist, sprach Rudimann mit finsterm Blicke. Buhlerei,
Gewaltthat, Ungehorsam, Hochmuth, Kirchenschändung, Lästerung Got-
tes: es gibt der Namen nicht genug für seine Frevel, aber Mittel zur
Sühnung, Gott sei es gedankt, gibt es!

Er fuhr mit dem Arm aus wie zu einem Streich.

.. ja wohl, Mittel zur Sühnung, wonnesame Jungfrau! Wir
werden ihm einen Denkzettel auf's Fell schreiben.

Habt Mitleid, sprach Praxedis, er ist ein kranker Mann.

Gerade deßwegen heilen wir ihn. Wenn er erst an die Säule
gebunden den Rücken krümmt und ein halb Dutzend Ruthen drauf
zerschlagen sind, das treibt Grillen und Teufelswerk aus dem Kopf ...

Johannistag, da hat der Teufel keine Macht und konnte ihm nicht
aus der Klemme helfen.

Am Brunnen im Burghof ſtand Rudimann der Kellermeiſter und
ließ das klare Waſſer über ſein Haupt ſtrömen; Ekkehard hatte ihm
eine ſcharfe Schramme gehauen, zäh und unwillig rieſelte ſein Blut
in den fremden Quell.

Praxedis kam herunter, blaß und trüb; ſie war die einzige Seele,
die ein aufrichtig Mitleid um den Gefangenen trug. Wie ſie den
Kellermeiſter erſah, ging ſie in Garten, riß eine blaue Kornblume
mit der Wurzel aus und brachte ſie ihm: Nehmet, ſprach ſie, und
haltet ſie mit der Rechten bis ſie drin erwarmt, das ſtillet Euer Blut.
Oder ſoll ich ein Linnen zum Verband bringen?

Er ſchüttelte das Haupt.

Es wird von ſelber aufhören, wenn's Zeit iſt, ſagte er, es iſt
nicht mein erſter Aderlaß. Behaltet Eure Kornblumen für Euch!

Aber Praxedis gedachte den Feind Ekkehard's milde zu ſtimmen.
Sie holte Leinwand. Da ließ er ſich verbinden. Er ſprach keinen Dank.

Laßt Ihr den Ekkehard heut nimmer frei? fragte ſie.

Heut? ſprach Rudimann höhniſch. Drängt es Euch, einen Kranz
zu winden für den Bannerträger des Antichriſt, den Vorſpann am
Wagen des Satan, den Ihr da oben gehegt und geheckt, als wär' er
der herzliebe Sohn Benjamin? Heut? fraget einmal nach Monatfriſt
drüben an.

Er deutete nach den helvetiſchen Bergen. Praxedis erſchrak. Was
wollet Ihr mit ihm anfangen?

Was Recht iſt, ſprach Rudimann mit finſterm Blicke. Buhlerei,
Gewaltthat, Ungehorſam, Hochmuth, Kirchenſchändung, Läſterung Got-
tes: es gibt der Namen nicht genug für ſeine Frevel, aber Mittel zur
Sühnung, Gott ſei es gedankt, gibt es!

Er fuhr mit dem Arm aus wie zu einem Streich.

.. ja wohl, Mittel zur Sühnung, wonneſame Jungfrau! Wir
werden ihm einen Denkzettel auf's Fell ſchreiben.

Habt Mitleid, ſprach Praxedis, er iſt ein kranker Mann.

Gerade deßwegen heilen wir ihn. Wenn er erſt an die Säule
gebunden den Rücken krümmt und ein halb Dutzend Ruthen drauf
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[310/0332] Johannistag, da hat der Teufel keine Macht und konnte ihm nicht aus der Klemme helfen. Am Brunnen im Burghof ſtand Rudimann der Kellermeiſter und ließ das klare Waſſer über ſein Haupt ſtrömen; Ekkehard hatte ihm eine ſcharfe Schramme gehauen, zäh und unwillig rieſelte ſein Blut in den fremden Quell. Praxedis kam herunter, blaß und trüb; ſie war die einzige Seele, die ein aufrichtig Mitleid um den Gefangenen trug. Wie ſie den Kellermeiſter erſah, ging ſie in Garten, riß eine blaue Kornblume mit der Wurzel aus und brachte ſie ihm: Nehmet, ſprach ſie, und haltet ſie mit der Rechten bis ſie drin erwarmt, das ſtillet Euer Blut. Oder ſoll ich ein Linnen zum Verband bringen? Er ſchüttelte das Haupt. Es wird von ſelber aufhören, wenn's Zeit iſt, ſagte er, es iſt nicht mein erſter Aderlaß. Behaltet Eure Kornblumen für Euch! Aber Praxedis gedachte den Feind Ekkehard's milde zu ſtimmen. Sie holte Leinwand. Da ließ er ſich verbinden. Er ſprach keinen Dank. Laßt Ihr den Ekkehard heut nimmer frei? fragte ſie. Heut? ſprach Rudimann höhniſch. Drängt es Euch, einen Kranz zu winden für den Bannerträger des Antichriſt, den Vorſpann am Wagen des Satan, den Ihr da oben gehegt und geheckt, als wär' er der herzliebe Sohn Benjamin? Heut? fraget einmal nach Monatfriſt drüben an. Er deutete nach den helvetiſchen Bergen. Praxedis erſchrak. Was wollet Ihr mit ihm anfangen? Was Recht iſt, ſprach Rudimann mit finſterm Blicke. Buhlerei, Gewaltthat, Ungehorſam, Hochmuth, Kirchenſchändung, Läſterung Got- tes: es gibt der Namen nicht genug für ſeine Frevel, aber Mittel zur Sühnung, Gott ſei es gedankt, gibt es! Er fuhr mit dem Arm aus wie zu einem Streich. .. ja wohl, Mittel zur Sühnung, wonneſame Jungfrau! Wir werden ihm einen Denkzettel auf's Fell ſchreiben. Habt Mitleid, ſprach Praxedis, er iſt ein kranker Mann. Gerade deßwegen heilen wir ihn. Wenn er erſt an die Säule gebunden den Rücken krümmt und ein halb Dutzend Ruthen drauf zerſchlagen ſind, das treibt Grillen und Teufelswerk aus dem Kopf ...

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/332>, abgerufen am 13.05.2024.