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Schelle, Karl Gottlob: Die Spatziergänge oder die Kunst spatzieren zu gehen. Leipzig, 1802.

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schickter ist, den reinen deutlichen Tönen
zur Folie zu dienen, fliegende, blitzge-
schwindrollende Läufe, kräftig, oft mit ge-
schmackvoller Härte angeschlagen -- sanft
klagende, in einander schmelzende, ohne
Kunst gereihte, aber seelenvolle Caden-
zen -- bezaubernde, eindringende Töne,
wahre Seufzer der Liebe und Wollust, die
sich aus dem Herzen drängen und zum
Herzen sprechen, daß es von Gefühlen auf-
wallt und in sanfter Schwermuth ver-
sinkt. -- Diese verschiedenen Sätze wer-
den oft durch Stillschweigen unterbrochen,
durch jenes Stillschweigen, das in allen
Arten der Melodie die Wirkung so mächtig
verstärkt. Man genießt noch einmahl im
Nachhall die schon gehörten Töne, die
noch um unser Ohr schweben, und man
genießt sie ruhiger, weil der Genuß inni-
ger und gesammelter ist, und durch keinen
neuen Eindruck gestört wird. Bald war-

ſchickter iſt, den reinen deutlichen Toͤnen
zur Folie zu dienen, fliegende, blitzge-
ſchwindrollende Laͤufe, kraͤftig, oft mit ge-
ſchmackvoller Haͤrte angeſchlagen — ſanft
klagende, in einander ſchmelzende, ohne
Kunſt gereihte, aber ſeelenvolle Caden-
zen — bezaubernde, eindringende Toͤne,
wahre Seufzer der Liebe und Wolluſt, die
ſich aus dem Herzen draͤngen und zum
Herzen ſprechen, daß es von Gefuͤhlen auf-
wallt und in ſanfter Schwermuth ver-
ſinkt. — Dieſe verſchiedenen Saͤtze wer-
den oft durch Stillſchweigen unterbrochen,
durch jenes Stillſchweigen, das in allen
Arten der Melodie die Wirkung ſo maͤchtig
verſtaͤrkt. Man genießt noch einmahl im
Nachhall die ſchon gehoͤrten Toͤne, die
noch um unſer Ohr ſchweben, und man
genießt ſie ruhiger, weil der Genuß inni-
ger und geſammelter iſt, und durch keinen
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[279/0283] ſchickter iſt, den reinen deutlichen Toͤnen zur Folie zu dienen, fliegende, blitzge- ſchwindrollende Laͤufe, kraͤftig, oft mit ge- ſchmackvoller Haͤrte angeſchlagen — ſanft klagende, in einander ſchmelzende, ohne Kunſt gereihte, aber ſeelenvolle Caden- zen — bezaubernde, eindringende Toͤne, wahre Seufzer der Liebe und Wolluſt, die ſich aus dem Herzen draͤngen und zum Herzen ſprechen, daß es von Gefuͤhlen auf- wallt und in ſanfter Schwermuth ver- ſinkt. — Dieſe verſchiedenen Saͤtze wer- den oft durch Stillſchweigen unterbrochen, durch jenes Stillſchweigen, das in allen Arten der Melodie die Wirkung ſo maͤchtig verſtaͤrkt. Man genießt noch einmahl im Nachhall die ſchon gehoͤrten Toͤne, die noch um unſer Ohr ſchweben, und man genießt ſie ruhiger, weil der Genuß inni- ger und geſammelter iſt, und durch keinen neuen Eindruck geſtoͤrt wird. Bald war-

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Zitationshilfe: Schelle, Karl Gottlob: Die Spatziergänge oder die Kunst spatzieren zu gehen. Leipzig, 1802, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelle_spatziergaenge_1802/283>, abgerufen am 19.05.2024.