Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Daß nun erstens die Medicin allgemeine
Wissenschaft der organischen Natur werden
müsse, von welcher die sonst getrennten Thei¬
le derselben sämmtlich nur Zweige wären, und
daß um ihr sowohl diesen Umfang und innere
Einheit, als den Rang einer Wissenschaft zu ge¬
ben, die ersten Grundsätze, auf denen sie ruht,
nicht empirisch oder hypothetisch, sondern
durch sich selbst gewiß und philosophisch seyn
müssen: dieß ist zwar seit einiger Zeit allge¬
meiner gefühlt und anerkannt worden, als es
in Ansehung der übrigen Theile der Natur¬
lehre der Fall ist. Aber auch hier sollte die
Philosophie vorerst kein weiteres Geschäft ha¬
ben, als in die vorhandene und gegebene
Mannichfaltigkeit die äußere formale Einheit
zu bringen und den Aerzten, deren Wissen¬
schaft durch Dichter und Philosophen seit ge¬
raumer Zeit zweydeutig geworden war, wie¬
der einen guten Namen zu machen. Wenn
Browns Lehre durch nichts ausgezeichnet wä¬
re, als durch die Reinheit von empiri¬
schen Erklärungen und Hypothesen, die Aner¬

Daß nun erſtens die Medicin allgemeine
Wiſſenſchaft der organiſchen Natur werden
muͤſſe, von welcher die ſonſt getrennten Thei¬
le derſelben ſaͤmmtlich nur Zweige waͤren, und
daß um ihr ſowohl dieſen Umfang und innere
Einheit, als den Rang einer Wiſſenſchaft zu ge¬
ben, die erſten Grundſaͤtze, auf denen ſie ruht,
nicht empiriſch oder hypothetiſch, ſondern
durch ſich ſelbſt gewiß und philoſophiſch ſeyn
muͤſſen: dieß iſt zwar ſeit einiger Zeit allge¬
meiner gefuͤhlt und anerkannt worden, als es
in Anſehung der uͤbrigen Theile der Natur¬
lehre der Fall iſt. Aber auch hier ſollte die
Philoſophie vorerſt kein weiteres Geſchaͤft ha¬
ben, als in die vorhandene und gegebene
Mannichfaltigkeit die aͤußere formale Einheit
zu bringen und den Aerzten, deren Wiſſen¬
ſchaft durch Dichter und Philoſophen ſeit ge¬
raumer Zeit zweydeutig geworden war, wie¬
der einen guten Namen zu machen. Wenn
Browns Lehre durch nichts ausgezeichnet waͤ¬
re, als durch die Reinheit von empiri¬
ſchen Erklaͤrungen und Hypotheſen, die Aner¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0294" n="285"/>
        <p>Daß nun er&#x017F;tens die Medicin allgemeine<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft der organi&#x017F;chen Natur werden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, von welcher die &#x017F;on&#x017F;t getrennten Thei¬<lb/>
le der&#x017F;elben &#x017F;a&#x0364;mmtlich nur Zweige wa&#x0364;ren, und<lb/>
daß um ihr &#x017F;owohl die&#x017F;en Umfang und innere<lb/>
Einheit, als den Rang einer Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft zu ge¬<lb/>
ben, die er&#x017F;ten Grund&#x017F;a&#x0364;tze, auf denen &#x017F;ie ruht,<lb/>
nicht empiri&#x017F;ch oder hypotheti&#x017F;ch, &#x017F;ondern<lb/>
durch &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gewiß und philo&#x017F;ophi&#x017F;ch &#x017F;eyn<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en: dieß i&#x017F;t zwar &#x017F;eit einiger Zeit allge¬<lb/>
meiner gefu&#x0364;hlt und anerkannt worden, als es<lb/>
in An&#x017F;ehung der u&#x0364;brigen Theile der Natur¬<lb/>
lehre der Fall i&#x017F;t. Aber auch hier &#x017F;ollte die<lb/>
Philo&#x017F;ophie vorer&#x017F;t kein weiteres Ge&#x017F;cha&#x0364;ft ha¬<lb/>
ben, als in die vorhandene und gegebene<lb/>
Mannichfaltigkeit die a&#x0364;ußere formale Einheit<lb/>
zu bringen und den Aerzten, deren Wi&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
&#x017F;chaft durch Dichter und Philo&#x017F;ophen &#x017F;eit ge¬<lb/>
raumer Zeit zweydeutig geworden war, wie¬<lb/>
der einen guten Namen zu machen. Wenn<lb/>
Browns Lehre durch nichts ausgezeichnet wa&#x0364;¬<lb/>
re, als durch die Reinheit von empiri¬<lb/>
&#x017F;chen Erkla&#x0364;rungen und Hypothe&#x017F;en, die Aner¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0294] Daß nun erſtens die Medicin allgemeine Wiſſenſchaft der organiſchen Natur werden muͤſſe, von welcher die ſonſt getrennten Thei¬ le derſelben ſaͤmmtlich nur Zweige waͤren, und daß um ihr ſowohl dieſen Umfang und innere Einheit, als den Rang einer Wiſſenſchaft zu ge¬ ben, die erſten Grundſaͤtze, auf denen ſie ruht, nicht empiriſch oder hypothetiſch, ſondern durch ſich ſelbſt gewiß und philoſophiſch ſeyn muͤſſen: dieß iſt zwar ſeit einiger Zeit allge¬ meiner gefuͤhlt und anerkannt worden, als es in Anſehung der uͤbrigen Theile der Natur¬ lehre der Fall iſt. Aber auch hier ſollte die Philoſophie vorerſt kein weiteres Geſchaͤft ha¬ ben, als in die vorhandene und gegebene Mannichfaltigkeit die aͤußere formale Einheit zu bringen und den Aerzten, deren Wiſſen¬ ſchaft durch Dichter und Philoſophen ſeit ge¬ raumer Zeit zweydeutig geworden war, wie¬ der einen guten Namen zu machen. Wenn Browns Lehre durch nichts ausgezeichnet waͤ¬ re, als durch die Reinheit von empiri¬ ſchen Erklaͤrungen und Hypotheſen, die Aner¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/294
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/294>, abgerufen am 11.05.2024.