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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

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bilden sich jene höheren Einheitspuncte, wo¬
durch das Getrennte zur Idee zusammenfließt,
jene höheren Formeln, in die sich das Concrete
auflöst, die Gesetze "aus dem himmlischen Ae¬
ther gebohren, die nicht die sterbliche Natur
des Menschen gezeugt hat."

Die gewöhnliche Eintheilung der Erkennt¬
niß in die rationale und historische wird so be¬
stimmt, daß jene mit der Erkenntniß der Grün¬
de verbunden, diese eine bloße Wissenschaft des
Factum sey. Man könnte einwenden, daß ja auch
die Gründe wieder bloß historisch gewußt werden
können: allein dann würden sie eben nicht als
Gründe aufgefaßt. Man hat den Ekelnamen
der Brodwissenschaften allgemein denjenigen ge¬
geben, welche unmittelbarer als andere zum Ge¬
brauch des Lebens dienen. Aber keine Wissen¬
schaft verdient an sich diese Benennung. Wer
die Philosophie oder Mathematik als Mittel
behandelt, für den ist sie so gut bloßes Brod¬
studium, als die Rechtsgelehrsamkeit oder Me¬
dicin für denjenigen, der kein höheres Interesse
für sie hat, als das der Nützlichkeit für ihn

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bilden ſich jene hoͤheren Einheitspuncte, wo¬
durch das Getrennte zur Idee zuſammenfließt,
jene hoͤheren Formeln, in die ſich das Concrete
aufloͤſt, die Geſetze „aus dem himmliſchen Ae¬
ther gebohren, die nicht die ſterbliche Natur
des Menſchen gezeugt hat.“

Die gewoͤhnliche Eintheilung der Erkennt¬
niß in die rationale und hiſtoriſche wird ſo be¬
ſtimmt, daß jene mit der Erkenntniß der Gruͤn¬
de verbunden, dieſe eine bloße Wiſſenſchaft des
Factum ſey. Man koͤnnte einwenden, daß ja auch
die Gruͤnde wieder bloß hiſtoriſch gewußt werden
koͤnnen: allein dann wuͤrden ſie eben nicht als
Gruͤnde aufgefaßt. Man hat den Ekelnamen
der Brodwiſſenſchaften allgemein denjenigen ge¬
geben, welche unmittelbarer als andere zum Ge¬
brauch des Lebens dienen. Aber keine Wiſſen¬
ſchaft verdient an ſich dieſe Benennung. Wer
die Philoſophie oder Mathematik als Mittel
behandelt, fuͤr den iſt ſie ſo gut bloßes Brod¬
ſtudium, als die Rechtsgelehrſamkeit oder Me¬
dicin fuͤr denjenigen, der kein hoͤheres Intereſſe
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[67/0076] bilden ſich jene hoͤheren Einheitspuncte, wo¬ durch das Getrennte zur Idee zuſammenfließt, jene hoͤheren Formeln, in die ſich das Concrete aufloͤſt, die Geſetze „aus dem himmliſchen Ae¬ ther gebohren, die nicht die ſterbliche Natur des Menſchen gezeugt hat.“ Die gewoͤhnliche Eintheilung der Erkennt¬ niß in die rationale und hiſtoriſche wird ſo be¬ ſtimmt, daß jene mit der Erkenntniß der Gruͤn¬ de verbunden, dieſe eine bloße Wiſſenſchaft des Factum ſey. Man koͤnnte einwenden, daß ja auch die Gruͤnde wieder bloß hiſtoriſch gewußt werden koͤnnen: allein dann wuͤrden ſie eben nicht als Gruͤnde aufgefaßt. Man hat den Ekelnamen der Brodwiſſenſchaften allgemein denjenigen ge¬ geben, welche unmittelbarer als andere zum Ge¬ brauch des Lebens dienen. Aber keine Wiſſen¬ ſchaft verdient an ſich dieſe Benennung. Wer die Philoſophie oder Mathematik als Mittel behandelt, fuͤr den iſt ſie ſo gut bloßes Brod¬ ſtudium, als die Rechtsgelehrſamkeit oder Me¬ dicin fuͤr denjenigen, der kein hoͤheres Intereſſe fuͤr ſie hat, als das der Nuͤtzlichkeit fuͤr ihn 5 *

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/76>, abgerufen am 27.04.2024.