Wir lassen den Faden hier fallen, der sich an Lessings psc_263.002 Erörterungen im "Laokoon" anknüpft, halten nur fest, was wir psc_263.003 über Lebhaftigkeit u. s. w. gelernt haben, und betreten nun psc_263.004 unsern eigenen Weg.
psc_263.005
Wir durchmustern die Sprache nach ihren Bestandtheilenpsc_263.006 und untersuchen diese Bestandtheile nach ihrem Werth psc_263.007 für die Poesie. Vgl. Herder, Über den Ursprung der Sprache; psc_263.008 Geist der ebräischen Poesie.
psc_263.009
Die poetischsten Redetheile sind die Verba: mit ihnen psc_263.010 ist immer die Vorstellung eines Trägers verbunden, eines psc_263.011 Subjects, an welchem sich Handlung oder Zustand vollzieht, psc_263.012 an welchem diese haften. Selbst bei Verbis der Gemüthsbewegung psc_263.013 oder solchen, welche Beharren ausdrücken, haben psc_263.014 wir den Eindruck der Thätigkeit, der Handlung.
psc_263.015
Am wirksamsten nach dem Obigen sind Verba, welche psc_263.016 eine sinnliche Bewegung ausdrücken, an der eine psychische psc_263.017 Vorstellung haftet: zittern, beben, "es schlägt mein Herz".
psc_263.018
Es kommt hier der Reiz der indirecten Darstellung psc_263.019 hinzu, welche nur die Wirkung direct ausdrückt, die Ursache psc_263.020 errathen läßt. Ferner ist die sinnliche Vorstellung lebhafter, psc_263.021 als die bloß psychische; es wird dadurch die Phantasie stärker psc_263.022 angeregt, das innere Schauen, Hören. Die bloß psychologische psc_263.023 Kategorie hat etwas Prosaisches.
psc_263.024
Wenn die Poesie das Sinnliche bevorzugt, so steht sie psc_263.025 mehr im Einklang mit der ursprünglichen Beschaffenheit der psc_263.026 Sprache, in welcher Geistiges durch Sinnliches ausgedrückt, psc_263.027 Geistiges überhaupt nur gewonnen wird durch Übertragung
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Wir lassen den Faden hier fallen, der sich an Lessings psc_263.002 Erörterungen im „Laokoon“ anknüpft, halten nur fest, was wir psc_263.003 über Lebhaftigkeit u. s. w. gelernt haben, und betreten nun psc_263.004 unsern eigenen Weg.
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Wir durchmustern die Sprache nach ihren Bestandtheilenpsc_263.006 und untersuchen diese Bestandtheile nach ihrem Werth psc_263.007 für die Poesie. Vgl. Herder, Über den Ursprung der Sprache; psc_263.008 Geist der ebräischen Poesie.
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Die poetischsten Redetheile sind die Verba: mit ihnen psc_263.010 ist immer die Vorstellung eines Trägers verbunden, eines psc_263.011 Subjects, an welchem sich Handlung oder Zustand vollzieht, psc_263.012 an welchem diese haften. Selbst bei Verbis der Gemüthsbewegung psc_263.013 oder solchen, welche Beharren ausdrücken, haben psc_263.014 wir den Eindruck der Thätigkeit, der Handlung.
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Am wirksamsten nach dem Obigen sind Verba, welche psc_263.016 eine sinnliche Bewegung ausdrücken, an der eine psychische psc_263.017 Vorstellung haftet: zittern, beben, „es schlägt mein Herz“.
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Es kommt hier der Reiz der indirecten Darstellung psc_263.019 hinzu, welche nur die Wirkung direct ausdrückt, die Ursache psc_263.020 errathen läßt. Ferner ist die sinnliche Vorstellung lebhafter, psc_263.021 als die bloß psychische; es wird dadurch die Phantasie stärker psc_263.022 angeregt, das innere Schauen, Hören. Die bloß psychologische psc_263.023 Kategorie hat etwas Prosaisches.
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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/279>, abgerufen am 16.06.2024.
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