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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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dürfen, ein Jude; er citirt ein Stück aus der Genesis als psc_048.002
Beispiel erhabener Einfachheit. Diese pseudo-longinische Schrift psc_048.003
hat großen Ruhm erlangt.

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Um 90 n. Chr. begann Quintilian seine Institutio psc_048.005
oratoria
, maßvoll, classisch, Cicero verehrend, auf die großen psc_048.006
Muster überall gestützt aber ohne ausgeprägten Parteistandpunct; psc_048.007
es scheint ein Ausgleich zwischen beiden Richtungen psc_048.008
stattgefunden zu haben. Es wird ein gewisser Eklekticismus psc_048.009
an die Reihe gekommen sein, und diesen ungefähr vertritt psc_048.010
Quintilian. Hauptsächlich leitete er wohl aber die griechischen psc_048.011
Artes, Leitfäden, fort, vielleicht hauptsächlich den Hermagoras.

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Damit war die mehr scholastische Rhetorik wieder eingeleitet. psc_048.014
Sie hat die Tradition durch sehr feine, sorgfältig geschiedene psc_048.015
Distinctionen bereichert, und für jede eigene rhetorische psc_048.016
Mittel gesucht. Unter den späteren Lehrern ist Hermogenes psc_048.017
um 160 n. Chr. hervorzuheben, der die alten Artes psc_048.018
durch solche Distinctionen ausbildete, indem er namentlich psc_048.019
die verschiedenen Stile classificirte.

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Noch viele Theoretiker, lateinische und griechische, folgen, psc_048.021
immer unselbständiger. Aus welchen Quellen sie schöpften, wird psc_048.022
sich hoffentlich einmal genauer sagen und damit zugleich das psc_048.023
Verlorene annähernd errathen lassen. Hier ist aber noch das psc_048.024
Feld für eine große Untersuchung: die ältere Geschichte der psc_048.025
Rhetorik wäre darzustellen. Die schließlichen Resultate dieser psc_048.026
Entwicklung der Theorie geben Ernesti und Volkmann.

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Wir können noch ganz gut beobachten, wie die Tradition psc_048.028
dann dünner und dünner, geistloser wird, bis ins Mittelalter

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Beispiel erhabener Einfachheit. Diese pseudo-longinische Schrift psc_048.003
hat großen Ruhm erlangt.

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  Um 90 n. Chr. begann Quintilian seine Institutio psc_048.005
oratoria
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Muster überall gestützt aber ohne ausgeprägten Parteistandpunct; psc_048.007
es scheint ein Ausgleich zwischen beiden Richtungen psc_048.008
stattgefunden zu haben. Es wird ein gewisser Eklekticismus psc_048.009
an die Reihe gekommen sein, und diesen ungefähr vertritt psc_048.010
Quintilian. Hauptsächlich leitete er wohl aber die griechischen psc_048.011
Artes, Leitfäden, fort, vielleicht hauptsächlich den Hermagoras.

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  Damit war die mehr scholastische Rhetorik wieder eingeleitet. psc_048.014
Sie hat die Tradition durch sehr feine, sorgfältig geschiedene psc_048.015
Distinctionen bereichert, und für jede eigene rhetorische psc_048.016
Mittel gesucht. Unter den späteren Lehrern ist Hermogenes psc_048.017
um 160 n. Chr. hervorzuheben, der die alten Artes psc_048.018
durch solche Distinctionen ausbildete, indem er namentlich psc_048.019
die verschiedenen Stile classificirte.

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  Noch viele Theoretiker, lateinische und griechische, folgen, psc_048.021
immer unselbständiger. Aus welchen Quellen sie schöpften, wird psc_048.022
sich hoffentlich einmal genauer sagen und damit zugleich das psc_048.023
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Rhetorik wäre darzustellen. Die schließlichen Resultate dieser psc_048.026
Entwicklung der Theorie geben Ernesti und Volkmann.

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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/64>, abgerufen am 26.04.2024.