Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

psc_058.001
z. B. über die Methode des epischen Vortrags bei Homer psc_058.002
neues Licht verbreitete.

psc_058.003

Herder, weniger sorgfältig in der Einzeluntersuchung, psc_058.004
drang doch durch ausgebreitete historische Kenntniß, die psc_058.005
seinen Gesichtskreis erweiterte, sowie durch seine geniale psc_058.006
Analyse, die ihn die starken Urelemente der Poesie herausempfinden psc_058.007
ließ und ihm über die Sprache neue Einsichten psc_058.008
gab, tief in das Jnnere der Poesie und hat durch seine Anregungen psc_058.009
vielleicht am meisten eine neue Poetik vorbereitet.

psc_058.010

Auf Herders Wege suchte sich früh Goethe zu orientiren, psc_058.011
und Herders Theorie wirkte auf Goethes Praxis. Mit hohem psc_058.012
urpoetischem Umblick hat Goethe stets die Poesie aller Völker psc_058.013
und Zeiten betrachtet, und was er theoretisch über Poesie psc_058.014
äußerte, sind goldene Worte, von denen keins für uns verloren psc_058.015
sein darf.

psc_058.016

Der Gedankenaustausch mit Schiller galt vielfach technischen psc_058.017
Fragen; und ihre Meinungen über Epos und Drama psc_058.018
haben sie zu einem äußerlich formulirten Abschluß gebracht. psc_058.019
Wo sich Schiller auf Technisches einläßt, ist er mir werthvoller, psc_058.020
als in seinen allgemeinen Untersuchungen auf psc_058.021
Kantscher Grundlage, die er übrigens selbständig fortbildet, psc_058.022
und die auch von fruchtbaren Bemerkungen durchzogen sind.

psc_058.023

Anstatt hierauf näher einzugehen, ziehe ich es vor, gelegentlich, psc_058.024
bei den Problemen selbst, die Schriften heranzuziehen, psc_058.025
durch die ich mich gefördert finde oder gegen die psc_058.026
mir ausdrückliche Polemik nützlich scheint. Hier soll nur psc_058.027
auf einen Punct hingewiesen werden; dies ist ihre Lehre vom psc_058.028
Jdeal. Über die Geschichte dieses Jdeals sind wir im Allgemeinen

psc_058.001
z. B. über die Methode des epischen Vortrags bei Homer psc_058.002
neues Licht verbreitete.

psc_058.003

  Herder, weniger sorgfältig in der Einzeluntersuchung, psc_058.004
drang doch durch ausgebreitete historische Kenntniß, die psc_058.005
seinen Gesichtskreis erweiterte, sowie durch seine geniale psc_058.006
Analyse, die ihn die starken Urelemente der Poesie herausempfinden psc_058.007
ließ und ihm über die Sprache neue Einsichten psc_058.008
gab, tief in das Jnnere der Poesie und hat durch seine Anregungen psc_058.009
vielleicht am meisten eine neue Poetik vorbereitet.

psc_058.010

  Auf Herders Wege suchte sich früh Goethe zu orientiren, psc_058.011
und Herders Theorie wirkte auf Goethes Praxis. Mit hohem psc_058.012
urpoetischem Umblick hat Goethe stets die Poesie aller Völker psc_058.013
und Zeiten betrachtet, und was er theoretisch über Poesie psc_058.014
äußerte, sind goldene Worte, von denen keins für uns verloren psc_058.015
sein darf.

psc_058.016

  Der Gedankenaustausch mit Schiller galt vielfach technischen psc_058.017
Fragen; und ihre Meinungen über Epos und Drama psc_058.018
haben sie zu einem äußerlich formulirten Abschluß gebracht. psc_058.019
Wo sich Schiller auf Technisches einläßt, ist er mir werthvoller, psc_058.020
als in seinen allgemeinen Untersuchungen auf psc_058.021
Kantscher Grundlage, die er übrigens selbständig fortbildet, psc_058.022
und die auch von fruchtbaren Bemerkungen durchzogen sind.

psc_058.023

  Anstatt hierauf näher einzugehen, ziehe ich es vor, gelegentlich, psc_058.024
bei den Problemen selbst, die Schriften heranzuziehen, psc_058.025
durch die ich mich gefördert finde oder gegen die psc_058.026
mir ausdrückliche Polemik nützlich scheint. Hier soll nur psc_058.027
auf einen Punct hingewiesen werden; dies ist ihre Lehre vom psc_058.028
Jdeal. Über die Geschichte dieses Jdeals sind wir im Allgemeinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0074" n="58"/><lb n="psc_058.001"/>
z. B. über die Methode des epischen Vortrags bei Homer <lb n="psc_058.002"/>
neues Licht verbreitete.</p>
          <lb n="psc_058.003"/>
          <p>  Herder, weniger sorgfältig in der Einzeluntersuchung, <lb n="psc_058.004"/>
drang doch durch ausgebreitete historische Kenntniß, die <lb n="psc_058.005"/>
seinen Gesichtskreis erweiterte, sowie durch seine geniale <lb n="psc_058.006"/>
Analyse, die ihn die starken Urelemente der Poesie herausempfinden <lb n="psc_058.007"/>
ließ und ihm über die Sprache neue Einsichten <lb n="psc_058.008"/>
gab, tief in das Jnnere der Poesie und hat durch seine Anregungen <lb n="psc_058.009"/>
vielleicht am meisten eine neue Poetik vorbereitet.</p>
          <lb n="psc_058.010"/>
          <p>  Auf Herders Wege suchte sich früh Goethe zu orientiren, <lb n="psc_058.011"/>
und Herders Theorie wirkte auf Goethes Praxis. Mit hohem <lb n="psc_058.012"/>
urpoetischem Umblick hat Goethe stets die Poesie aller Völker <lb n="psc_058.013"/>
und Zeiten betrachtet, und was er theoretisch über Poesie <lb n="psc_058.014"/>
äußerte, sind goldene Worte, von denen keins für uns verloren <lb n="psc_058.015"/>
sein darf.</p>
          <lb n="psc_058.016"/>
          <p>  Der Gedankenaustausch mit Schiller galt vielfach technischen <lb n="psc_058.017"/>
Fragen; und ihre Meinungen über Epos und Drama <lb n="psc_058.018"/>
haben sie zu einem äußerlich formulirten Abschluß gebracht. <lb n="psc_058.019"/>
Wo sich Schiller auf Technisches einläßt, ist er mir werthvoller, <lb n="psc_058.020"/>
als in seinen allgemeinen Untersuchungen auf <lb n="psc_058.021"/>
Kantscher Grundlage, die er übrigens selbständig fortbildet, <lb n="psc_058.022"/>
und die auch von fruchtbaren Bemerkungen durchzogen sind.</p>
          <lb n="psc_058.023"/>
          <p>  Anstatt hierauf näher einzugehen, ziehe ich es vor, gelegentlich, <lb n="psc_058.024"/>
bei den Problemen selbst, die Schriften heranzuziehen, <lb n="psc_058.025"/>
durch die ich mich gefördert finde oder gegen die <lb n="psc_058.026"/>
mir ausdrückliche Polemik nützlich scheint. Hier soll nur <lb n="psc_058.027"/>
auf einen Punct hingewiesen werden; dies ist ihre Lehre vom <lb n="psc_058.028"/>
Jdeal. Über die Geschichte dieses Jdeals sind wir im Allgemeinen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0074] psc_058.001 z. B. über die Methode des epischen Vortrags bei Homer psc_058.002 neues Licht verbreitete. psc_058.003   Herder, weniger sorgfältig in der Einzeluntersuchung, psc_058.004 drang doch durch ausgebreitete historische Kenntniß, die psc_058.005 seinen Gesichtskreis erweiterte, sowie durch seine geniale psc_058.006 Analyse, die ihn die starken Urelemente der Poesie herausempfinden psc_058.007 ließ und ihm über die Sprache neue Einsichten psc_058.008 gab, tief in das Jnnere der Poesie und hat durch seine Anregungen psc_058.009 vielleicht am meisten eine neue Poetik vorbereitet. psc_058.010   Auf Herders Wege suchte sich früh Goethe zu orientiren, psc_058.011 und Herders Theorie wirkte auf Goethes Praxis. Mit hohem psc_058.012 urpoetischem Umblick hat Goethe stets die Poesie aller Völker psc_058.013 und Zeiten betrachtet, und was er theoretisch über Poesie psc_058.014 äußerte, sind goldene Worte, von denen keins für uns verloren psc_058.015 sein darf. psc_058.016   Der Gedankenaustausch mit Schiller galt vielfach technischen psc_058.017 Fragen; und ihre Meinungen über Epos und Drama psc_058.018 haben sie zu einem äußerlich formulirten Abschluß gebracht. psc_058.019 Wo sich Schiller auf Technisches einläßt, ist er mir werthvoller, psc_058.020 als in seinen allgemeinen Untersuchungen auf psc_058.021 Kantscher Grundlage, die er übrigens selbständig fortbildet, psc_058.022 und die auch von fruchtbaren Bemerkungen durchzogen sind. psc_058.023   Anstatt hierauf näher einzugehen, ziehe ich es vor, gelegentlich, psc_058.024 bei den Problemen selbst, die Schriften heranzuziehen, psc_058.025 durch die ich mich gefördert finde oder gegen die psc_058.026 mir ausdrückliche Polemik nützlich scheint. Hier soll nur psc_058.027 auf einen Punct hingewiesen werden; dies ist ihre Lehre vom psc_058.028 Jdeal. Über die Geschichte dieses Jdeals sind wir im Allgemeinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/74
Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/74>, abgerufen am 26.04.2024.