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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Erstes Buch.
Sein majestätisches, doch schnell gewelztes Eilen
80Wußt seiner Wässer Stoltz, die Wellen so zu theilen,
Daß eine Stadt, ein Dorf, Feld, Wälder, Berg und Thal
Als Jnseln prangeten, um die der Fluß befahl,
Jndem er den Bezirck mit Wachsamkeit umflosse,
Und in desselben Raum sich hin und her ergosse.

85
Ob gleich zu Zeiten uns das Wolcken-Braun umfieng,
So war doch selten was, das meinem Aug entgieng:
Ein wunderbar Gebüsch, das sehr entfernet stunde,
Schien mir, wie wann es sich von seiner Lage wunde:
Es änderte sich so, daß es sich bald verschlich,
90Und bald zusammen zog, auch voneinander wich:
Es funckelte darinn. Ein Murren, Summen, Schwirren
Bracht mein Gemüth in Sorg', in Zweifel und Verwirren:
Jch hatte mich, so viel die Weite ließ, bemüht,
Daß ich der Seltsamkeit verborgnes Spiel errieth.
95Jedoch je mehr ich mich, es auszuspähn, beflisse;
Je weniger wußt' ich, was es bedeuten müsse;
Biß ich die Führerinn befragte, was es sey:
Da dann dieselbe sprach: "dort kommt ein Heer vorbey;
"Sieh! wie frohlockend es durch Weeg' und Steege ziehet!
100"Sag, ob es nicht für Freud und Lust zu fechten glühet.
So ward ich erst gewahr, daß es ein Volck zu Fuß,
Ein Volck zu Pferde sey, das neben jenem Fluß
Sich

Erſtes Buch.
Sein majeſtaͤtiſches, doch ſchnell gewelztes Eilen
80Wußt ſeiner Waͤſſer Stoltz, die Wellen ſo zu theilen,
Daß eine Stadt, ein Dorf, Feld, Waͤlder, Berg und Thal
Als Jnſeln prangeten, um die der Fluß befahl,
Jndem er den Bezirck mit Wachſamkeit umfloſſe,
Und in deſſelben Raum ſich hin und her ergoſſe.

85
Ob gleich zu Zeiten uns das Wolcken-Braun umfieng,
So war doch ſelten was, das meinem Aug entgieng:
Ein wunderbar Gebuͤſch, das ſehr entfernet ſtunde,
Schien mir, wie wann es ſich von ſeiner Lage wunde:
Es aͤnderte ſich ſo, daß es ſich bald verſchlich,
90Und bald zuſammen zog, auch voneinander wich:
Es funckelte darinn. Ein Murren, Summen, Schwirren
Bracht mein Gemuͤth in Sorg’, in Zweifel und Verwirren:
Jch hatte mich, ſo viel die Weite ließ, bemuͤht,
Daß ich der Seltſamkeit verborgnes Spiel errieth.
95Jedoch je mehr ich mich, es auszuſpaͤhn, befliſſe;
Je weniger wußt’ ich, was es bedeuten muͤſſe;
Biß ich die Fuͤhrerinn befragte, was es ſey:
Da dann dieſelbe ſprach: „dort kommt ein Heer vorbey;
„Sieh! wie frohlockend es durch Weeg’ und Steege ziehet!
100„Sag, ob es nicht fuͤr Freud und Luſt zu fechten gluͤhet.
So ward ich erſt gewahr, daß es ein Volck zu Fuß,
Ein Volck zu Pferde ſey, das neben jenem Fluß
Sich
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[0028] Erſtes Buch. Sein majeſtaͤtiſches, doch ſchnell gewelztes Eilen Wußt ſeiner Waͤſſer Stoltz, die Wellen ſo zu theilen, Daß eine Stadt, ein Dorf, Feld, Waͤlder, Berg und Thal Als Jnſeln prangeten, um die der Fluß befahl, Jndem er den Bezirck mit Wachſamkeit umfloſſe, Und in deſſelben Raum ſich hin und her ergoſſe. Ob gleich zu Zeiten uns das Wolcken-Braun umfieng, So war doch ſelten was, das meinem Aug entgieng: Ein wunderbar Gebuͤſch, das ſehr entfernet ſtunde, Schien mir, wie wann es ſich von ſeiner Lage wunde: Es aͤnderte ſich ſo, daß es ſich bald verſchlich, Und bald zuſammen zog, auch voneinander wich: Es funckelte darinn. Ein Murren, Summen, Schwirren Bracht mein Gemuͤth in Sorg’, in Zweifel und Verwirren: Jch hatte mich, ſo viel die Weite ließ, bemuͤht, Daß ich der Seltſamkeit verborgnes Spiel errieth. Jedoch je mehr ich mich, es auszuſpaͤhn, befliſſe; Je weniger wußt’ ich, was es bedeuten muͤſſe; Biß ich die Fuͤhrerinn befragte, was es ſey: Da dann dieſelbe ſprach: „dort kommt ein Heer vorbey; „Sieh! wie frohlockend es durch Weeg’ und Steege ziehet! „Sag, ob es nicht fuͤr Freud und Luſt zu fechten gluͤhet. So ward ich erſt gewahr, daß es ein Volck zu Fuß, Ein Volck zu Pferde ſey, das neben jenem Fluß Sich

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/28>, abgerufen am 27.04.2024.