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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Neuntes Buch.
"Es waltet nur in mir ein so beflißner Geist,
"Der den Nachkömmlingen den Ruhm der Vorwelt weist.
35"Jch kann denselbigen die längst verfloßnen Sachen
"Durch meine Kunst so viel als gegenwärtig machen.
"Wer wußt etwas von euch, nachdem ihr in dem Grab,
"Und etwan ich davon nichts aufgezeichnet hab?
"Hätt meine Zunge nichts gelehret, stets geschwiegen,
40"Wie wär das Alterthum biß zu dem Tag gestiegen?
"Die Thaten, denen es an meinem Kiel gefehlt,
"Hält die Vergessenheit in Finsternis verhöhlt.
"So groß ein Feld-Herr war, prangt er nicht in den Schriften,
"So deckt ihn Rost und Staub in unbekannten Grüften.
45
"Du, Dicht-Kunst! prahl dich nur! was weiß man von der Zeit
"Da nichts als dein Gesang die Helden eingeweiht?
"Hätt man sich meines Kiels, nicht deiner Leyr bedienet;
"So wußte man, was dort zum Heil des Lands gegrünet.
"Was hilfft der Cither Klang? wo ist dein Ehrenmahl?
50"Was weiß man jezt davon? zeig jener Helden Zahl
"Woher der Deutschen Herz, Treu, Großmuth, Ruhm entsprungen;
"Jch hätte sie dem Fraß der Zeiten abgezwungen.
"Mein Schall verliehrt sich nicht, er klinget immerfort,
"Die Zeit verzehrt ihn nicht, sie schärfft ein jedes Wort;
55"Von mir bekommt der Ruhm stets Kraft und neues Leben,
"Selbst die Unsterblichkeit pflegt mir das Lob zu geben.
"Nur
Neuntes Buch.
„Es waltet nur in mir ein ſo beflißner Geiſt,
„Der den Nachkoͤmmlingen den Ruhm der Vorwelt weiſt.
35„Jch kann denſelbigen die laͤngſt verfloßnen Sachen
„Durch meine Kunſt ſo viel als gegenwaͤrtig machen.
„Wer wußt etwas von euch, nachdem ihr in dem Grab,
„Und etwan ich davon nichts aufgezeichnet hab?
„Haͤtt meine Zunge nichts gelehret, ſtets geſchwiegen,
40„Wie waͤr das Alterthum biß zu dem Tag geſtiegen?
„Die Thaten, denen es an meinem Kiel gefehlt,
„Haͤlt die Vergeſſenheit in Finſternis verhoͤhlt.
„So groß ein Feld-Herꝛ war, prangt er nicht in den Schriften,
„So deckt ihn Roſt und Staub in unbekannten Gruͤften.
45
„Du, Dicht-Kunſt! prahl dich nur! was weiß man von der Zeit
„Da nichts als dein Geſang die Helden eingeweiht?
„Haͤtt man ſich meines Kiels, nicht deiner Leyr bedienet;
„So wußte man, was dort zum Heil des Lands gegruͤnet.
„Was hilfft der Cither Klang? wo iſt dein Ehrenmahl?
50„Was weiß man jezt davon? zeig jener Helden Zahl
„Woher der Deutſchen Herz, Treu, Großmuth, Ruhm entſprungen;
„Jch haͤtte ſie dem Fraß der Zeiten abgezwungen.
„Mein Schall verliehrt ſich nicht, er klinget immerfort,
„Die Zeit verzehrt ihn nicht, ſie ſchaͤrfft ein jedes Wort;
55„Von mir bekommt der Ruhm ſtets Kraft und neues Leben,
„Selbſt die Unſterblichkeit pflegt mir das Lob zu geben.
„Nur
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[0065] Neuntes Buch. „Es waltet nur in mir ein ſo beflißner Geiſt, „Der den Nachkoͤmmlingen den Ruhm der Vorwelt weiſt. „Jch kann denſelbigen die laͤngſt verfloßnen Sachen „Durch meine Kunſt ſo viel als gegenwaͤrtig machen. „Wer wußt etwas von euch, nachdem ihr in dem Grab, „Und etwan ich davon nichts aufgezeichnet hab? „Haͤtt meine Zunge nichts gelehret, ſtets geſchwiegen, „Wie waͤr das Alterthum biß zu dem Tag geſtiegen? „Die Thaten, denen es an meinem Kiel gefehlt, „Haͤlt die Vergeſſenheit in Finſternis verhoͤhlt. „So groß ein Feld-Herꝛ war, prangt er nicht in den Schriften, „So deckt ihn Roſt und Staub in unbekannten Gruͤften. „Du, Dicht-Kunſt! prahl dich nur! was weiß man von der Zeit „Da nichts als dein Geſang die Helden eingeweiht? „Haͤtt man ſich meines Kiels, nicht deiner Leyr bedienet; „So wußte man, was dort zum Heil des Lands gegruͤnet. „Was hilfft der Cither Klang? wo iſt dein Ehrenmahl? „Was weiß man jezt davon? zeig jener Helden Zahl „Woher der Deutſchen Herz, Treu, Großmuth, Ruhm entſprungen; „Jch haͤtte ſie dem Fraß der Zeiten abgezwungen. „Mein Schall verliehrt ſich nicht, er klinget immerfort, „Die Zeit verzehrt ihn nicht, ſie ſchaͤrfft ein jedes Wort; „Von mir bekommt der Ruhm ſtets Kraft und neues Leben, „Selbſt die Unſterblichkeit pflegt mir das Lob zu geben. „Nur

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/65>, abgerufen am 29.04.2024.