Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

sischen Natur bis in den Menschen verfolgen. Wo
sehen wir sie auch nur einmal diese Ordnung um¬
kehren, und den Zweck des Menschen der physi¬
schen Welt unterwerfen? Und wie wollen Sie die¬
se auswärtige Bestimmung mit dem Glückselig¬
keitstriebe vereinigen, der alle seine Bestrebungen
einwärts gegen ihn selbst richtet?

"Lassen Sie uns doch versuchen. Um mich
kürzer zu fassen, muß ich mich wieder Ihrer Spra¬
che bedienen. Setzen wir also, daß moralische Er¬
scheinungen nöthig waren, wie Licht und Schall
nöthig waren, so mußten Wesen vorhanden seyn,
die diesem besondern Geschäfte zugebildet waren,
so wie Aether und Luft gerade so und nicht anders
beschaffen seyn mußten, um derjenigen Anzahl von
Schwingungen fähig zu seyn, die uns die Vorstel¬
lung von Farbe und Wohlklang geben. Es mu߬
ten also Wesen existiren, die sich selbst in Bewe¬
gung setzen, weil die moralische Erscheinung auf
der Freyheit beruhet; was also bey Luft und Aether,
bey dem Mineral und der Pflanze die ursprüngliche
Form leistet, mußte hier von einem innern
Principium erhalten werden, gegen welches sich die
Beweggründe oder die bewegenden Kräfte dieses
Wesens ungefähr eben so verhielten, als die bewe¬
genden Kräfte der Pflanze gegen den beständigen Ty¬
pus ihres Baues. Wie sie das bloß organische
Wesen durch eine unveränderliche Mechanik lenkt,
so mußte sie das denkendempfindende Wesen durch
Schmerz und Vergnügen bewegen."

Ganz richtig.

"Wir

ſiſchen Natur bis in den Menſchen verfolgen. Wo
ſehen wir ſie auch nur einmal dieſe Ordnung um¬
kehren, und den Zweck des Menſchen der phyſi¬
ſchen Welt unterwerfen? Und wie wollen Sie die¬
ſe auswärtige Beſtimmung mit dem Glückſelig¬
keitstriebe vereinigen, der alle ſeine Beſtrebungen
einwärts gegen ihn ſelbſt richtet?

„Laſſen Sie uns doch verſuchen. Um mich
kürzer zu faſſen, muß ich mich wieder Ihrer Spra¬
che bedienen. Setzen wir alſo, daß moraliſche Er¬
ſcheinungen nöthig waren, wie Licht und Schall
nöthig waren, ſo mußten Weſen vorhanden ſeyn,
die dieſem beſondern Geſchäfte zugebildet waren,
ſo wie Aether und Luft gerade ſo und nicht anders
beſchaffen ſeyn mußten, um derjenigen Anzahl von
Schwingungen fähig zu ſeyn, die uns die Vorſtel¬
lung von Farbe und Wohlklang geben. Es mu߬
ten alſo Weſen exiſtiren, die ſich ſelbſt in Bewe¬
gung ſetzen, weil die moraliſche Erſcheinung auf
der Freyheit beruhet; was alſo bey Luft und Aether,
bey dem Mineral und der Pflanze die urſprüngliche
Form leiſtet, mußte hier von einem innern
Principium erhalten werden, gegen welches ſich die
Beweggründe oder die bewegenden Kräfte dieſes
Weſens ungefähr eben ſo verhielten, als die bewe¬
genden Kräfte der Pflanze gegen den beſtändigen Ty¬
pus ihres Baues. Wie ſie das bloß organiſche
Weſen durch eine unveränderliche Mechanik lenkt,
ſo mußte ſie das denkendempfindende Weſen durch
Schmerz und Vergnügen bewegen.“

Ganz richtig.

„Wir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0140" n="132"/>
&#x017F;i&#x017F;chen Natur bis in den Men&#x017F;chen verfolgen. Wo<lb/>
&#x017F;ehen wir &#x017F;ie auch nur einmal die&#x017F;e Ordnung um¬<lb/>
kehren, und den Zweck des Men&#x017F;chen der phy&#x017F;<lb/>
&#x017F;chen Welt unterwerfen? Und wie wollen Sie die¬<lb/>
&#x017F;e <hi rendition="#g">auswärtige</hi> Be&#x017F;timmung mit dem Glück&#x017F;elig¬<lb/>
keitstriebe vereinigen, der alle &#x017F;eine Be&#x017F;trebungen<lb/><hi rendition="#g">einwärts</hi> gegen ihn &#x017F;elb&#x017F;t richtet?</p><lb/>
            <p>&#x201E;La&#x017F;&#x017F;en Sie uns doch ver&#x017F;uchen. Um mich<lb/>
kürzer zu fa&#x017F;&#x017F;en, muß ich mich wieder Ihrer Spra¬<lb/>
che bedienen. Setzen wir al&#x017F;o, daß morali&#x017F;che Er¬<lb/>
&#x017F;cheinungen nöthig waren, wie Licht und Schall<lb/>
nöthig waren, &#x017F;o mußten We&#x017F;en vorhanden &#x017F;eyn,<lb/>
die die&#x017F;em be&#x017F;ondern Ge&#x017F;chäfte zugebildet waren,<lb/>
&#x017F;o wie Aether und Luft gerade &#x017F;o und nicht anders<lb/>
be&#x017F;chaffen &#x017F;eyn mußten, um derjenigen Anzahl von<lb/>
Schwingungen fähig zu &#x017F;eyn, die uns die Vor&#x017F;tel¬<lb/>
lung von Farbe und Wohlklang geben. Es mu߬<lb/>
ten al&#x017F;o We&#x017F;en exi&#x017F;tiren, die &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t in Bewe¬<lb/>
gung &#x017F;etzen, weil die morali&#x017F;che Er&#x017F;cheinung auf<lb/>
der Freyheit beruhet; was al&#x017F;o bey Luft und Aether,<lb/>
bey dem Mineral und der Pflanze die ur&#x017F;prüngliche<lb/>
Form lei&#x017F;tet, mußte hier von einem <hi rendition="#g">innern</hi><lb/>
Principium erhalten werden, gegen welches &#x017F;ich die<lb/>
Beweggründe oder die bewegenden Kräfte die&#x017F;es<lb/>
We&#x017F;ens ungefähr eben &#x017F;o verhielten, als die bewe¬<lb/>
genden Kräfte der Pflanze gegen den be&#x017F;tändigen Ty¬<lb/>
pus ihres Baues. Wie &#x017F;ie das bloß organi&#x017F;che<lb/>
We&#x017F;en durch eine unveränderliche Mechanik lenkt,<lb/>
&#x017F;o mußte &#x017F;ie das denkendempfindende We&#x017F;en durch<lb/>
Schmerz und Vergnügen bewegen.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Ganz richtig.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Wir<lb/></fw>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0140] ſiſchen Natur bis in den Menſchen verfolgen. Wo ſehen wir ſie auch nur einmal dieſe Ordnung um¬ kehren, und den Zweck des Menſchen der phyſi¬ ſchen Welt unterwerfen? Und wie wollen Sie die¬ ſe auswärtige Beſtimmung mit dem Glückſelig¬ keitstriebe vereinigen, der alle ſeine Beſtrebungen einwärts gegen ihn ſelbſt richtet? „Laſſen Sie uns doch verſuchen. Um mich kürzer zu faſſen, muß ich mich wieder Ihrer Spra¬ che bedienen. Setzen wir alſo, daß moraliſche Er¬ ſcheinungen nöthig waren, wie Licht und Schall nöthig waren, ſo mußten Weſen vorhanden ſeyn, die dieſem beſondern Geſchäfte zugebildet waren, ſo wie Aether und Luft gerade ſo und nicht anders beſchaffen ſeyn mußten, um derjenigen Anzahl von Schwingungen fähig zu ſeyn, die uns die Vorſtel¬ lung von Farbe und Wohlklang geben. Es mu߬ ten alſo Weſen exiſtiren, die ſich ſelbſt in Bewe¬ gung ſetzen, weil die moraliſche Erſcheinung auf der Freyheit beruhet; was alſo bey Luft und Aether, bey dem Mineral und der Pflanze die urſprüngliche Form leiſtet, mußte hier von einem innern Principium erhalten werden, gegen welches ſich die Beweggründe oder die bewegenden Kräfte dieſes Weſens ungefähr eben ſo verhielten, als die bewe¬ genden Kräfte der Pflanze gegen den beſtändigen Ty¬ pus ihres Baues. Wie ſie das bloß organiſche Weſen durch eine unveränderliche Mechanik lenkt, ſo mußte ſie das denkendempfindende Weſen durch Schmerz und Vergnügen bewegen.“ Ganz richtig. „Wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/140
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/140>, abgerufen am 12.05.2024.