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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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empfingen den Schlag, als ich es mit der Hand be¬
rührte."

"Sie befahlen uns, dem Grafen von O** und
mir," sagte Lord Seymour, "zwey bloße Degen
kreuzweise über Ihrem Scheitel zu halten, so lan¬
ge die Beschwörung dauern würde. Wozu nun
dieses?"

"Zu nichts weiter als um Sie beyde, denen
ich am wenigsten traute, während des ganzen Actus
zu beschäftigen. Sie erinnern sich, daß ich Ihnen
ausdrücklich einen Zoll hoch bestimmte; dadurch,
daß Sie diese Entfernung immer in Acht nehmen
mußten, waren sie verhindert, Ihre Blicke dahin
zu richten, wo ich sie nicht gerne haben wollte.
Meinen schlimmsten Feind hatte ich damals noch
gar nicht ins Auge gefaßt."

"Ich gestehe," rief Lord Seymour, "daß dieß
vorsichtig gehandelt heißt -- aber warum mußten
wir ausgekleidet seyn?"

"Bloß um der Handlung eine Feyerlichkeit mehr
zu geben, und durch das Ungewöhnliche Ihre
Einbildungskraft zu spannen.

"Die zwote Erscheinung ließ Ihren Geist nicht
zum Wort kommen," sagte der Prinz. "Was hät¬
ten wir eigentlich von ihm erfahren sollen?"

"Beynahe dasselbe, was Sie nachher gehört
haben. Ich fragte Eure Durchlaucht nicht ohne
Absicht, ob Sie mir auch alles gesagt, was Ihnen
der Sterbende aufgetragen, und ob Sie keine wei¬
tere Nachfragen wegen seiner in seinem Vaterlande
gethan; dieses fand ich nöthig, um nicht gegen

That¬

empfingen den Schlag, als ich es mit der Hand be¬
rührte.“

„Sie befahlen uns, dem Grafen von O** und
mir,“ ſagte Lord Seymour, „zwey bloße Degen
kreuzweiſe über Ihrem Scheitel zu halten, ſo lan¬
ge die Beſchwörung dauern würde. Wozu nun
dieſes?“

„Zu nichts weiter als um Sie beyde, denen
ich am wenigſten traute, während des ganzen Actus
zu beſchäftigen. Sie erinnern ſich, daß ich Ihnen
ausdrücklich einen Zoll hoch beſtimmte; dadurch,
daß Sie dieſe Entfernung immer in Acht nehmen
mußten, waren ſie verhindert, Ihre Blicke dahin
zu richten, wo ich ſie nicht gerne haben wollte.
Meinen ſchlimmſten Feind hatte ich damals noch
gar nicht ins Auge gefaßt.“

„Ich geſtehe,“ rief Lord Seymour, „daß dieß
vorſichtig gehandelt heißt — aber warum mußten
wir ausgekleidet ſeyn?“

„Bloß um der Handlung eine Feyerlichkeit mehr
zu geben, und durch das Ungewöhnliche Ihre
Einbildungskraft zu ſpannen.

„Die zwote Erſcheinung ließ Ihren Geiſt nicht
zum Wort kommen,“ ſagte der Prinz. „Was hät¬
ten wir eigentlich von ihm erfahren ſollen?“

„Beynahe daſſelbe, was Sie nachher gehört
haben. Ich fragte Eure Durchlaucht nicht ohne
Abſicht, ob Sie mir auch alles geſagt, was Ihnen
der Sterbende aufgetragen, und ob Sie keine wei¬
tere Nachfragen wegen ſeiner in ſeinem Vaterlande
gethan; dieſes fand ich nöthig, um nicht gegen

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[48/0056] empfingen den Schlag, als ich es mit der Hand be¬ rührte.“ „Sie befahlen uns, dem Grafen von O** und mir,“ ſagte Lord Seymour, „zwey bloße Degen kreuzweiſe über Ihrem Scheitel zu halten, ſo lan¬ ge die Beſchwörung dauern würde. Wozu nun dieſes?“ „Zu nichts weiter als um Sie beyde, denen ich am wenigſten traute, während des ganzen Actus zu beſchäftigen. Sie erinnern ſich, daß ich Ihnen ausdrücklich einen Zoll hoch beſtimmte; dadurch, daß Sie dieſe Entfernung immer in Acht nehmen mußten, waren ſie verhindert, Ihre Blicke dahin zu richten, wo ich ſie nicht gerne haben wollte. Meinen ſchlimmſten Feind hatte ich damals noch gar nicht ins Auge gefaßt.“ „Ich geſtehe,“ rief Lord Seymour, „daß dieß vorſichtig gehandelt heißt — aber warum mußten wir ausgekleidet ſeyn?“ „Bloß um der Handlung eine Feyerlichkeit mehr zu geben, und durch das Ungewöhnliche Ihre Einbildungskraft zu ſpannen. „Die zwote Erſcheinung ließ Ihren Geiſt nicht zum Wort kommen,“ ſagte der Prinz. „Was hät¬ ten wir eigentlich von ihm erfahren ſollen?“ „Beynahe daſſelbe, was Sie nachher gehört haben. Ich fragte Eure Durchlaucht nicht ohne Abſicht, ob Sie mir auch alles geſagt, was Ihnen der Sterbende aufgetragen, und ob Sie keine wei¬ tere Nachfragen wegen ſeiner in ſeinem Vaterlande gethan; dieſes fand ich nöthig, um nicht gegen That¬

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/56>, abgerufen am 08.05.2024.