Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

verlassen, wo seine Religion unterdrückt war. Jezt zum erstenmal erfreute sich also die Lehre Luthers einer positiven Sanktion, und wenn sie auch in Bayern oder in Oesterreich im Staube lag, so konnte sie sich damit trösten, daß sie in Sachsen und in Thüringen thronte. Den Regenten war es aber nun doch allein überlassen, welche Religion in ihren Landen gelten, und welche darnieder liegen sollte; für den Unterthan, der auf dem Reichstage keinen Repräsentanten hatte, war in diesem Frieden gar wenig gesorgt. Bloß allein in geistlichen Ländern, in welchen die katholische Religion unwiderruflich die herrschende blieb, wurde den protestantischen Unterthanen, (welche es damals schon waren) die freye Religionsübung ausgewirkt; aber auch diese nur durch eine persöhnliche Versicherung des Römischen Königs Ferdinand, der diesen Frieden zu Stande brachte; eine Versicherung, die von dem katholischen Reichstheile widersprochen, und mit diesem Widerspruch in das Friedensinstrument eingetragen, keine Gesezeskraft erhielt.

Wären es übrigens nur Meinungen gewesen, was die Gemüther trennte - wie gleichgültig hätte man dieser Trennung zugesehen! Aber an diesen Meinungen hingen Reichthümer, Würden und Rechte; ein Umstand, der die Scheidung unendlich erschwerte. Von zwey Brüdern, die das väterliche Vermögen bis hieher gemeinschaftlich genossen, verließ jezt einer das väterliche Haus, und die Nothwendigkeit trat ein, mit dem daheim bleibenden Bruder abzutheilen. Der Vater hatte für den Fall der Trennung nichts bestimmt, weil ihm von dieser Trennung nichts ahnden konnte. Aus den wohlthätigen Stiftungen der Vorältern war der Reichthum der Kirche, innerhalb eines Jahrtausends, zusammengeflossen, und diese Vorältern gehörten dem Weggehenden eben so gut an, als dem, der zurück blieb. Haftete nun das Erbrecht bloß an dem väterlichen Hause,

verlassen, wo seine Religion unterdrückt war. Jezt zum erstenmal erfreute sich also die Lehre Luthers einer positiven Sanktion, und wenn sie auch in Bayern oder in Oesterreich im Staube lag, so konnte sie sich damit trösten, daß sie in Sachsen und in Thüringen thronte. Den Regenten war es aber nun doch allein überlassen, welche Religion in ihren Landen gelten, und welche darnieder liegen sollte; für den Unterthan, der auf dem Reichstage keinen Repräsentanten hatte, war in diesem Frieden gar wenig gesorgt. Bloß allein in geistlichen Ländern, in welchen die katholische Religion unwiderruflich die herrschende blieb, wurde den protestantischen Unterthanen, (welche es damals schon waren) die freye Religionsübung ausgewirkt; aber auch diese nur durch eine persöhnliche Versicherung des Römischen Königs Ferdinand, der diesen Frieden zu Stande brachte; eine Versicherung, die von dem katholischen Reichstheile widersprochen, und mit diesem Widerspruch in das Friedensinstrument eingetragen, keine Gesezeskraft erhielt.

Wären es übrigens nur Meinungen gewesen, was die Gemüther trennte – wie gleichgültig hätte man dieser Trennung zugesehen! Aber an diesen Meinungen hingen Reichthümer, Würden und Rechte; ein Umstand, der die Scheidung unendlich erschwerte. Von zwey Brüdern, die das väterliche Vermögen bis hieher gemeinschaftlich genossen, verließ jezt einer das väterliche Haus, und die Nothwendigkeit trat ein, mit dem daheim bleibenden Bruder abzutheilen. Der Vater hatte für den Fall der Trennung nichts bestimmt, weil ihm von dieser Trennung nichts ahnden konnte. Aus den wohlthätigen Stiftungen der Vorältern war der Reichthum der Kirche, innerhalb eines Jahrtausends, zusammengeflossen, und diese Vorältern gehörten dem Weggehenden eben so gut an, als dem, der zurück blieb. Haftete nun das Erbrecht bloß an dem väterlichen Hause,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0021" n="13"/>
verlassen, wo seine Religion           unterdrückt war. Jezt zum erstenmal erfreute sich also die Lehre Luthers einer positiven           Sanktion, und wenn sie auch in Bayern oder in Oesterreich im Staube lag, so konnte sie           sich damit trösten, daß sie in Sachsen und in Thüringen <hi rendition="#fr">thronte</hi>.           Den <hi rendition="#fr">Regenten</hi> war es aber nun doch allein überlassen, welche           Religion in ihren Landen gelten, und welche darnieder liegen sollte; für den Unterthan,           der auf dem Reichstage keinen Repräsentanten hatte, war in diesem Frieden gar wenig           gesorgt. Bloß allein in geistlichen Ländern, in welchen die katholische Religion           unwiderruflich die herrschende blieb, wurde den protestantischen Unterthanen, (welche es           damals schon waren) die freye Religionsübung ausgewirkt; aber auch diese nur durch eine           persöhnliche Versicherung des Römischen Königs Ferdinand, der diesen Frieden zu Stande           brachte; eine Versicherung, die von dem katholischen Reichstheile widersprochen, und mit           diesem Widerspruch in das Friedensinstrument eingetragen, keine Gesezeskraft erhielt.</p>
        <p>Wären es übrigens nur Meinungen gewesen, was die Gemüther trennte &#x2013; wie gleichgültig           hätte man dieser Trennung zugesehen! Aber an diesen Meinungen hingen <hi rendition="#fr">Reichthümer, Würden</hi> und <hi rendition="#fr">Rechte</hi>; ein Umstand, der die           Scheidung unendlich erschwerte. Von zwey Brüdern, die das väterliche Vermögen bis hieher           gemeinschaftlich genossen, verließ jezt einer das väterliche Haus, und die Nothwendigkeit           trat ein, mit dem daheim bleibenden Bruder <hi rendition="#fr">abzutheilen</hi>. Der Vater           hatte für den Fall der Trennung nichts bestimmt, weil ihm von dieser Trennung nichts           ahnden konnte. Aus den wohlthätigen Stiftungen der Vorältern war der Reichthum der Kirche,           innerhalb eines Jahrtausends, zusammengeflossen, und diese Vorältern gehörten dem           Weggehenden eben so gut an, als dem, der zurück blieb. Haftete nun das Erbrecht bloß an           dem väterlichen Hause,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0021] verlassen, wo seine Religion unterdrückt war. Jezt zum erstenmal erfreute sich also die Lehre Luthers einer positiven Sanktion, und wenn sie auch in Bayern oder in Oesterreich im Staube lag, so konnte sie sich damit trösten, daß sie in Sachsen und in Thüringen thronte. Den Regenten war es aber nun doch allein überlassen, welche Religion in ihren Landen gelten, und welche darnieder liegen sollte; für den Unterthan, der auf dem Reichstage keinen Repräsentanten hatte, war in diesem Frieden gar wenig gesorgt. Bloß allein in geistlichen Ländern, in welchen die katholische Religion unwiderruflich die herrschende blieb, wurde den protestantischen Unterthanen, (welche es damals schon waren) die freye Religionsübung ausgewirkt; aber auch diese nur durch eine persöhnliche Versicherung des Römischen Königs Ferdinand, der diesen Frieden zu Stande brachte; eine Versicherung, die von dem katholischen Reichstheile widersprochen, und mit diesem Widerspruch in das Friedensinstrument eingetragen, keine Gesezeskraft erhielt. Wären es übrigens nur Meinungen gewesen, was die Gemüther trennte – wie gleichgültig hätte man dieser Trennung zugesehen! Aber an diesen Meinungen hingen Reichthümer, Würden und Rechte; ein Umstand, der die Scheidung unendlich erschwerte. Von zwey Brüdern, die das väterliche Vermögen bis hieher gemeinschaftlich genossen, verließ jezt einer das väterliche Haus, und die Nothwendigkeit trat ein, mit dem daheim bleibenden Bruder abzutheilen. Der Vater hatte für den Fall der Trennung nichts bestimmt, weil ihm von dieser Trennung nichts ahnden konnte. Aus den wohlthätigen Stiftungen der Vorältern war der Reichthum der Kirche, innerhalb eines Jahrtausends, zusammengeflossen, und diese Vorältern gehörten dem Weggehenden eben so gut an, als dem, der zurück blieb. Haftete nun das Erbrecht bloß an dem väterlichen Hause,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/21
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/21>, abgerufen am 05.10.2024.