Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

und die man sich bey flüchtigen Entwürfen erlaubt, oder auch wohl, um ihr Feuer zu beweisen, mit Fleiß anbringt. Alles ist mit dem wenigsten gemacht; seine Umrisse vereinigen die bedeutsame Keckheit des ersten Gedankens mit der Sorgfalt und Zierlichkeit der ausgeführtesten Behandlung. Er schreibt den menschlichen Körper in seinen verschiedensten Bestimmungen und Ansichten mit Sicherheit hin, ohne sich dabey, wie meistens die fertigen Schreiber, Schnörkel an den Buchstaben angewöhnt zu haben.

Ferner in der Wahl der Dichter sowohl als der einzelnen Gegenstände aus ihnen, zeigt der Künstler das richtigste Urtheil, und, wenn man so sagen darf, ein plastisches Dichtergefühl. Zwar ist mit diesen dreyen keinesweges der Kreis derer geschlossen, die einer pittoresken Begleitung fähig sind; noch auch mit den gelieferten Skizzen der ganze Reichthum an Szenen, welche sie darbieten, erschöpft: aber günstigere Dichter für ein solches Unternehmen konnte er doch schwerlich finden, und er hat so gewählt, daß er bey jedem etwas in einem eignen Styl leisten konnte. Aus dem Homer Gegenstände zu Gemählden zu nehmen, ist vielfältig mit antiquarischer und artistischer Wärme empfohlen worden. Daß er, nach Winkelmanns Ausdruck, nicht in Bildern spricht, sondern fortschreitende Bilder giebt, fühlten gewiß auch die Alten, wie unter anderm die Anekdote von der Jdee des Phidias zum Olympischen Jupiter zeigt. Unter den Tragikern verdiente Aeschylus unstreitig den Vorrang, wenn die strenge Hoheit der idealischen Bühne der Griechen sichtbar gemacht werden

und die man sich bey fluͤchtigen Entwuͤrfen erlaubt, oder auch wohl, um ihr Feuer zu beweisen, mit Fleiß anbringt. Alles ist mit dem wenigsten gemacht; seine Umrisse vereinigen die bedeutsame Keckheit des ersten Gedankens mit der Sorgfalt und Zierlichkeit der ausgefuͤhrtesten Behandlung. Er schreibt den menschlichen Koͤrper in seinen verschiedensten Bestimmungen und Ansichten mit Sicherheit hin, ohne sich dabey, wie meistens die fertigen Schreiber, Schnoͤrkel an den Buchstaben angewoͤhnt zu haben.

Ferner in der Wahl der Dichter sowohl als der einzelnen Gegenstaͤnde aus ihnen, zeigt der Kuͤnstler das richtigste Urtheil, und, wenn man so sagen darf, ein plastisches Dichtergefuͤhl. Zwar ist mit diesen dreyen keinesweges der Kreis derer geschlossen, die einer pittoresken Begleitung faͤhig sind; noch auch mit den gelieferten Skizzen der ganze Reichthum an Szenen, welche sie darbieten, erschoͤpft: aber guͤnstigere Dichter fuͤr ein solches Unternehmen konnte er doch schwerlich finden, und er hat so gewaͤhlt, daß er bey jedem etwas in einem eignen Styl leisten konnte. Aus dem Homer Gegenstaͤnde zu Gemaͤhlden zu nehmen, ist vielfaͤltig mit antiquarischer und artistischer Waͤrme empfohlen worden. Daß er, nach Winkelmanns Ausdruck, nicht in Bildern spricht, sondern fortschreitende Bilder giebt, fuͤhlten gewiß auch die Alten, wie unter anderm die Anekdote von der Jdee des Phidias zum Olympischen Jupiter zeigt. Unter den Tragikern verdiente Aeschylus unstreitig den Vorrang, wenn die strenge Hoheit der idealischen Buͤhne der Griechen sichtbar gemacht werden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0217" n="207"/>
und die man sich bey flu&#x0364;chtigen Entwu&#x0364;rfen erlaubt, oder auch wohl, um ihr Feuer zu beweisen, mit Fleiß anbringt. Alles ist mit dem wenigsten gemacht; seine Umrisse vereinigen die bedeutsame Keckheit des ersten Gedankens mit der Sorgfalt und Zierlichkeit der ausgefu&#x0364;hrtesten Behandlung. Er schreibt den menschlichen Ko&#x0364;rper in seinen verschiedensten Bestimmungen und Ansichten mit Sicherheit hin, ohne sich dabey, wie meistens die fertigen Schreiber, Schno&#x0364;rkel an den Buchstaben angewo&#x0364;hnt zu haben.</p><lb/>
          <p>Ferner in der Wahl der Dichter sowohl als der einzelnen Gegensta&#x0364;nde aus ihnen, zeigt der Ku&#x0364;nstler das richtigste Urtheil, und, wenn man so sagen darf, ein plastisches Dichtergefu&#x0364;hl. Zwar ist mit diesen dreyen keinesweges der Kreis derer geschlossen, die einer pittoresken Begleitung fa&#x0364;hig sind; noch auch mit den gelieferten Skizzen der ganze Reichthum an Szenen, welche sie darbieten, erscho&#x0364;pft: aber gu&#x0364;nstigere Dichter fu&#x0364;r ein solches Unternehmen konnte er doch schwerlich finden, und er hat so gewa&#x0364;hlt, daß er bey jedem etwas in einem eignen Styl leisten konnte. Aus dem Homer Gegensta&#x0364;nde zu Gema&#x0364;hlden zu nehmen, ist vielfa&#x0364;ltig mit antiquarischer und artistischer Wa&#x0364;rme empfohlen worden. Daß er, nach Winkelmanns Ausdruck, nicht in Bildern spricht, sondern fortschreitende Bilder giebt, fu&#x0364;hlten gewiß auch die Alten, wie unter anderm die Anekdote von der Jdee des Phidias zum Olympischen Jupiter zeigt. Unter den Tragikern verdiente Aeschylus unstreitig den Vorrang, wenn die strenge Hoheit der idealischen Bu&#x0364;hne der Griechen sichtbar gemacht werden
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0217] und die man sich bey fluͤchtigen Entwuͤrfen erlaubt, oder auch wohl, um ihr Feuer zu beweisen, mit Fleiß anbringt. Alles ist mit dem wenigsten gemacht; seine Umrisse vereinigen die bedeutsame Keckheit des ersten Gedankens mit der Sorgfalt und Zierlichkeit der ausgefuͤhrtesten Behandlung. Er schreibt den menschlichen Koͤrper in seinen verschiedensten Bestimmungen und Ansichten mit Sicherheit hin, ohne sich dabey, wie meistens die fertigen Schreiber, Schnoͤrkel an den Buchstaben angewoͤhnt zu haben. Ferner in der Wahl der Dichter sowohl als der einzelnen Gegenstaͤnde aus ihnen, zeigt der Kuͤnstler das richtigste Urtheil, und, wenn man so sagen darf, ein plastisches Dichtergefuͤhl. Zwar ist mit diesen dreyen keinesweges der Kreis derer geschlossen, die einer pittoresken Begleitung faͤhig sind; noch auch mit den gelieferten Skizzen der ganze Reichthum an Szenen, welche sie darbieten, erschoͤpft: aber guͤnstigere Dichter fuͤr ein solches Unternehmen konnte er doch schwerlich finden, und er hat so gewaͤhlt, daß er bey jedem etwas in einem eignen Styl leisten konnte. Aus dem Homer Gegenstaͤnde zu Gemaͤhlden zu nehmen, ist vielfaͤltig mit antiquarischer und artistischer Waͤrme empfohlen worden. Daß er, nach Winkelmanns Ausdruck, nicht in Bildern spricht, sondern fortschreitende Bilder giebt, fuͤhlten gewiß auch die Alten, wie unter anderm die Anekdote von der Jdee des Phidias zum Olympischen Jupiter zeigt. Unter den Tragikern verdiente Aeschylus unstreitig den Vorrang, wenn die strenge Hoheit der idealischen Buͤhne der Griechen sichtbar gemacht werden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/217
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/217>, abgerufen am 19.05.2024.