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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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kens und jener Betrübniß, die der erste Abfall
von Gott zur Folge haben mußte.

Daß die Fantasie den Widerspruch und Zwi-
schenraum zwischen dem Gedanken des vollkomm-
nen Wesens und dem Anblick der unvollkomm-
nen äussern Welt kaum auf eine leichtere und
natürlichere Art ausfüllen konnte, als durch die
Ansicht der Emanation, wird jeder gern zugeben.
Sie ist nicht nur Wurzel des ältesten und allge-
meinsten Aberglaubens, sondern auch eine reiche
Quelle der Dichtung geworden. Alles ist dieser
Ansicht gemäß ein Ausfluß der Gottheit, jedes
Wesen selbst ein nur beschränkter, gebundner,
verdunkelter Gott; alles also beseelt und belebt,
alles voll Götter; Hylozoismus, und nicht blos
Polytheismus, sondern wenn man so sagen darf,
Allgötterei, wie denn in der That die Menge
der indischen Götter zahllos ist. Die unendliche,
keinesweges angebildete sondern ursprüngliche
Fülle der Dichtung ist es, was eine Mythologie,
die aus dieser fruchtbaren Quelle hervorgeht,
von den dürftigen Vorstellungen von Geistern
der Verstorbenen bei denen Völkern unterschei-
det, die weniger gebildet, oder um es bestimmter

kens und jener Betruͤbniß, die der erſte Abfall
von Gott zur Folge haben mußte.

Daß die Fantaſie den Widerſpruch und Zwi-
ſchenraum zwiſchen dem Gedanken des vollkomm-
nen Weſens und dem Anblick der unvollkomm-
nen aͤuſſern Welt kaum auf eine leichtere und
natuͤrlichere Art ausfuͤllen konnte, als durch die
Anſicht der Emanation, wird jeder gern zugeben.
Sie iſt nicht nur Wurzel des aͤlteſten und allge-
meinſten Aberglaubens, ſondern auch eine reiche
Quelle der Dichtung geworden. Alles iſt dieſer
Anſicht gemaͤß ein Ausfluß der Gottheit, jedes
Weſen ſelbſt ein nur beſchraͤnkter, gebundner,
verdunkelter Gott; alles alſo beſeelt und belebt,
alles voll Goͤtter; Hylozoismus, und nicht blos
Polytheismus, ſondern wenn man ſo ſagen darf,
Allgoͤtterei, wie denn in der That die Menge
der indiſchen Goͤtter zahllos iſt. Die unendliche,
keinesweges angebildete ſondern urſpruͤngliche
Fuͤlle der Dichtung iſt es, was eine Mythologie,
die aus dieſer fruchtbaren Quelle hervorgeht,
von den duͤrftigen Vorſtellungen von Geiſtern
der Verſtorbenen bei denen Voͤlkern unterſchei-
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[107/0126] kens und jener Betruͤbniß, die der erſte Abfall von Gott zur Folge haben mußte. Daß die Fantaſie den Widerſpruch und Zwi- ſchenraum zwiſchen dem Gedanken des vollkomm- nen Weſens und dem Anblick der unvollkomm- nen aͤuſſern Welt kaum auf eine leichtere und natuͤrlichere Art ausfuͤllen konnte, als durch die Anſicht der Emanation, wird jeder gern zugeben. Sie iſt nicht nur Wurzel des aͤlteſten und allge- meinſten Aberglaubens, ſondern auch eine reiche Quelle der Dichtung geworden. Alles iſt dieſer Anſicht gemaͤß ein Ausfluß der Gottheit, jedes Weſen ſelbſt ein nur beſchraͤnkter, gebundner, verdunkelter Gott; alles alſo beſeelt und belebt, alles voll Goͤtter; Hylozoismus, und nicht blos Polytheismus, ſondern wenn man ſo ſagen darf, Allgoͤtterei, wie denn in der That die Menge der indiſchen Goͤtter zahllos iſt. Die unendliche, keinesweges angebildete ſondern urſpruͤngliche Fuͤlle der Dichtung iſt es, was eine Mythologie, die aus dieſer fruchtbaren Quelle hervorgeht, von den duͤrftigen Vorſtellungen von Geiſtern der Verſtorbenen bei denen Voͤlkern unterſchei- det, die weniger gebildet, oder um es beſtimmter

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/126>, abgerufen am 01.11.2024.