leidenschaftlichste Theilnahme. Sie vernahm jede Andeutung, und sie erwiederte auch die Frage, welche nicht gesagt war. Es war nicht möglich, Reden mit ihr zu halten; es wurden von selbst Gespräche und während dem steigenden Interesse spielte auf ihrem feinen Gesichte eine immer neue Musik von geistvollen Blicken und lieblichen Mienen. Die- selben glaubte man zu sehen, wie sie sich bey dieser oder bey jener Stelle veränderten, wenn man ihre Briefe las, so durchsichtig und see- lenvoll schrieb sie, was sie als Ge- spräch gedacht hatte. Wer sie nur von dieser Seite kannte, hätte den- ken können, sie sey nur liebenswür- dig, sie würde als Schauspielerin
leidenſchaftlichſte Theilnahme. Sie vernahm jede Andeutung, und ſie erwiederte auch die Frage, welche nicht geſagt war. Es war nicht möglich, Reden mit ihr zu halten; es wurden von ſelbſt Geſpräche und während dem ſteigenden Intereſſe ſpielte auf ihrem feinen Geſichte eine immer neue Muſik von geiſtvollen Blicken und lieblichen Mienen. Die- ſelben glaubte man zu ſehen, wie ſie ſich bey dieſer oder bey jener Stelle veränderten, wenn man ihre Briefe las, ſo durchſichtig und ſee- lenvoll ſchrieb ſie, was ſie als Ge- ſpräch gedacht hatte. Wer ſie nur von dieſer Seite kannte, hätte den- ken können, ſie ſey nur liebenswür- dig, ſie würde als Schauſpielerin
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leidenſchaftlichſte Theilnahme. Sie
vernahm jede Andeutung, und ſie
erwiederte auch die Frage, welche
nicht geſagt war. Es war nicht
möglich, Reden mit ihr zu halten;
es wurden von ſelbſt Geſpräche und
während dem ſteigenden Intereſſe
ſpielte auf ihrem feinen Geſichte eine
immer neue Muſik von geiſtvollen
Blicken und lieblichen Mienen. Die-
ſelben glaubte man zu ſehen, wie
ſie ſich bey dieſer oder bey jener
Stelle veränderten, wenn man ihre
Briefe las, ſo durchſichtig und ſee-
lenvoll ſchrieb ſie, was ſie als Ge-
ſpräch gedacht hatte. Wer ſie nur
von dieſer Seite kannte, hätte den-
ken können, ſie ſey nur liebenswür-
dig, ſie würde als Schauſpielerin
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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/179>, abgerufen am 21.05.2024.
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