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Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861.

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Lateinisch. A-reihe, Schwund. Schwächung zu i, u.
(ferre), also ligt hier zusammensetzung, nicht ein stambildungs-
suffix vor, das selbe gilt von -gnus auß -gen-us wurz. gen (gi-
gnere),
z. b. malignus u. a. und -gium in jur-gium für *jur-
igium,
vgl. rem-ig-ium wurz. ag (agere) u. s. f.

In stambildungssuffixen findet schwund von urspr. a statt,
wie in den verwanten sprachen, z. b. patr-is älter *patr-us,
*patr-os für *pater-os stamm pater grundf. patar-as (gen. sg.) und
in vilen anderen fällen.

2. Ser häufig ist die schwächung von a zu i, beson-
ders im zweiten teile von zusammensetzungen, z. b. ac-cipio
neben capio; per-ficio neben facio; as-sid-eo wurz. sad, lat. sed;
me-min-i
wurz. man; co-gnitus wurz. gna auß gan; in-si-tus
wurz. sa u. s. f.

Das selbe findet auch in der tonsilbe der worte statt (wie
im deutschen), z. b. in-ter, umbr. an-ter, comparativ des prono-
minalstammes an, vgl. altind. an-tar, an-tara-s (inter, interior),
griech. en-tera; in- (negat.), umbr. an-, altind. an-, griech. an-;
igni-s
altind. agni-s; quinque grundf. kankan, altind. pankan.

In der reduplicationssilbe der praesensstämme von wurzeln
mit dem wurzelvocale urspr. a findet dise schwächung regel-
mäßig statt, z. b. gi-gno auß *gi-gen-o, grundf. ga-gan-ami vgl.
griech. gi-gn-omai wurz. gan; sero = *siso (wegen r geht i in
e über, s. u.) grundf. *sa-sa-mi wurz. sa; si-sto grundf. sta-sta-mi
wurz. sta; seido auß *si-sdo, *si-sed-o grundf. sa-sad-ami wurz. sad.

3. Häufig ist ferner die schwächung von a zu u, beson-
ders in stamm- und wortbildungselementen, aber auch in wur-
zeln, durch einfluß gewisser consonanten. Deutlich stelt sich i
als die lezte abschwächung von a herauß, indem u nicht selten
durch vermittelung von ü ('medius quidam inter i et u sonus
-- pinguius qum i, exilius quam u -- sonum y graecae videtur
habere' Gramm.; kaiser Claudius verordnete für disen laut das
zeichen ) in i schwankt und ältere formen mit u denen mit
i zur seite stehen; u ist also die geringere schwächung von a,
die mit disem durch o vermittelt wird, das ser oft die ältere
sprache noch da hat, wo später u ein tritt. Der übergang und
die reihenfolge von a durch u zu i ligt also klar vor: a, o, u, ü, i.

Lateinisch. A-reihe, Schwund. Schwächung zu i, u.
(ferre), also ligt hier zusammensetzung, nicht ein stambildungs-
suffix vor, das selbe gilt von -gnus auß -gen-us wurz. gen (gi-
gnere),
z. b. malignus u. a. und -gium in jur-gium für *jur-
igium,
vgl. rem-ig-ium wurz. ag (agere) u. s. f.

In stambildungssuffixen findet schwund von urspr. a statt,
wie in den verwanten sprachen, z. b. patr-is älter *patr-us,
*patr-os für *pater-os stamm pater grundf. patar-as (gen. sg.) und
in vilen anderen fällen.

2. Ser häufig ist die schwächung von a zu i, beson-
ders im zweiten teile von zusammensetzungen, z. b. ac-cipio
neben capio; per-ficio neben facio; as-sid-eo wurz. sad, lat. sed;
me-min-i
wurz. man; co-gnitus wurz. gna auß gan; in-si-tus
wurz. sa u. s. f.

Das selbe findet auch in der tonsilbe der worte statt (wie
im deutschen), z. b. in-ter, umbr. an-ter, comparativ des prono-
minalstammes an, vgl. altind. an-tár, án-tara-s (inter, interior),
griech. ἔν-τεϱα; in- (negat.), umbr. an-, altind. an-, griech. αν-;
igni-s
altind. agní-s; quinque grundf. kankan, altind. pánḱan.

In der reduplicationssilbe der praesensstämme von wurzeln
mit dem wurzelvocale urspr. a findet dise schwächung regel-
mäßig statt, z. b. gi-gno auß *gi-gen-o, grundf. ga-gan-âmi vgl.
griech. γί-γν-ομαι wurz. gan; sero = *siso (wegen r geht i in
e über, s. u.) grundf. *sa-sâ-mi wurz. sa; si-sto grundf. sta-stâ-mi
wurz. sta; sîdo auß *si-sdo, *si-sed-o grundf. sa-sad-âmi wurz. sad.

3. Häufig ist ferner die schwächung von a zu u, beson-
ders in stamm- und wortbildungselementen, aber auch in wur-
zeln, durch einfluß gewisser consonanten. Deutlich stelt sich i
als die lezte abschwächung von a herauß, indem u nicht selten
durch vermittelung von ü (‘medius quidam inter i et u sonus
— pinguius qum i, exilius quam u — sonum y graecae videtur
habere’ Gramm.; kaiser Claudius verordnete für disen laut das
zeichen 𝈩) in i schwankt und ältere formen mit u denen mit
i zur seite stehen; u ist also die geringere schwächung von a,
die mit disem durch o vermittelt wird, das ser oft die ältere
sprache noch da hat, wo später u ein tritt. Der übergang und
die reihenfolge von a durch u zu i ligt also klar vor: a, o, u, ü, i.

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[64/0078] Lateinisch. A-reihe, Schwund. Schwächung zu i, u. (ferre), also ligt hier zusammensetzung, nicht ein stambildungs- suffix vor, das selbe gilt von -gnus auß -gen-us wurz. gen (gi- gnere), z. b. malignus u. a. und -gium in jur-gium für *jur- igium, vgl. rem-ig-ium wurz. ag (agere) u. s. f. In stambildungssuffixen findet schwund von urspr. a statt, wie in den verwanten sprachen, z. b. patr-is älter *patr-us, *patr-os für *pater-os stamm pater grundf. patar-as (gen. sg.) und in vilen anderen fällen. 2. Ser häufig ist die schwächung von a zu i, beson- ders im zweiten teile von zusammensetzungen, z. b. ac-cipio neben capio; per-ficio neben facio; as-sid-eo wurz. sad, lat. sed; me-min-i wurz. man; co-gnitus wurz. gna auß gan; in-si-tus wurz. sa u. s. f. Das selbe findet auch in der tonsilbe der worte statt (wie im deutschen), z. b. in-ter, umbr. an-ter, comparativ des prono- minalstammes an, vgl. altind. an-tár, án-tara-s (inter, interior), griech. ἔν-τεϱα; in- (negat.), umbr. an-, altind. an-, griech. αν-; igni-s altind. agní-s; quinque grundf. kankan, altind. pánḱan. In der reduplicationssilbe der praesensstämme von wurzeln mit dem wurzelvocale urspr. a findet dise schwächung regel- mäßig statt, z. b. gi-gno auß *gi-gen-o, grundf. ga-gan-âmi vgl. griech. γί-γν-ομαι wurz. gan; sero = *siso (wegen r geht i in e über, s. u.) grundf. *sa-sâ-mi wurz. sa; si-sto grundf. sta-stâ-mi wurz. sta; sîdo auß *si-sdo, *si-sed-o grundf. sa-sad-âmi wurz. sad. 3. Häufig ist ferner die schwächung von a zu u, beson- ders in stamm- und wortbildungselementen, aber auch in wur- zeln, durch einfluß gewisser consonanten. Deutlich stelt sich i als die lezte abschwächung von a herauß, indem u nicht selten durch vermittelung von ü (‘medius quidam inter i et u sonus — pinguius qum i, exilius quam u — sonum y graecae videtur habere’ Gramm.; kaiser Claudius verordnete für disen laut das zeichen 𝈩) in i schwankt und ältere formen mit u denen mit i zur seite stehen; u ist also die geringere schwächung von a, die mit disem durch o vermittelt wird, das ser oft die ältere sprache noch da hat, wo später u ein tritt. Der übergang und die reihenfolge von a durch u zu i ligt also klar vor: a, o, u, ü, i.

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Zitationshilfe: Schleicher, August: Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. Bd. 1. Weimar, 1861, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleicher_indogermanische01_1861/78>, abgerufen am 29.04.2024.