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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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die Scharler alle aufmarschirt vor dem Landgericht und haben ihm ihre Rechten auseinander gesetzt, und dahat er es wohl bleiben lassen. Es ist eine schöne und ganz erbauliche Beschäftigung und hält uns zusammen während der müßigen Zeit, wo es nichts ist mit dem Schifffahren. Auch bringt es Manchen auf gute Gedanken und giebt den Burschen und Mädeln eine feine Manier, daß sie sich überall sehen lassen und mitreden können an der Salzach und die Donau auf und ab, von Regensburg bis nach Belgrad und noch weiter. Drum halten wir Scharler auch was auf unsern Stand; wer alt oder gebrechlich ist, den versorgt die Zunft, und es kommt wunderselten vor, daß Einer aus der Zunft hinausheirathet oder sich eine Andere als eine Schiffertochter zur Frau holt.

So erzählte der Alte verschiedene Einzelnheiten, die mich anzogen, und erwiderte auf meine Frage nach den Stücken und ihrer Spielweise: Das ist auch eine ganz eigene Sach'. Die neuen Stück', die werden uns von den Leuten oder von den wirklichen Komödianten verrathen und angegeben; die alten aber, die gehören uns allein, und die darf uns auch Niemand nachspielen. Die wenigsten davon haben wir aufgeschrieben; eine jede Person weiß von Jugend auf vom Hören, was sie' zu sagen hat, und wenn Einer nimmer mitmachen kann, muß er es Den lehren, der nach ihm kommt, und muß ihn abrichten. So ist's auch mit den lustigen G'spielen; da muß halt Jeder selber so gescheidt sein

die Scharler alle aufmarschirt vor dem Landgericht und haben ihm ihre Rechten auseinander gesetzt, und dahat er es wohl bleiben lassen. Es ist eine schöne und ganz erbauliche Beschäftigung und hält uns zusammen während der müßigen Zeit, wo es nichts ist mit dem Schifffahren. Auch bringt es Manchen auf gute Gedanken und giebt den Burschen und Mädeln eine feine Manier, daß sie sich überall sehen lassen und mitreden können an der Salzach und die Donau auf und ab, von Regensburg bis nach Belgrad und noch weiter. Drum halten wir Scharler auch was auf unsern Stand; wer alt oder gebrechlich ist, den versorgt die Zunft, und es kommt wunderselten vor, daß Einer aus der Zunft hinausheirathet oder sich eine Andere als eine Schiffertochter zur Frau holt.

So erzählte der Alte verschiedene Einzelnheiten, die mich anzogen, und erwiderte auf meine Frage nach den Stücken und ihrer Spielweise: Das ist auch eine ganz eigene Sach'. Die neuen Stück', die werden uns von den Leuten oder von den wirklichen Komödianten verrathen und angegeben; die alten aber, die gehören uns allein, und die darf uns auch Niemand nachspielen. Die wenigsten davon haben wir aufgeschrieben; eine jede Person weiß von Jugend auf vom Hören, was sie' zu sagen hat, und wenn Einer nimmer mitmachen kann, muß er es Den lehren, der nach ihm kommt, und muß ihn abrichten. So ist's auch mit den lustigen G'spielen; da muß halt Jeder selber so gescheidt sein

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[0014] die Scharler alle aufmarschirt vor dem Landgericht und haben ihm ihre Rechten auseinander gesetzt, und dahat er es wohl bleiben lassen. Es ist eine schöne und ganz erbauliche Beschäftigung und hält uns zusammen während der müßigen Zeit, wo es nichts ist mit dem Schifffahren. Auch bringt es Manchen auf gute Gedanken und giebt den Burschen und Mädeln eine feine Manier, daß sie sich überall sehen lassen und mitreden können an der Salzach und die Donau auf und ab, von Regensburg bis nach Belgrad und noch weiter. Drum halten wir Scharler auch was auf unsern Stand; wer alt oder gebrechlich ist, den versorgt die Zunft, und es kommt wunderselten vor, daß Einer aus der Zunft hinausheirathet oder sich eine Andere als eine Schiffertochter zur Frau holt. So erzählte der Alte verschiedene Einzelnheiten, die mich anzogen, und erwiderte auf meine Frage nach den Stücken und ihrer Spielweise: Das ist auch eine ganz eigene Sach'. Die neuen Stück', die werden uns von den Leuten oder von den wirklichen Komödianten verrathen und angegeben; die alten aber, die gehören uns allein, und die darf uns auch Niemand nachspielen. Die wenigsten davon haben wir aufgeschrieben; eine jede Person weiß von Jugend auf vom Hören, was sie' zu sagen hat, und wenn Einer nimmer mitmachen kann, muß er es Den lehren, der nach ihm kommt, und muß ihn abrichten. So ist's auch mit den lustigen G'spielen; da muß halt Jeder selber so gescheidt sein

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/14>, abgerufen am 26.04.2024.