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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Während er mit diesen Gedanken beschäftigt war und Wolfsind lächelnd und mit Achselzucken den Unmuth Melcher's beschwichtigte, waren die übrigen Gegenstände, welche zu berathen gewesen waren, erledigt, und der Zunftmeister wies seine Abtheilung an, in dem Theater nebenan sogleich mit den Proben zum bayrischen Hiesel zu beginnen. Wir haben nicht viel Zeit zu verlieren, denn wir reisen in vierzehn Tagen, und bis dahin muß das Stück gehn, wie am Schnürchen. Fangt nur an, ich komm' bald nach, wir haben noch ein wenig mit den Rechnungen und mit der Kassa zu thun.

Die jungen Leute zögerten nicht, der Weisung nachzukommen; die übrigen, nicht Beschäftigten zerstreuten sich, und nur die Vorsteher und die Alten blieben zurück. An der Thüre hielten jedoch Mehrere wieder inne, denn sie bemerkten, daß Mohrenfranzel, die sich schüchtern und bescheiden in der Ferne gehalten und zugehört hatte, etwas näher kam, als ob sie ein Anliegen vorzubringen habe. Halt, Buben, sagte Nickel, der sich darunter befand, bleiben wir noch da -- das müssen wir doch hören, was das Mohrenfranzel will!

Während sie näher schlichen, hatte auch der Zunftmeister das Mädchen wahrgenommen, das mit sichtbarer Befangenheit näher kam und zu warten schien, bis sie angeredet würde. Sie mochte durch viele bittere Erfahrungen und Zurückweisungen eingeschüchtert sein: es war als ob sie ahnte, daß eine neue Kränkung ihrer

Während er mit diesen Gedanken beschäftigt war und Wolfsind lächelnd und mit Achselzucken den Unmuth Melcher's beschwichtigte, waren die übrigen Gegenstände, welche zu berathen gewesen waren, erledigt, und der Zunftmeister wies seine Abtheilung an, in dem Theater nebenan sogleich mit den Proben zum bayrischen Hiesel zu beginnen. Wir haben nicht viel Zeit zu verlieren, denn wir reisen in vierzehn Tagen, und bis dahin muß das Stück gehn, wie am Schnürchen. Fangt nur an, ich komm' bald nach, wir haben noch ein wenig mit den Rechnungen und mit der Kassa zu thun.

Die jungen Leute zögerten nicht, der Weisung nachzukommen; die übrigen, nicht Beschäftigten zerstreuten sich, und nur die Vorsteher und die Alten blieben zurück. An der Thüre hielten jedoch Mehrere wieder inne, denn sie bemerkten, daß Mohrenfranzel, die sich schüchtern und bescheiden in der Ferne gehalten und zugehört hatte, etwas näher kam, als ob sie ein Anliegen vorzubringen habe. Halt, Buben, sagte Nickel, der sich darunter befand, bleiben wir noch da — das müssen wir doch hören, was das Mohrenfranzel will!

Während sie näher schlichen, hatte auch der Zunftmeister das Mädchen wahrgenommen, das mit sichtbarer Befangenheit näher kam und zu warten schien, bis sie angeredet würde. Sie mochte durch viele bittere Erfahrungen und Zurückweisungen eingeschüchtert sein: es war als ob sie ahnte, daß eine neue Kränkung ihrer

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:20:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:20:55Z)

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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/26>, abgerufen am 26.04.2024.