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Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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-- im ersten Augenblick war es ihm gewesen, als führe sie dieselbe Absicht hieher, wie ihn . . . er hatte im Augenblick keinen andern Gedanken und meinte, die ganze Welt könne keinen andern Gedanken haben als das arme Mohrenfranzel. Behutsam drückte er sich an die Wand und huschte in eine Hausthüre, um nicht gesehen zu werden -- er hätte es nicht vermocht, mit dem Alten ruhig zu reden, oder die boshafte Person anzusehn, der er all dies Elend verdankte! Und dieses herzlose, hochmüthige Ding hatte er einmal zu lieben geglaubt! Ihr hatte er das sanfte, weiche Herz Franzel's opfern wollen und sie vielleicht für immer verloren! -- Erst lange nachher, als der Schlitten weiter geklingelt war, trat er wieder hervor.

Die Wohnung der Base war bald aufgefunden; es war eine betagte Frau, die Vaterschwester Franzel's, die Wittwe eines kleinen fürstbischöflichen Bediensteten, von einer kleinen Pension die letzten Lebenslage kärglich fristend. Hanney hätte die wackelnde Alte beinahe umarmt vor Freuden, als er erfuhr, Franzel sei wirklich da, wohne bei ihr und wolle einige Tage bleiben, bis sie einen Dienst oder eine sonstige Unterkunft gefunden haben würde. Sie war augenblicklich nicht zu Hause, sondern in den nahen Dom zur Messe gegangen. Hanney bat die Alte, sie nicht mehr fortzulassen, bis er wieder komme, und eilte nach dem Dom, um der so sehnlich Gesuchten vielleicht dort zu begegnen.

Dem Mohrenfranzel war die Nacht nicht minder

— im ersten Augenblick war es ihm gewesen, als führe sie dieselbe Absicht hieher, wie ihn . . . er hatte im Augenblick keinen andern Gedanken und meinte, die ganze Welt könne keinen andern Gedanken haben als das arme Mohrenfranzel. Behutsam drückte er sich an die Wand und huschte in eine Hausthüre, um nicht gesehen zu werden — er hätte es nicht vermocht, mit dem Alten ruhig zu reden, oder die boshafte Person anzusehn, der er all dies Elend verdankte! Und dieses herzlose, hochmüthige Ding hatte er einmal zu lieben geglaubt! Ihr hatte er das sanfte, weiche Herz Franzel's opfern wollen und sie vielleicht für immer verloren! — Erst lange nachher, als der Schlitten weiter geklingelt war, trat er wieder hervor.

Die Wohnung der Base war bald aufgefunden; es war eine betagte Frau, die Vaterschwester Franzel's, die Wittwe eines kleinen fürstbischöflichen Bediensteten, von einer kleinen Pension die letzten Lebenslage kärglich fristend. Hanney hätte die wackelnde Alte beinahe umarmt vor Freuden, als er erfuhr, Franzel sei wirklich da, wohne bei ihr und wolle einige Tage bleiben, bis sie einen Dienst oder eine sonstige Unterkunft gefunden haben würde. Sie war augenblicklich nicht zu Hause, sondern in den nahen Dom zur Messe gegangen. Hanney bat die Alte, sie nicht mehr fortzulassen, bis er wieder komme, und eilte nach dem Dom, um der so sehnlich Gesuchten vielleicht dort zu begegnen.

Dem Mohrenfranzel war die Nacht nicht minder

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Zitationshilfe: Schmid, Hermann: Mohrenfranzl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 88–178. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_mohrenfranzl_1910/70>, abgerufen am 02.05.2024.