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Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821.

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Orte sogar unentgeldlich, den Jndustrie-Unterricht über-
nommen, und dieß könnte ohne Zweifel auch an man-
chem anderen Orte geschehen; wenn jedoch diese Ein-
richtung gleich in so ferne ihr Gutes haben mag, daß
der Schullehrer, wenn er die Jndustrie-Schule als eine
neue Erwerbs-Quelle für ihn selbst betrachten kann,
sich um so mehr bemühen wird, die Einwohner dafür
zu gewinnen, und daß es für die Schule selbst von
Nutzen seyn kann, wenn der Elementar-Lehrer und die
Jndustrie-Lehrerinn sich in Erreichung des guten Zwe-
ckes gut zusammen verstehen; so möchte doch die Frage
Berücksichtigung verdienen, wer, wenn die ganze Fa-
milie des Schullehrers sich dem Unterrichte widmet,
indessen die Haushaltung führen soll, und ob also nicht
die Vereinigung beyder Stellen in Einer Familie leicht
Vernachläßigung entweder der Haushaltung des Schul-
lehrers, oder der Schule zur Folge haben könnte? --
An mehreren Orten hingegen haben unbemittelte
Schullehrers-Wittwen, deßgleichen vormalige
Klosterfrauen, gerne, zum Theil sogar unentgeldlich,
den Jndustrie-Unterricht übernommen. -- Auch außer-
dem ist es an vielen Orten durchaus nicht schwer ge-
wesen, die erforderlichen Lehrer und Lehrerinnen aus-
zumitteln. Zum Unterricht in der Obstbaumzucht z. B.
haben sich leicht erfahrene Baumzüchtler, zum Unter-
richt im Korbflechten geübte Korbmacher, zum Unter-
richt in den weiblichen Arbeiten geschickte ledige Weibs-
Personen, Wittwen, und selbst Ehefrauen, zum Theil
sogar Mutter und Tochter zugleich, im Orte selbst ge-
funden, unter anderen auch gebohrene, nun aber im
Orte ansäßige Ausländerinnen, welche nun sogar in
Jndustrie-Zweigen, welche bisher hier zu Lande beynahe
ganz unbekannt waren, Unterricht geben; besonders

Orte ſogar unentgeldlich, den Jnduſtrie-Unterricht uͤber-
nommen, und dieß koͤnnte ohne Zweifel auch an man-
chem anderen Orte geſchehen; wenn jedoch dieſe Ein-
richtung gleich in ſo ferne ihr Gutes haben mag, daß
der Schullehrer, wenn er die Jnduſtrie-Schule als eine
neue Erwerbs-Quelle fuͤr ihn ſelbſt betrachten kann,
ſich um ſo mehr bemuͤhen wird, die Einwohner dafuͤr
zu gewinnen, und daß es fuͤr die Schule ſelbſt von
Nutzen ſeyn kann, wenn der Elementar-Lehrer und die
Jnduſtrie-Lehrerinn ſich in Erreichung des guten Zwe-
ckes gut zuſammen verſtehen; ſo moͤchte doch die Frage
Beruͤckſichtigung verdienen, wer, wenn die ganze Fa-
milie des Schullehrers ſich dem Unterrichte widmet,
indeſſen die Haushaltung fuͤhren ſoll, und ob alſo nicht
die Vereinigung beyder Stellen in Einer Familie leicht
Vernachlaͤßigung entweder der Haushaltung des Schul-
lehrers, oder der Schule zur Folge haben koͤnnte? —
An mehreren Orten hingegen haben unbemittelte
Schullehrers-Wittwen, deßgleichen vormalige
Kloſterfrauen, gerne, zum Theil ſogar unentgeldlich,
den Jnduſtrie-Unterricht uͤbernommen. — Auch außer-
dem iſt es an vielen Orten durchaus nicht ſchwer ge-
weſen, die erforderlichen Lehrer und Lehrerinnen aus-
zumitteln. Zum Unterricht in der Obſtbaumzucht z. B.
haben ſich leicht erfahrene Baumzuͤchtler, zum Unter-
richt im Korbflechten geuͤbte Korbmacher, zum Unter-
richt in den weiblichen Arbeiten geſchickte ledige Weibs-
Perſonen, Wittwen, und ſelbſt Ehefrauen, zum Theil
ſogar Mutter und Tochter zugleich, im Orte ſelbſt ge-
funden, unter anderen auch gebohrene, nun aber im
Orte anſaͤßige Auslaͤnderinnen, welche nun ſogar in
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[111/0121] Orte ſogar unentgeldlich, den Jnduſtrie-Unterricht uͤber- nommen, und dieß koͤnnte ohne Zweifel auch an man- chem anderen Orte geſchehen; wenn jedoch dieſe Ein- richtung gleich in ſo ferne ihr Gutes haben mag, daß der Schullehrer, wenn er die Jnduſtrie-Schule als eine neue Erwerbs-Quelle fuͤr ihn ſelbſt betrachten kann, ſich um ſo mehr bemuͤhen wird, die Einwohner dafuͤr zu gewinnen, und daß es fuͤr die Schule ſelbſt von Nutzen ſeyn kann, wenn der Elementar-Lehrer und die Jnduſtrie-Lehrerinn ſich in Erreichung des guten Zwe- ckes gut zuſammen verſtehen; ſo moͤchte doch die Frage Beruͤckſichtigung verdienen, wer, wenn die ganze Fa- milie des Schullehrers ſich dem Unterrichte widmet, indeſſen die Haushaltung fuͤhren ſoll, und ob alſo nicht die Vereinigung beyder Stellen in Einer Familie leicht Vernachlaͤßigung entweder der Haushaltung des Schul- lehrers, oder der Schule zur Folge haben koͤnnte? — An mehreren Orten hingegen haben unbemittelte Schullehrers-Wittwen, deßgleichen vormalige Kloſterfrauen, gerne, zum Theil ſogar unentgeldlich, den Jnduſtrie-Unterricht uͤbernommen. — Auch außer- dem iſt es an vielen Orten durchaus nicht ſchwer ge- weſen, die erforderlichen Lehrer und Lehrerinnen aus- zumitteln. Zum Unterricht in der Obſtbaumzucht z. B. haben ſich leicht erfahrene Baumzuͤchtler, zum Unter- richt im Korbflechten geuͤbte Korbmacher, zum Unter- richt in den weiblichen Arbeiten geſchickte ledige Weibs- Perſonen, Wittwen, und ſelbſt Ehefrauen, zum Theil ſogar Mutter und Tochter zugleich, im Orte ſelbſt ge- funden, unter anderen auch gebohrene, nun aber im Orte anſaͤßige Auslaͤnderinnen, welche nun ſogar in Jnduſtrie-Zweigen, welche bisher hier zu Lande beynahe ganz unbekannt waren, Unterricht geben; beſonders

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Zitationshilfe: Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821/121>, abgerufen am 12.05.2024.