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Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821.

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§. 68.

Wirklich scheint auch kein hinreichender Grund
vorhanden zu seyn, diejenigen Eltern, welche an Or-
ten, wo es nicht an Privat-Gelegenheit fehlt,
die Kinder einzeln in nützlichen Handar-
beiten unterrichten zu lassen
, von dieser Ge-
legenheit Gebrauch machen wollen, oder welche ihre
Kinder selbst zu solchen Arbeiten privatim
anleiten, und unter ihrer eigenen Aufsicht
dazu anhalten
können und wollen, in dieser Hin-
sicht beschränken, und die Kinder während der Stun-
den, in welchen dieß der Fall ist, der Disposition
ihrer Eltern entziehen, und zur Theilnahme an der öf-
fentlichen Beschäftigungs- und Aufsichts-Anstalt zwin-
gen zu wollen. Offenbar würde dadurch ohne Noth
mancher armen Person, z. B. mancher Näherinn, ihr
bisheriger mit dem Unterrichte der Kinder vermöglicher
Eltern verbundener Verdienst entzogen, und es würde
oft schon an dem für so gar viele Kinder erforderlichen
Lehr- und Aufsichts-Personal und Local, und den nö-
thigen Geldmitteln fehlen, oder wenigstens der Raum
auf Kosten der - einer solchen Fürsorge bedürftigeren
Kinder zu sehr beengt, und der Kostens-Aufwand für
die öffentlichen Kassen unnöthig vermehrt. -- Man
lasse daher jedem, sey er reich oder arm, so viel als
möglich vollkommene Freyheit, seine Kinder zu be-
schäftigen, mit was und wo es ihm beliebt. Ja man
gestatte sogar, wenn sich Wohlhabendere frey-
willig zur Theilnahme an der Anstalt mel-
den
, ihnen dieselbe nur, wenn es ohne Beengung
des Raums für die ärmeren Kinder, überhaupt unbe-
schadet der auf diese zu verwendenden Sorgfalt ge-
schehen kann, nur gegen einen verhältnißmäßigen Bei-

§. 68.

Wirklich ſcheint auch kein hinreichender Grund
vorhanden zu ſeyn, diejenigen Eltern, welche an Or-
ten, wo es nicht an Privat-Gelegenheit fehlt,
die Kinder einzeln in nuͤtzlichen Handar-
beiten unterrichten zu laſſen
, von dieſer Ge-
legenheit Gebrauch machen wollen, oder welche ihre
Kinder ſelbſt zu ſolchen Arbeiten privatim
anleiten, und unter ihrer eigenen Aufſicht
dazu anhalten
koͤnnen und wollen, in dieſer Hin-
ſicht beſchraͤnken, und die Kinder waͤhrend der Stun-
den, in welchen dieß der Fall iſt, der Diſpoſition
ihrer Eltern entziehen, und zur Theilnahme an der oͤf-
fentlichen Beſchaͤftigungs- und Aufſichts-Anſtalt zwin-
gen zu wollen. Offenbar wuͤrde dadurch ohne Noth
mancher armen Perſon, z. B. mancher Naͤherinn, ihr
bisheriger mit dem Unterrichte der Kinder vermoͤglicher
Eltern verbundener Verdienſt entzogen, und es wuͤrde
oft ſchon an dem fuͤr ſo gar viele Kinder erforderlichen
Lehr- und Aufſichts-Perſonal und Local, und den noͤ-
thigen Geldmitteln fehlen, oder wenigſtens der Raum
auf Koſten der - einer ſolchen Fuͤrſorge beduͤrftigeren
Kinder zu ſehr beengt, und der Koſtens-Aufwand fuͤr
die oͤffentlichen Kaſſen unnoͤthig vermehrt. — Man
laſſe daher jedem, ſey er reich oder arm, ſo viel als
moͤglich vollkommene Freyheit, ſeine Kinder zu be-
ſchaͤftigen, mit was und wo es ihm beliebt. Ja man
geſtatte ſogar, wenn ſich Wohlhabendere frey-
willig zur Theilnahme an der Anſtalt mel-
den
, ihnen dieſelbe nur, wenn es ohne Beengung
des Raums fuͤr die aͤrmeren Kinder, uͤberhaupt unbe-
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[87/0097] §. 68. Wirklich ſcheint auch kein hinreichender Grund vorhanden zu ſeyn, diejenigen Eltern, welche an Or- ten, wo es nicht an Privat-Gelegenheit fehlt, die Kinder einzeln in nuͤtzlichen Handar- beiten unterrichten zu laſſen, von dieſer Ge- legenheit Gebrauch machen wollen, oder welche ihre Kinder ſelbſt zu ſolchen Arbeiten privatim anleiten, und unter ihrer eigenen Aufſicht dazu anhalten koͤnnen und wollen, in dieſer Hin- ſicht beſchraͤnken, und die Kinder waͤhrend der Stun- den, in welchen dieß der Fall iſt, der Diſpoſition ihrer Eltern entziehen, und zur Theilnahme an der oͤf- fentlichen Beſchaͤftigungs- und Aufſichts-Anſtalt zwin- gen zu wollen. Offenbar wuͤrde dadurch ohne Noth mancher armen Perſon, z. B. mancher Naͤherinn, ihr bisheriger mit dem Unterrichte der Kinder vermoͤglicher Eltern verbundener Verdienſt entzogen, und es wuͤrde oft ſchon an dem fuͤr ſo gar viele Kinder erforderlichen Lehr- und Aufſichts-Perſonal und Local, und den noͤ- thigen Geldmitteln fehlen, oder wenigſtens der Raum auf Koſten der - einer ſolchen Fuͤrſorge beduͤrftigeren Kinder zu ſehr beengt, und der Koſtens-Aufwand fuͤr die oͤffentlichen Kaſſen unnoͤthig vermehrt. — Man laſſe daher jedem, ſey er reich oder arm, ſo viel als moͤglich vollkommene Freyheit, ſeine Kinder zu be- ſchaͤftigen, mit was und wo es ihm beliebt. Ja man geſtatte ſogar, wenn ſich Wohlhabendere frey- willig zur Theilnahme an der Anſtalt mel- den, ihnen dieſelbe nur, wenn es ohne Beengung des Raums fuͤr die aͤrmeren Kinder, uͤberhaupt unbe- ſchadet der auf dieſe zu verwendenden Sorgfalt ge- ſchehen kann, nur gegen einen verhaͤltnißmaͤßigen Bei-

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Zitationshilfe: Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821/97>, abgerufen am 10.05.2024.